Klinikeinkauf Wie die Materialwirtschaft nachhaltiger wird

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Dazu muss auch die Gesundheitswirtschaft beitragen. Für Kliniken ist das in Zeiten finanzieller Belastungen eine erhebliche Herausforderung. Wie sich die Balance zwischen Ökonomie und Ökologie bei hochwertiger Versorgung umsetzen läst.Der Klinikeinkauf muss das Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie schaffen, um Nachhaltigkeit langfristig zu unterstützen.Forschung und medizinische Entwicklung haben unzählige neue Produkte für die Gesundheitswirtschaft hervorgebracht. Einmalprodukte ersetzten Mehrweglösungen und viele davon tragen zu verbesserter Hygiene und damit zum Schutz der Patientinnen und Patienten bei. Die Abfallmengen sind dadurch jedoch rapide gestiegen. Heute wissen wir: Oft haben wiederaufbereitete Produkte deutlich geringere Auswirkungen auf die Umwelt – auch unter Berücksichtigung von Reinigungsmittel- und Energieeinsatz. Mehrweg kann allerdings auch Mehraufwand bedeuten. Und ökologischere Produkte können teurer sein. Nehmen wir das in Kauf, um die Welt zu retten? Nachhaltigkeit im täglichen Denken ist die GrundlageFür viele Mitarbeitende in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen stehen die Produktvielfalt, der Überfluss und der Ressourcenverbrauch in der Einwegkultur im Gegensatz zur Überzeugung, die sie privat leben oder leben möchten. Der Wunsch, zum Schutz der Umwelt beizutragen, ist eindeutig da – das zeigt nicht nur das Ergebnis der Bundestagswahl. (Junge) Menschen kaufen verpackungsfrei im Bioladen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Älteren kennen aus ihrer Biografie noch einen ganz anderen Umgang mit Ressourcen – etwa unbeheizte Schlafzimmer, das Bügeln von Geschenkpapier und sechs Veggie-Days pro Woche, da es nur am Sonntag Fleisch gab. Die Motivation für mehr Nachhaltigkeit ist bei den einzelnen Menschen wie in den Häusern der Healthcare-Versorgung vorhanden. Es gilt sie zu fördern und zu erhalten. Kommunikation und Information können dazu beitragen, v.a. aber die Etablierung von Prozessen für den verantwortungsvollen Umgang mit Verbrauchsmaterial sowie für mehr Kreislaufwirtschaft. Möglichkeiten gibt es genug. Ein eingängiges Beispiel sind Mehrweg-OP-Textilien. Tonnen von Müll lassen sich allein in diesem Bereich vermeiden. Umfassende Life-Cycle-Assessments zeigen: Mehrweg-OP-Abdeckungen verursachen rund 80 Prozent weniger Abfall. Die Gesamtbewertung müsste allerdings unter Einfluss hygienischer, ökonomischer und ökologischer Kriterien gegebenfalls auf den Prüfstand gestellt werden. 4,4 Prozent CO2-Ausstoß gilt es zu minimierenDas Beispiel zeigt, dass sich die Evaluation im Detail lohnt. Es muss jedoch an unzähligen Stellschrauben gedreht werden, um das Ergebnis so weit wie möglich zu maximieren. Denn die Gesundheitswirtschaft ist ein erheblicher Faktor im Klimageschehen. Global betrachtet wird ihr Anteil am CO2-Ausstoß auf 4,4 Prozent geschätzt – mehr als Luftfahrt und Schifffahrt zusammen. Der Löwenanteil der Emissionen im Gesundheitssektor entfällt dabei auf die Supply- Chain: Produktion, Transport und Entsorgung von u.a. Arzneimitteln, Chemikalien, medizinischen Geräten, Instrumenten und Lebensmitteln. Wer sich auf Lieferanten konzentriert, die sich jetzt schon am Sorgfaltspflichtengesetz orientieren, das 2023 in Deutschland in Kraft tritt, ist also auf einem guten Weg. Die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln kann einen Beitrag leisten und ebenso die regionale Aufbereitung von Instrumenten und Textilien. Auch modulare Versorgungszentren, die eine zentrale Beschaffungslogistik an einem sinnvollen Standort in einer Region mit weiteren Dienstleistungen kombinieren, sorgen für wertvolle logistische Bündelungseffekte und reduzieren Belastungen durch Transporte. Einkauf: Bewusstsein vs. WirtschaftlichkeitDie aktuelle Krankenhausstudie von Roland Berger zeigt zum einen, dass die Einrichtungen aufgrund ihrer ökonomischen Lage wenig Spielraum für Zukunftsthemen haben. