Patientensicherheit Wie sicher fühlen sich Patienten und Patientinnen?

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Ein repräsentativer Teil der Bevölkerung wurde gefragt, wie sie die Sicherheit in der medizinischen Versorgung erleben. Die Ergebnisse werden zum Welttag der Patientensicherheit veröffentlicht. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit, die Weltgesundheitsorganisation und der Gemeinsame Bundesausschuss unterstützen diesen Tag aktiv.

Welttag der Patientensicherheit
Zum Welttag der Patientensicherheit am 17. September 2021 wird eine repräsentative Befragung zur Patientensicherheit veröffentlicht. APS, WHO und G-BA unterstützen diesen Tag aktiv. – © APS

Laut Monitor der Techniker Krankenkasse (TK) zur Patientensicherheit melden nur 40 Prozent derjenigen, die einen Fehler vermuten, ihren Verdacht auch weiter, die Mehrheit (57 Prozent) schweigt. Daweil hält es mehr als jeder Vierte (27 Prozent) der Befragten für wahrscheinlich, dass Patienten und Patientinnen in Deutschland durch eine medizinische Behandlung im Krankenhaus zu Schaden kommen können. Fast jeder Dritte (32 Prozent) geht zudem davon aus, dass Schäden auch in der Arztpraxis vor Ort passieren können. 27 Prozent glauben, selbst schon einmal einen Behandlungsfehler erlitten zu haben. Betroffene, die einen vermuteten Fehler weitermelden, sprechen zu einem überwiegenden Teil den behandelnden Arzt bzw. das Krankenhaus (70 Prozent) oder andere Ärzte (60 Prozent) an.

TK fordert Never-Event-Register

Ein Schwerpunkt des TK-Monitors ist dieses Jahr der Umgang mit sehr seltenen, aber schwerwiegenden Behandlungsfehlern wie beispielsweise einer Operation der falschen Körperseite oder der Verwechslung eines Patienten oder einer Patientin. Fachleute für Patientensicherheit sprechen bei diesen seltenen Ereignissen von „Never Events“. Dabei kommen Patienten zu Schaden, obwohl die Fehler als nahezu vollständig vermeidbar gelten, weil entsprechende Präventionsmaßnahmen vorhanden sind und wirksam sein sollten. Zum Beispiel gehöre es zur Krankenhausroutine, vor dem Eingriff nach dem Patientennamen zu fragen.

„Anders als viele vermuten, werden derartige Ereignisse bislang nicht zentral erfasst. Es gibt auch keine routinemäßig vorgeschriebenen Maßnahmen“, sagt Ballast. Er fordert daher: „Wir brauchen ein bundesweites Never-Event-Register mit verlässlicher Datenerhebung, verpflichtender Analyse und transparenter Darstellung der Ergebnisse.“

Aus Fehlern lernen

Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), unterstützt die TK-Forderung nach einem Never-Event-Register: „Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen. Health Care Professionals sind Menschen und Menschen machen Fehler und manchmal kommt es zu Patientenschäden. Es geht darum, offen und ehrlich, mutig mit diesen Dingen umzugehen und aus Fehlern zu lernen, um weitere Schäden von weiteren Patientinnen und Patienten fernzuhalten.“ Im angelsächsischen Raum existierten bereits Aufstellungen von typischen Vorfällen. Auch in Deutschland und der Schweiz würden derzeit nationale Definitionen und Ereignis-Listen erarbeitet.

Patienten und Patientinnen beim Thema Patientensicherheit einbinden

Der TK-Monitor Patientensicherheit widmet sich auch den Fehlerberichts- und Meldesystemen im Gesundheitswesen ( Critical Incident Reporting System – CIRS). Sie bieten medizinischen Fachkräften die Möglichkeit, anonymisiert Auffälligkeiten zu melden. Die CIRS-Systeme bilden ein zentrales und wichtiges Modul im klinischen Risikomanagement. Drei Viertel der Befragten sind derartige Systeme unbekannt. Dennoch besteht mit 90 Prozent bei den Befragten eine hohe Bereitschaft, sie zu nutzen, sollten sie für Erfahrungsberichte aus Patientensicht zugänglich gemacht werden. Die Ergebnisse zeigen: die Versicherten wollen beim Ausbau der Patientensicherheit aktiv eingebunden werden.

