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Forschern gelang erstmals die Entwicklung einer völlig neuen, künstlichen Lebensform mit speziellen Eigenschaften eines Roboters. Die sogenannten Xenobots könnten beispielsweise einmal in der Medizin oder beim Umweltschutz zur Verwendung kommen.

Mit der Schaffung von sogenannten Xenobots gelang den Forschern der Synthetischen Biologie ein erstes Beispiel für eine künstliche Lebensform mit den speziellen Eigenschaften eines Roboters. Die kugelförmigen, rund einen Millimeter großen Mikroroboter bestehen aus lebenden Zellen und können schwimmen, kleine Lasten transportieren, in Gruppen zusammenarbeiten und sich selbst heilen.
Die erste Generation der Xenobots wurde noch aufwändig in Handarbeit von einem Biologenteam der Harvard-Universität aus Haut- und Herzmuskelzellen des Krallenfrosches Xenopus leavis zusammengesetzt. Der dazugehörige Bauplan wurde von einem Supercomputer mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und Simulationen von geeigneten Evolutionen entwickelt.
Die Version 2.0 besteht aus Stammzellen des Frosches inklusive der DNA, die sich in der Entwicklung innerhalb von vier Tagen selbstständig zu einer Kugel zusammenlegen. An der Außenseite bilden sich geißelförmige Fortsätze aus, die eine gerichtete Bewegung von gut drei bis vier Zentimetern pro Stunde ermöglichen. Dabei können die Xenobots etwa zehn Tage ohne Nahrung überleben, in einer Nährlösung sogar einige Monate.
Mikroroboter mit Protogedächtnis
Die lebenden Roboter der zweiten Generation besitzen nun die Fähigkeit, durch eine Art eingebautes Schaltersystem im Kollektiv Informationen aus ihrer Umwelt aufzunehmen und in Form von Farbveränderungen auf der Oberfläche zu speichern – eine Art Protogedächtnis. Die Zukunftserwartungen klingen wie Science-Fiction. Abhängig vom eingesetzten Material sollen Xenobots aus tierischen Zellen radioaktive oder toxische Kontaminationen in verseuchten Gegenden aufspüren und in Schwärmen die Meere von Mikroplastik reinigen. Aus körpereigenen Zellen des Menschen hergestellt könnten Xenobots gezielt Medikamente in Krebstumore einbringen oder verkalkte Arterien von Plaques befreien. Sollten Forscher diesen programmierbaren Anhäufungen von Haut- und Muskelgewebe künftig auch Nervensysteme und Sinneszellen hinzufügen, betritt man das Gebiet der ethischen Fragen: Ab wann ist ein Xenobot ein lebendes Wesen und fällt unter das Tierschutzrecht?
Die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt sich mit neun Max-Planck-Instituten am Forschungsnetzwerk MaxSynBio. Sie befasst sich auch mit der Reflexion über Methoden, Themen und Ergebnisse des ethischen und gesellschaftlichen Umgangs mit der Synthetischen Biologie. Mehrere Universitäten bieten Fächer zum Biodesign an, z.B. in Aachen, Berlin, Bremen, Darmstadt, Erlangen-Nürnberg, Freiburg, München. Die Deutsche Gesellschaft für Synthetische Biologie (GASB) will Deutschland als Pionier auf internationalem und v.a. auf EU-Level etablieren.
Manfred Kindler, Präsident des Krankenhaus-Kommunikations-Centrums e.V. (KKC), Kontakt: m.kindler@kkc.info
Synthetische Biologie
Der Begriff Synthetische Biologie wurde bereits 1910 in einer französischen Fachzeitschrift erwähnt. Heutzutage befasst sich dieses Fachgebiet mit dem Design und der Erzeugung biologischer Systeme mit neuen Eigenschaften, die in der Natur nicht vorkommen. Im Jahre 2000 wurden synthetische biologische Schaltkreise innerhalb von E.coli-Zellen vorgestellt. Zehn Jahre später wurden schon Bakteriengenome und Chromosomenarme synthetisiert.
Mit der 2012 programmierten Genschere CRISP-Cas9 verzeichnete die Synthetische Biologie einen rasanten Aufstieg, der 2019 erstmalig zur Herstellung von lebensfähigen Formen von Bakterien führte. Mittlerweile existieren Modelle zum Bau von biologischen Computern durch Zelltransformationen, die analoge und digitale Berechnungen in speziell konstruierten Bakterien durchführen können.