World Health Summit 2021 Wie schafft man gleiche Gesundheitschancen weltweit?

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Zwischen Pandemie, Klimawandel und wachsender sozialer Ungleichheit: Auf der dreitägigen internationalen Gesundheitskonferenz in Berlin suchten Player unterschiedlicher Gesundheitssysteme und -organisationen nach Antworten auf die drängenden Fragen einer gerechten und nachhaltigen Gesundheitsversorgung der Weltbevölkerung. Ein Thema, das auch Healthcare-Einrichtungen hierzulande betrifft.

Prof. Dr. Ilona Kickbusch, Initiatorin der Ottawa-Charta, und Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, WHO-Chef. – © World Health Summit

„Gesundheit ist kein Luxusgut. Gesundheit ist ein fundamentales Menschenrecht und die Basis von sozialer und ökonomischer Stabilität“, erklärte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wandte sich in seiner Eröffnungsrede des diesjährigen World Health Summits (WHS) am 24. Oktober im Berliner Kosmos mit drei Zielvorgaben für die kommenden Monate und Jahre an alle Nationen:

  1. Das Ende der Corona-Pandemie.
  2. Das Vorbreiten und Vorbeugen von neuen Pandemien.
  3. Die verstärkte Investition in die Primäre Gesundheitsversorgung und damit eine für alle zugängliche, flächendeckende gesundheitliche Einzelversorgung mit Fokus auf Prävention.

Der Weg dorthin führe laut Ghebreyesus über Menschenrechten, soziale und ökonomische Stabilität und ein unbedingtes, vertrauensvolles Zusammenarbeiten auf sämtlichen Ebenen, allen voran der Länder.

An den drei Tagen des WHS wirken diese Ziele nicht nur idealistisch sondern tatsächlich realistisch. Wer vor Ort dabei war, scheint Teil einer großen, globalen Familie zu sein, die mit Leidenschaft und Engagement ein gemeinsames Ziel verfolgt: weltweit faire Zugangschancen für alle Menschen zu nachhaltigen Gesundheitsleistungen.

Weg vom „Impfnationalismus“ und „mangelhaftem politischen Handeln“

„Lassen Sie uns die Lektionen, die wir auf schmerzvolle Weise lernen mussten, nun nutzen“, mahnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, angesichts der vorherrschenden Covid-19-Pandemie, die das Leben aller Menschen tiefgreifend verändert hat. Dass diese Lektionen aus der Corona-Krise in der Realität noch nicht intensiv genug Anwendung finden, zeigten einige Sessions, die unterschiedliche, aktuelle Handlungsbereiche adressierten. Beispiele dafür sind der „Impfnationalismus“, von dem UN-Generalsekretär António Guterres sprach, das „mangelhafte politische Handeln angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse in Pandemielagen“, das Virologe Prof. Dr. Christian Drosten adressierte, aber auch das fehlende flächendeckende tiefe Verständnis der Funktion von Daten in der zunehmend digitaler werdenden Gesundheitsversorgung auf Seiten von Regulierungsbehörden wie auf Seiten der Bevölkerung, dem Francesca Colombo, Head of Health Division der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), mit fehlender „digital health litteracy“ einen Namen gab.

Weltweiter Standard für Gesundheitsvorsorge

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen , mahnte angesichts der vielfältigen Herausforderungslage, dass internationale Zusammenarbeit auch jenseits der Pandemieschauplätze unerlässlich sei: „Grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen müssen grenzüberschreitend bekämpft werden“, erklärte sie und forderte „einen weltweit gültigen Standard für Gesundheitsvorsorge.“

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    © Flachenecker
    Vom 24. bis zum 26. Oktober 2021 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Gesundheitssysteme und -organsationen aus der ganzen Welt in der Berlin zum World Health Summit 2021.
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    „Govering health futures 2030 – Growing up in a Digital World“, der Report des Lancet und der Financial Times Commission, wurde auf dem WHS vorgestellt und diskutiert. Die Untersuchung zeigt auf, welche Herausforderungen in der digitalen Transformation der Gesundheitsversorgung gemeistert werden sollten.
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    Virologe Prof. Dr. Christian Drosten sprach in einem Panel u.a. über relevante Vorkehrungen zur Vermeidung weiterer Pandemien. Wichtig ist dem Experten zufolge die aktive Beobachtung der Nutztierindustrie. Sie stelle auch künftig einen möglichen Risikoherd für Krankenheiten dar, die für Menschen lebensgefährlich sein können.
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    Planetary Health war eines der Themenfelder auf dem World Health Summit. Dr. Eckart von Hirschhausen (links im Bild) verdeutlichte in der von ihm moderierten Session die Beudeutung eines gesunden Planeten für die Gesundheit von Menschen „haptisch“ mit einem Erdball-Ballon.

