BSG-Urteil zum vertragsärztlichen Zulassungsrecht Zulässige Entfernung ausgelagerter Praxisräume

Was ist unter dem unbestimmten Rechtsbegriff der räumlichen Nähe von ausgelagerten Praxisräumen zum Vertragsarztsitz in § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV zu verstehen? In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der Literatur gehen die Ansichten diesbezüglich stark auseinander. Bislang hat das Bundessozialgericht (BSG) lediglich festgestellt, dass eine ca. 2,5 Kilometer entfernt liegende Räumlichkeit der Qualifizierung als ausgelagerte Praxis nicht entgegensteht. Im Urteil vom 6. April 2022 (B 6 KA 12/21 R) hat es nun die räumliche Nähe zwischen Vertragsarztsitz und ausgelagerten Praxisräumen anhand der zeitlichen Erreichbarkeit konkretisiert, die es bei einer maximalen Anfahrtszeit von 30 Minuten als ausreichend erachtet. Klage einer MVZ-Trägergemeinschaft Der Entscheidung liegt die Klage einer MVZ-Trägergesellschaft zu Grunde, die zwei Betriebsstätten an verschiedenen Standorten unterhält. Sie beabsichtigte ihre bisherigen Kapazitäten zur Erbringung zytologischer Laborleistungen für niedergelassene Gynäkologen anhand ausgelagerter Praxisräume in einer Entfernung von neun Kilometern zu einem der zwei MVZ-Standorte bei einer maximalen Erreichbarkeit von 19 Minuten Fahrzeit zu erweitern. Dies lehnte die zuständige Kassenärztliche Vereinigung aufgrund mangelnder räumlicher Nähe zum Standort des MVZ ab. Während die Klage in erster Instanz Erfolg hatte, entschied das Berufungsgericht zu Gunsten der Kassenärztlichen Vereinigung. Dabei stellte es darauf ab, dass nach außen keine organisatorische Einheit von MVZ-Betriebsstätte und ausgelagerten Praxisräumen erkennbar sei und damit keine räumliche Nähe vorliege. Dieser Argumentation folgte das BSG nicht, hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies es an diese zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Urteil des BSG zu ausgelagerten MVZ-Praxisräumen Das BSG entschied, dass die nach außen erkennbare organisatorische Einheit von MVZ-Betriebsstätte und ausgelagerten Praxisräumen nicht allein für die Bestimmung der räumlichen Nähe auschlaggebend ist. Mit Blick auf den Sinn und Zweck dieses in § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV normierten Erfordernisses stelle vielmehr die generelle zeitliche Erreichbarkeit der ausgelagerten Praxisräume vom Vertragsarztsitz ein geeignetes Kriterium zur Bestimmung der räumlichen Nähe dar. Dieser liege darin, die Präsenz des Vertragsarztes zur Durchführung seiner Sprechstunden und auch bei Notfällen am Ort des Vertragsarztsitzes zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund sei eine generelle zeitliche Erreichbarkeit der ausgelagerten Praxisräume vom Vertragsarztsitz von maximal 30 Minuten geeignet, den unbestimmten Rechtsbegriff der räumlichen Nähe zu konkretisieren. Auch ermögliche dies die unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen von ländlichen und urbanen Gebieten zu vergleichen und den jeweiligen Anforderungen Rechnung zu tragen. Gemäß § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV darf eine Vertragsärztin sowie ein Vertragsarzt spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz erbringen, wenn er Ort und Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung unverzüglich anzeigt. Weitere Voraussetzung für den Betrieb ausgelagerter Praxisräume ist, dass darin nur spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden, der Erstkontakt der Patientin sowie des Patienten in der Hauptbetriebsstätte oder in einer genehmigten Zweigpraxis erfolgt und Ort sowie Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung unverzüglich anzeigt wird. Dabei ist der Begriff der speziellen Leistungen nicht allein auf das von der jeweiligen ärztlichen Gruppe erbrachte gesamte Leistungsspektrum zu beziehen, sondern auf die von der einzelnen Ärztin/dem einzelnen Arzt bzw. vom MVZ an der Hauptbetriebsstätte erbrachten Leistungen. Zudem stellt das Urteil klar, dass am Vertragsarztsitz und in den ausgelagerten Praxisräumen nicht im Wesentlichen die gleichen Leistungen erbracht werden dürfen. Andernfalls könnte es sich gegebenenfalls um einen genehmigungspflichtigen Betrieb einer Zweigpraxis, aber jedenfalls nicht mehr um die Tätigkeit in ausgelagerten Praxisräumen handeln. Im Übrigen ist auch bei ausgelagerten Praxisräumen stets zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit am Vertragsarztsitz die Tätigkeit an weiteren Orten insgesamt zeitlich überwiegen muss (§ 17 Abs. 1a S. 5 BMV-Ä). Was bedeutet das BSG-Urteil für die ausgelagerten Praxisräume? Die Entscheidung des BSG dürfte die bislang heterogene Rechtsanwendung künftig vereinheitlichen und die Überprüfung der Anforderungen an ausgelagerte Praxisräume vereinfachen. Kontakt zur Autorin: Agnieszka Kreutzberg, LL.M., Rechtsanwältin, a.kreutzberg@solidaris.de

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