Entscheiderfabrik und Healthcare global
Der Austausch mit amerikanischen Kliniken, das dritte „US-German Management Training on Digital Transformation“ und der CHIME-Kongress: Diese Themen standen auf der Agenda der diesjährigen Entscheiderreise nach San Diego im vergangenen Oktober 2021. Exklusive Einblicke in den Field Trip der Entscheiderfabrik.

Nach mehr als 15 Monaten Pause aufgrund der Regelungen rund um die Corona-Pandemie begab sich im Oktober 2021 endlich wieder eine Gruppe von Entscheidern der deutschen Krankenhauslandschaft auf den Weg nach San Diego in die USA zur „Entscheiderreise“. Vom 24. bis 29. Oktober hatte die Gruppe, bestehend aus Klinikentscheidern, Universitätsprofessoren und Industrieverantwortlichen, reichlich Gelegenheit zum Austausch mit den in Kalifornien ansässigen Klinikführungskräften. Zwar konnten diesmal aufgrund der Pandemie nicht alle Krankenhäuser vor Ort besichtigt werden, dafür fand sich ausreichend Platz in nahen Verwaltungsgebäuden bzw. in Hotels. Eine kurze Führung durch das vorbildlich gebaute, wie ein Hotel anmutende, Jacobs Medical Center in der Universitätsklinik San Diego in La Jolla wurde extra für die deutsche Gruppe möglich gemacht.
Besuch des „College of Healthcare Information Management Executives“
Neu war zudem der Besuch des CHIME-Kongresses, der weiterführende Erkenntnisse, u.a. zu Führungs- und Interoperabilitätsthemen sowie Patientengagement mit sich brachte. CHIME steht für „College of Healthcare Information Management Executives“. Diese Organisation ermöglichte auch den Ausnahmebesuch in die Staaten, da die Einreise für deutsche Bürgerinnen und Bürger eigentlich bis zum November 2021 nicht erlaubt war. Seit einigen Jahren besteht eine Kooperation zwischen CHIME und der Entscheiderfabrik bzw. deren angegliederter Organisation AHIME (Academy of Health Information Management Executives). Gemeinsam vertreiben diese Fortbildungen zum „Certified-Healthcare-CIO“. Bis zum Ende des Jahres 2021 wurden bereits 27 CHCIOs in Deutschland zertifiziert.
Das CHIME-Fall-Forum (https://chimecentral.org/events/chime21-fall/) tagte vom 27. bis 30. Oktober im Hotel Marriot Marquis, am Ende der Reise. So konnten die Teilnehmenden selbst entscheiden, wieviel Zeit oder Tage er für den Besuch einplanen wollte, um jeweils passende Vorträge zu besuchen. Diverse Networking-Sessions an den Abenden und tagsüber ermöglichten viele neue Kontakte mit amerikanischen Führungskräften. Das Fall-Forum gastiert alle drei Jahre in San Diego, dazwischen tagt es in San Antonio/Texas und Phoenix/Arizona. Die Teilnehmenden stammen aus allen amerikanischen Staaten, daneben gibt es verschiedene internationale Mitglieder. Schließlich sind die Herausforderungen und Chancen bei der Transformation der Patientenversorgung weltweit gleich. So schafft CHIME International ein Netzwerk für alle IT-Führungskräfte im Gesundheitswesen.
Lernen beim Management-Training
Um die Auswirkungen der digitalen Disruption auf den regionalen und überregionalen Wettbewerb zu verdeutlichen, fand auf der Reise ein Management-Training mit herausragenden US-Experten statt. So berichteten Prof. Christopher Longhurst, CMO und CDO UCSD Health, und Albert Oriol , Vice President Rady Children’s, und Kevin Mattson, President and CEO San Ysidro Health Center, von ihren Erfahrungen, erstmalig auch zu den außergewöhnlichen Herausforderungen der Pandemie. Dabei lernten die Teilnehmenden, wichtige Veränderungslinien in der Digitalisierung zu analysieren und die interdisziplinären Entwicklungstendenzen bzw. die Auswirkungen auf die Leistungserbringung zu erkennen. Daneben wurde wichtige Handlungsfelder für künftige Lösungsansätze erarbeitet sowie eigenständige Change-Management-Ansätze entwickelt. Zum Abschluss des Trainings erhielten die Teilnehmenden das Zertifikat „SH-I-ME: Strategic Health Information Manager“ .
