KKC-KOLUMNE Wie man sich bettet …

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Der überwiegende Bereich eines menschlichen Alltagslebens wird zunehmend von digitalen Dienstleistungen infiltriert, sei es im Haus, im Auto oder im Arbeitsleben. Erstaunlich ist aber, dass ein Zeitraum, der 40 Prozent der gesamten Lebensdauer ausmacht, von digitalen Helfern bislang noch kaum berührt ist: der Schlaf in einem Bett.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Forschungsprojekt „Bettenmanagement 4.0“ ins Leben gerufen. – © marsea (stock.adobe.com)

Menschen möchten schnell einschlafen, gut durchschlafen und morgens voller Tatendrang wieder aufwachen. Dieser Lebensabschnitt ist augenscheinlich noch nicht optimiert, da etwa 20 bis 30 Prozent aller Menschen in westlichen Industrieländern an Schlafstörungen leiden, welche die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität stark einschränken.

Genesungsfördernde Schlafhygiene

In den Einrichtungen des Gesundheitswesens stellt die Sicherstellung einer genesungsfördernden Schlafhygiene eine besondere Herausforderung dar. Da ist zunächst die logistische 7-R-Regel bei der Planung der Bettenbelegung zu lösen: Wie kommen die richtigen Betten zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Menge in der richtigen Qualität beim richtigen Patienten zu den richtigen Kosten an. In der Praxis gehen den Krankenhäusern durch fehlgelagerte Betten, Transporte durch überqualifizierte Arbeitskräfte, Leerzeiten aufgrund eines ungünstigen Reinigungs- oder Wartungsmanagements oder schlicht durch zu viele und ungenutzte Bettenkapazitäten enorme zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen verloren. Hinzu kommt die hygienische Anforderung an das Medizinprodukt Krankenhausbett als Hauptaufenthaltsort der Patientinnen und Patienten: Rund 800.000 Menschen infizieren sich jedes Jahr mit Krankenhauskeimen. Die halbe Million Klinikbetten stellen somit einen kritischen Keimüberträger dar.

In Pflegeeinrichtungen spitzt sich die Lage zunehmend zu. „Wer pflegt die Babyboomer?“, fragte kürzlich auf ­einem Kongress die Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Angelika Zegelin. Schließlich erwartet die geburtenstarke Generation aus Mitte der 50er- bis 60er-Jahre eine hohe Lebensqualität im Rentenalter. Sie trifft auf den Pflegenotstand mit einem Fehlbestand von 100.000 Vollstellen, der durch die restriktiven Finanzierungsmodelle der sozialen Pflegeversicherung verstärkt wird.

Hierzu hat die Industrie im Rahmen der Ambient Assisted Living (AAL) eine Vielzahl von digitalen Technologien entwickelt, die auch das Bett, genauer gesagt die Matratze, betreffen. Um den Verlust der Mobilität möglichst lange hinauszuzögern, fokussieren sich viele Anwendungen auf die Folgen der Bettlägerigkeit wie Dekubitus, Pneumonie, Inkontinenz, Thrombose und Schwächung der Muskeln. Mit einer „intelligenten“ Matratze oder Matte werden biometrische Parameter wie Herzschlag, Atemfrequenz, Gewicht, Feuchtigkeit, Eigenbewegungen überwacht und protokolliert. Bei kritischen Veränderungen können dann Angehörige, Pflegende und Ärzteschaft in Echtzeit informiert werden. Zur Schlafoptimierung oder zur Vermeidung von Druckgeschwüren existieren bereits Lösungen mit Sensormatten, die bei Bedarf Aktoren in luftgefüllten Matratzen steuern.

Archäologen entdeckten in Afrika den Ursprung des menschlichen Schlafkomforts: 200.000 Jahre alte Grasbetten. So gesehen bricht nun das digitale Zeitalter des Bettes an. Aber letztendlich gilt immer noch die alte Lebensweisheit von Tunnicius aus dem Jahre 1515: Wie man sich bettet, so liegt man.

„Bettenmanagement 4.0“

Zur Verbesserung der Situation hat das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Leitmarktwettbewerbs das Forschungsprojekt „Bettenmanagement 4.0“ ins Leben gerufen, um die Lokalisation und Statusabfrage der Betten über Industrie-4.0-Technologie mittels einer Managementsoftware zu ermöglichen. Zudem kann dieses System als Basis für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) dienen, etwa beim Einsatz von Robotiktechnologien. Weitere Informationen unter: www.gesundheit-digital.nrw/projekte/bettenmanagement

Kontakt zum Autor:

Manfred Kindler, Präsident des Krankenhaus-Kommunikations-Centrums e.V. (KKC), Kontakt: m.kindler@kkc.info