Welttag der Patientensicherheit

Weltweit sind Menschen am Welttag der Patientensicherheit (17. September 2021) aufgerufen, sich über dieses wichtige Thema zu informieren und dafür zu werben. Die Bereitschaft auf Seiten der Patienten und Patientinnen, aktiv zu unterstützen, ist vorhanden – das zeigt sich zumindest bei den Befragten des TK-Monitors. Auch Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das APS fordern Engagement für mehr Patientensicherheit und rufen daher am Welttag der Patientensicherheit Institutionen im Gesundheitswesen, Menschen und Medien auf, sich zu beteiligen.

APS fordert Nachbesserung in der Gesundheitspolitik

Anlässlich des dritten Welttags der Patientensicherheit gab APS eine Online-Pressekonferenz und forderte Maßnahmen seitens der Regierung. Hecker, Constantin Grosch und Prof. Dr. Reinhard Strametz äußerten sich zum aktuellen Status der Patientensicherheit in Deutschland. Alle drei sind sich einig: die Regierung muss in Zukunft mehr für die Sicherheit von Patientinnen und Patienten tun und investieren.

Bei den Wahlprogrammen der Parteien findet man wenig bis gar nichts zum Thema Patientensicherheit, moniert Grosch, stellvertretender Vorsitzender des APS. Einen wirklichen Willen, Patientensicherheit ernsthaft durchzusetzen, sieht er nicht. Ohne Patientensicherheit wird auf fundamentales Grundrecht verzichtet. Die Regierung sollte daher gesetzlich eingreifen, wie es bei Datenschutz und Interoperabilität bereits der Fall sei, fordert Grosch.

Sicherheit vom ersten Atemzug an

Hecker setzt sich für den Schutz und die Versorgung schwangerer Frauen ein. Unter dem Motto des diesjährigen Welttages der Patientensicherheit „Sicher vom ersten Atemzug an“ fordert sie, werdenden Müttern mehr Informationen über verschiedene Möglichkeiten der Geburt und zum Ablauf der Schwangerschaft zur Verfügung zu stellen. Aktuell würde dies nämlich nur spärlich umgesetzt. „Es wird vergessen, nach einer Geburtseinleitung ein CTG anzulegen und dadurch wird die Abnahme der Herzfrequenz beim Kind nicht erkannt. Oder nach einer rückenmarksnahen Katheteranlage kommt es zu einer bakteriellen Meningitis bei der Mutter“, warnt Hecker vor möglichen Konsequenzen. Auch Prof. Josef Hecken , unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ist Heckers Ansicht: „Das Motto des diesjährigen Welttages der Patientensicherheit ‚Sicher vom ersten Atemzug an‘ spiegelt, so gesehen, das zentrale Anliegen des G-BA wider, das er mit seinen Qualitätsvorgaben für die Versorgung von Neugeborenen verfolgt.“

Patientensicherheit und Mitarbeitersicherheit im Einklang

Patientensicherheit funktioniere nur mit Mitarbeitersicherheit, sagt Prof. Dr. Reinhard Strametz, Generalsekretär des APS. „Noch immer habe ich, haben wir im Vorstand des APS, den Eindruck, dass die Verschnaufpausen der Pandemie kaum genutzt wurden, um die Sicherheit der Mitarbeitenden und damit die Patientensicherheit zu erhöhen .“ Er erinnert an das Motto des letzten Welttages der Patientensicherheit: „Mach Dich stark für die Sicherheit des Gesundheitspersonals!“ Seitdem habe sich nicht wirklich etwas getan.