Authentische Einblicke in amerikanische Kliniken: „Einfach tun, nichts ist perfekt“
Das erste Meeting mit der Kinderklinik Rady Children zeigte beispielhaft auf, wie den Amerikanern die Pandemiebekämpfung in Kalifornien gelang. Sie bauten u.a. eine neue Klinik in nur sechs Tagen im Convention Center San Diego auf: mit Labor, Apotheke, Notfallambulanz und sämtlicher IT inklusive Anbindung an die elektronischen Patientenakten. Die Rady Children’s Hospital Foundation wurde als Polio-Klinik in den 50er Jahren gegründet und entwickelte sich zu einem Kinderkliniksystem, das heute für fast alle Krankenhäuser in der Region unter deren Co-Branding pädiatrische Kompetenz und Leistungen anbietet. Auch überregionale Zusammenarbeiten bestehen, beispielsweise mit der renommierten Mayo Klinik. An der Einbindung von Gendiagnostik mit kurzen Befundzeiten und Population-Health-Analysen arbeitet man engagiert im angegliederten Institut. Weitere Themen des Meetings umfassten das Informations-Management und Analytics.
Das zweite Meeting mit Verantwortlichen der Scripps-Klinik – mit fast 30 Prozent Marktführer im stationären Bereich in der Region –, beschäftigte sich mit Patientenportalen, Telehealth, IT-Strategien und Enterprise Analytics. Die Klinik hat im Lauf der Jahre zahlreiche Joint Ventures entwickelt und bietet interessierten Ärzten und Ärztinnen sogar die exklusive Arbeit in einer Telehealth-Klinik an. Für 2022 ist der Launch einer digitalen Kommandozentrale geplant.
Ein wichtiges Learning, wie der amerikanische Spirit im Bereich IT-Strategie, Modernisierung und Cloud-Nutzung gelebt wird, verdeutlichte hier Tom Vollberg: „Let‘s go, grow fast“ und „Wabi sabi“ bedeuten für ihn: Einfach tun, nichts ist perfekt oder komplett, alles befindet sich im ständigen Wandel …
Nur geteilte Daten sind gute Daten
Videosprechstunden und Telemedizin sind Themen, die in allen Kliniken aufgrund der Pandemie im Jahr 2020 einen extremen Anstieg verzeichneten, ähnlich wie in Deutschland. Dies bestätigte Prof. Christopher Longhurst beim Besuch des UCSD Jacobs Medical Centers. Der M.D., M.S. und Professor for Biomedical Informatics and Pediatrics präsentierte die Universitätsklinik anhand von drei Beispielen. Eine herausragende Anforderung sei es, Patientinnen und Patienten einzubinden und Daten interoperabel auszutauschen. Wenn alle eingebunden und motiviert sind, stelle sich Erfolg schnell ein. Nur geteilte Daten sind gute Daten – weil sie helfen, bessere und individuellere Therapien, auch telemedizinisch, zu entwickeln. Zudem zeigte er, wie schnell die Impfungen in Kalifornien umgesetzt wurden – in Zusammenarbeit mit weiteren Kliniken der Region. Weitere spannende Vorträge, unter anderem zu Population-Health-Modellen, der Schlaganfalldiagnostik via Telemedizin, Innovationen in Gesundheit sowie Politik (auch in Deutschland) und Visionen zur künftigen Versorgung brachten spannende Einblicke.
Ferner wurde der Health Angel Awards an Christopher Longhurst und posthum an Larry Friedmann überreicht. Diesen erhielten die amerikanischen Professoren für ihre Videos beim HIE Summit 2020, den die Entscheiderfabrik organisiert hatte.
Health-IT-Teams: 80 Prozent Frauen
Der Tag in San Ysidro Health Center, nahe der mexikanischen Grenze, befasste sich erneut mit vielfältigen Managementthemen. Zudem gab es Infos zum Geschäftsmodells der Organisation, die ähnlich einer Poliklinik Leistungen für sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten anbietet. Dazu gehören Zahnarztleistungen, Familienpflege, Reha und Prävention. Kevin Mattson, Präsident und CEO, sowie Buddy Hickman, Vice Präsident und CIO, vermittelten die Entwicklung der Institution. Sehr vorbildlich hier die Besetzung des Health-IT-Teams: Sie besteht zu 80 Prozent aus Frauen. Diese sprechen die Bevölkerung über verschiedenste Kanäle vermehrt digital an, um sie mitzunehmen in ein Gesundheitssystem mit viel mehr Prävention statt Nachsorge.
Neurochirurg Prof. Dr. Steffen Rosahl, Sprecher der Kommission Digitalisierung, Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie e. V., fasste zusammen: „Die Entscheidung zur Reise war eine gute Entscheidung. Die USA sind bei der digitalen Transformation ein Stückchen weiter. Wir haben gesehen, dass es möglich ist, all die Ideen, die auch wir schon hatten, umzusetzen: Rückmeldungen bestätigen dies.“