Digitalisierung Wie digitale Logistik Healthcare-Einrichtungen entlasten kann

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Digitalisierung, Einkauf und KHZG

Smarte Logistik-Prozesse steigern die Effizienz in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Auch das KHZG will den digitalen Informationsfluss in den Häusern vorantreiben. Wie das konkret aussehen kann, erklärt der Berliner Gründer und Digitalexperte Matthias Friese.

Logistik im Gesundheitswesen
Logistik im Gesundheitswesen: Immer mehr Einrichtungen setzen auf digitale Lösungen. – © wladimir1804 (stock.adobe.com)

Gesundheitsminister Jens Spahn bezeichnete Deutschland jüngst als „Logistikweltmeister“ – ein Titel, an dem man im Hinblick auf das Gesundheitswesen Zweifel hegen kann. Jenseits von nach wie vor futuristisch anmutenden Trends wie der Roboter-assistierten Chirurgie, bietet jedoch v.a. der Bereich der Logistik große Chancen für Effizienzgewinne in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Während Pflege und Fürsorge sich nicht ersetzen lassen und der Dienst von Menschen an Menschen unerlässlich bleibt, kann Digitalisierung helfen, Fachkräfte in ihren Kernaufgaben zu unterstützen und den Aufwand für administrative Prozesse zu minimieren.

Revolution der smarten Logistik

Die Digitalisierung bietet die Chance Logistik und Einkauf in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu revolutionieren. Die Stichworte lauten Automatisierung und Vernetzung. Das primäre Ziel dieser Digitalisierungsschritte ist alle standardisierbaren Routine-Prozesse, die heute noch Menschen ausführen, in Zukunft automatisiert ablaufen zu lassen. Durch die Vernetzung des Internets der Dinge mit Services und Know-how, laufen alle Informationen zentral an einer Stelle zusammen und lassen sich für die intelligente Prozessoptimierung nutzen. Für Einkauf und Logistik bedeutet das beispielsweise, dass alle am Beschaffungsprozess Beteiligten, angefangen beim Lieferanten über den Einkäufer hin zum Anwender, in Echtzeit und ohne Medienbruch miteinander kommunizieren.

Logistics-as-a-Service

Zu den praxisnahen Beispielen für die digitalisierte Logistik im Gesundheitswesen zählen sog. Smart Devices und Smart Label. Diese sind mit verschiedenen Sensoren ausgestattet und können so Informationen sammeln sowie untereinander und mit einer übergeordneten Infrastruktur austauschen. Deshalb eignen sie sich ideal, um bei Bestellvorgängen, Bestandserfassungen oder Transporten zu unterstützen. Sie machen Prozesse transparenter und tragen zu deren Qualität und Sicherheit bei. Dabei können diese Mensch-Maschinen-Schnittstellen je nach Anwendungsfall unterschiedliche Ausprägungen annehmen: Seien es Transportboxen, die temperaturempfindliche Proben oder Arzneien tracken und dokumentieren oder auch Schränke, die Bestände automatisch erfassen können.

Wird bei der Entnahme eines Produktes ein Grenzwert registriert, werden diese Informationen über eine Schnittstelle an einen logistischen Dienstleister weitergeleitet. Es ist also kein Prozess mehr erforderlich, um die Bedarfslücke zu identifizieren, einen Bestellvorgang auszulösen oder einen Bestellschein zu schreiben. Gleichzeitig können Lieferungen intelligent gebündelt werden, anstatt mehrmals täglich einzutreffen. Auch die Intralogistik innerhalb der Einrichtungen kann durch automatisierte Systeme vereinfacht werden. Von der Verteilung von Verbrauchsmaterialien, wie OP-Kleidung hin zu Reinigungsvorgängen, wie der Aufbereitung von Räumen und Betten, können Prozesse durch entsprechend platzierte Smart Tags optimiert werden. Manuell oder durch Sensoren ausgelöst, veranlasst das System die notwendigen Prozesse selbstständig. Der hinter der Automatisierung stehende „Logistics-as-a-Service“-Ansatz kann Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in Zukunft zusätzlich entlasten, ohne dass weitere Aufwände entstehen. 

Bedarfsforecasting: Nichts dem Zufall überlassen

Dank der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz lassen sich heute präzise Vorhersagen auf Grundlage von Vergangenheitswerten treffen. Dieses als „Forecasting“ bezeichnete Verfahren leitet aus den Bestell- und Verbrauchsdaten Muster ab, die mit weiteren Daten wie z.B. der Bettenbelegung kombiniert werden. In Krankenhäusern können so beispielsweise anhand von OP-Plänen der Bedarf an Medizinprodukten zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt werden. Diese werden dann pünktlich geliefert, was Verzögerungen in den Abläufen reduziert. In Pflegeeinrichtungen lässt sich Ähnliches für die Lebensmittelversorgung und Personalplanung realisieren. Gerade größere Einrichtungen mit mehreren Standorten profitieren von einer übergeordneten Betrachtung der vorhandenen Ressourcen. Denn durch das digitale, datenbasierte Bedarfsforecasting können nicht nur Servicequalität und Ressourceneffizienz verbessert, sondern auch Gesamtkosten verringert werden.

Digitalisierung als Innovationskur für das Gesundheitssystem

Das im September 2020 verabschiedete Krankenhauszukunftsgesetz, dass die Digitalisierung von Prozessen und Strukturen in Krankenhäusern fördern soll, forciert nun den Kampf gegen den Digitalisierungsrückstau. Dabei zielt ein großer Teil des Gesetzes auf die Förderung des Informationsflusses, da das Gesundheitssystem heute noch maßgeblich auf einer Informationslogistik basiert, die weitgehend manuell und physisch abläuft. Befunddaten und -berichte werden häufig per physischem Datenträger übermittelt und Patienten müssen ihre Krankheitsgeschichte bei Überweisungen erneut mündlich oder in Papierform vorlegen. Diese Prozesse lassen sich bereits jetzt sicher, transparenter und für alle Beteiligten komfortabler durch digitale Lösungen abwickeln.

Weiterhin will das Gesetz den Ausbau von Systemen für die Entscheidungsunterstützung vorantreiben. Durch den Einsatz von Diagnostiksoftware erhalten Ärzte schnell und zuverlässig eine zweite Meinung bei der Diagnose. Denn, die mithilfe von maschinellem Lernen trainierten Systeme, stützen ihre Schlüsse auf die Auswertung von tausenden von Datensätzen. Digitalisierte Informationsflüsse und datenbasierte Diagnose befruchten sich dabei gegenseitig. Denn es gilt: Je leichter sich Informationen innerhalb des Gesundheitssystems teilen und auswerten lassen, desto präziser können Patienten behandelt werden.

Fazit

Die Doppelbelastung, Prozesse im laufenden Betrieb zu verbessern und im Anschluss zu digitalisieren ist ein Kraftakt, der deshalb zum Ziel haben muss, langfristig eine Entlastung herbeizuführen. Wer umsichtig und trotzdem mit Mut für Neues vorangeht und Digitalisierung nicht als Selbstzweck betrachtet, wird jedoch auf lange Sicht davon profitieren.