Digital Health braucht stetige Verbesserung

Der Zeitpunkt dafür wäre genau richtig. Bisher gibt es kein weltweit einheitlich gelebtes Verständnis von Gesundheit, das tatsächlich reglementiert ist. Ebenso wenig vergleichbar wie die Rolle von Gesundheitsversorgung in den einzelnen Ländern sind deren digitale Gesundheitsstrategien. Schwer also, darüber zu urteilen, welches Land besonders weit in der digitalen Versorgung ist. Laut Colombo sollte daher weniger versucht werden, Länder zu bestimmen, die sich besonders positiv oder negativ hervortun. Relevant sei es vielmehr, die eigenen Schwächen und Stärken zu kennen und stetig besser zu werden. Ein solches Vorgehen sei v.a. deshalb effektiver, weil es das Prinzip „one size fits all“ in Digital Health nicht gebe. Laut Nanjira Sambuli, Präsidentin und Co-Chair der Transform Health Coalition, Kenia, können „Community Health Models“ dabei helfen, passende Modelle zu finden. Sie könnten auch dafür sorgen, dass nötige Vertrauen der Menschen zu gewinnen und ihre Bedürfnisse einzubeziehen. Vertrauen war auch eines der Keywords der WHO, das während des WHS an unterschiedlichen Stellen immer wieder gefallen ist – gemeinsam mit Transparenz, Gleichheit und Gerechtigkeit für die Ausrichtung einer faireren, globalen, digitalen Gesundheitsarchitektur .

Empfehlungen zur Gestaltung der digitalen Transformation

Wo Länder sowie Gesundheitseinrichtungen- und organisationen dabei ansetzen können, zeigt das neue Paper des Lancet „Govering health futures 2030 – Growing up in a Digital World“. Bei der Präsentation auf dem WHS sprach u.a. Prof. Dr. Ilona Kickbusch, Soziologin, Politikwissenschaftlerin, Initiatorin der Ottawa Charta und Gründerin des Global Health Centers am Graduate Institute in Genf. Sie hat die Studie eng begleitet und resümierte einige Empfehlungen hinsichtlich der künftigen Gestaltung der digitalen Transformation der Gesundheitsversorgung:

  • Die Machtungleichheiten zwischen Ländern adressieren.
  • Das Vertrauen der Bevölkerung in Digitalisierung stärken.
  • Werteorientierte Rahmenbedingungen schaffen, die den Nutzen digitaler Lösungen anstelle von Profit in den Fokus rücken.

Prof. Dr. Axel R. Pries, Dekan der Charité und Präsident des WHS, forderte des Weiteren eine größere Unterstützung supranationaler Institutionen: „Um die Gesundheit der Weltbevölkerung zu verbessern, müssen die überstaatlichen Organisationen gestärkt werden“.

Ergebnissicherung: M8 Alliance Declaration

Die Ergebnisse des WHS münden traditionsgemäß in die M8 Alliance Declaration, die in ihrer aktuellen Version mit einem Klick digital abrufbar ist: https://www.worldhealthsummit.org/media/publications.html

Verfasst hat diese Abschlusserklärung das akademische Rückgrat des World Health Summit, der M8 Alliance of Academic Health Centers, Universities and National Academies, einem Zusammenschluss aus 30 Akademischen Gesundheitszentren und Universitäten in 20 Ländern und den wissenschaftlichen Nationalakademien in 130 Ländern.

377 Sprecherinnen und Sprecher, 67 Sessions und rund 6.000 Teilnehmende aus aller Welt digital und vor Ort machten den WHS zu einem internationalen Großevent, dessen Inhalte noch eine Weile nachhallen dürften.

Alle Informationen zum WHS sowie Updates und Hintergrundinformationen zu einzelnen Inhalten stellt die Website www.worldhealthsummit.org zur Verfügung.

World Health Summit 2022

Der World Health Summit 2022 wird voraussichtlich vom 16. bis zum 18. Oktober wieder in Berlin stattfinden.