Interview mit Tobias Richter Hebamme sein: „Das ist es, was mich fasziniert“

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Tobias Richter arbeitet als Hebamme an der Helios Klinik Berlin-Buch. Er ist einer der wenigen männlichen Hebammen in Deutschland. Im Interview mit HCM erzählt er, wie er zu seinem Beruf gekommen ist und was den Beruf für ihn ausmacht.

Tobias Richter arbeitet am Helios Klinikum Berlin-Buch und studiert nebenberuflich Medizinpädagogik. – © Thomas Oberländer/Helios Kliniken

Herr Richter, wie sind Sie dazu gekommen Hebamme werden zu wollen?

Richter: Ich bin mit dem Beruf großgeworden. Meine Mama ist Hebamme und hat mir die Geschichten erzählt, die hinter diesem Beruf stecken. In der Schule habe ich dann erst ein Berufsorientierungspraktikum in der Pflege absolviert. Das hat mir nicht so gut gefallen. Später habe ich dann ein zweites Praktikum als Hebamme gemacht und dann wusste ich, dass es das ist, was mich fasziniert und worüber ich gerne mehr gewusst hätte.

Was hat Ihnen Ihre Mutter denn erzählt, dass Sie so begeistert hat?

Richter: Eine spezielle Geschichte gab es nicht. Ich war fasziniert von den vielen schönen Erzählungen aus dem Berufsalltag. Sie hat mir von der Arbeit mit den Kindern und den Familien erzählt. Ich hatte immer das Gefühl, dass der Großteil der Gesellschaft sehr dankbar ist, dass es den Beruf gibt.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Hebamme im Krankenhaus aus?

Richter: Der Arbeitsbeginn startet mit der Übergabe. Ich schaue mir an, was anliegt. Wie ist die Belegung? Wie viele Frauen sind unter der Geburt und brauchen eine Unterstützung? Sind vielleicht auch Kaiserschnitte geplant? Im Kollegium teilen wir uns dann die Arbeit ein und schauen, dass die Arbeitslast möglichst gleichmäßig verteilt ist. Dann stellen wir uns den Frauen vor, die wir bei der Geburt betreuen werden. Bei einer Gebärenden kontrollieren wir den Geburtsfortschritt. Führen Vaginaluntersuchungen durch. Machen mit den Frauen  Entspannungstechniken. Wenn die Schmerzen zu stark sind, können wir Schmerzmittel verabreichen. Im Prinzip beobachten wir als Hebammen ganz viel und manchmal schon können auch am Klang des Veratmens der Gebärenden hören, wenn etwas nicht stimmt. Ein großer Zeitfaktor ist die Dokumentation, die natürlich aber auch extrem wichtig ist.

Berufsbezeichnung Hebamme

Vor der Reform hießen männliche Hebammen „Entbindungspfleger“. Laut Paragraph 3 Absatz 2 des Hebammengesetzes gilt die Bezeichnung nun für alle Berufsangehörigen. Der Gesetzgeber ist der Argumentation des Berufsverbandes gefolgt, dass ,,Entbindungspfleger“ ein falsches Bild vermitteln würde.

https://www.gesetze-im-internet.de/hebg_2020/BJNR175910019.html

Es gibt in Deutschland nur wenige männliche Hebammen. Hierzu finden sich widersprüchliche Zahlen. Haben Sie dazu genaue Angaben?

Richter: Mit den Zahlen ist es immer so ein bisschen schwierig. Aktuell soll es 22 männliche Hebammen in Deutschland geben. Zwischendurch habe ich auch einmal gesagt bekommen, dass es 53 wären. Das erschien mir dann doch ein bisschen viel.

Machen Sie im Berufsalltag geschlechterspezifische Erfahrungen, die weibliche Hebammen vielleicht nicht machen? 

Richter: In der Gesellschaft gibt es natürlich immer noch einige Menschen, die Berufe in klassische Männer- und Frauenberufe unterteilen und weitere Vorurteile haben. Manchmal möchten Gebärenden von einer männlichen Hebamme nicht betreut werden oder die Väter wollen das nicht. Damit muss ich dann leben. Überwiegend mache ich aber nur positive Erfahrungen und man begegnet mir offen.

Was war bisher der schönste Moment für Sie im Kreißsaal?

Richter: Der Beruf ist mit überwiegend sehr viel schönen Momenten verbunden. Manchmal auch mit Leid. Bei einer Geburt dabei zu sein, ist immer ein ganz besonderes Erlebnis. Dabei entsteht oft ein zwischenmenschlicher Kontakt, der über die Geburt hinaus andauert.

Akademisierung der Hebammenausbildung

Für die aktuelle HCM-Ausgabe 2/23 hat HCM-Volontärin Sandra Grubert mit Tobias Richter über die Akademisierung der Hebammen-Ausbildung gesprochen.