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) wird zum Vorantreiben der Digitalisierung zunehmend genutzt. Dennoch liegt der Fokus vieler Kliniken nachvollziehbar auf der Ergebnisverbesserung. Eine für die Studie durchgeführte Umfrage unter Klinikmanagerinnen und -manager belegt aber auch, dass sich immer mehr Kliniken dem Thema Nachhaltigkeit zuwenden. Interessant sind hier Detailergebnisse: Beim Beschaffungsprozess halten 90 Prozent der Befragten das Thema Nachhaltigkeit für sehr relevant oder relevant. Im Durchschnitt ist allerdings nur knapp jeder Dritte bereit oder in der Lage, für nachhaltige Produkte (insbesondere Medizintechnik) einen höheren Preis zu zahlen. Verantwortliche sehen die Politik gefordert, durch neue Anreize und Vorgaben dafür zu sorgen, dass Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich machbar sind. Konkrete Zielvereinbarungen sind der erste SchrittZahlreiche Kliniken arbeiten bereits an ihrem ökologischen Fußabdruck. Die Sana Kliniken AG zum Beispiel hat sich ganz konkrete Ziele gesetzt. Dazu gehört die Reduzierung von CO2-Emissionen um fünf Prozent bis 2025. Es ist geplant, den Einsatz regenerativer Energien bis 2030 von 60 auf 80 Prozent zu steigern. Zudem soll weniger Abfall erzeugt werden. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist fester Teil des Konzernleitbildes und beinhaltet Leitlinien in drei Kategorien für ein ganzheitliches Reporting: Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Auch Sana Einkauf & Logistik macht sich auf den Weg – mit ganz konkreten Maßnahmen. So wird die Position „Referent*in Nachhaltigkeit Einkauf & Logistik“ eingesetzt. Geschäftspartner der Industrie werden aufgefordert, über relevante Zertifizierungen zu informieren, die allen kooperierenden Kliniken transparent zur Verfügung gestellt werden. Materialverbräuche und Produkte werden analysiert, um eine Roadmap für weitere Maßnahmen zu entwickeln. Ein „Netzwerk Nachhaltigkeit“ wird an den Start gehen, in dem Interessierte aus Kliniken und Industrie mitarbeiten können. Unterstützung der Politik ist gefragtKlar ist aber: Es braucht die Unterstützung der Politik, um der Nachhaltigkeit in den Kliniken langfristig den Weg zu ebnen. Sie sollte Rahmenbedingungen und Anreize schaffen, die verstärkte Anstrengungen trotz aktuell überwiegend negativer Umsatzerwartungen erlauben. Nur mit fundierten Analysen und gemeinsamem Vorgehen lässt sich Nachhaltigkeit langfristig auf den Weg bringen. Das muss jetzt geschehen. Denn Nachhaltigkeit ist nicht mehr ein Thema der Zukunft, sondern der Gegenwart. Ansatzpunkte für den EinkaufWie kann der Einkauf in Healthcare-Einrichtungen zu gesteigerter Nachhaltigkeit beitragen? Konkrete Ansatzpunkte sind: Reduktion der Produktvielfalt und des Verbrauchs – wenn medizinische Qualität und Hygiene dies zulassenevidenzbasierte Fakten: Wichtige Produktenscheidungen mit Nachhaltigkeit – nicht nur ausschließlich Kostenaspekte – berücksichtigenLieferketten-Validierungen und Zertifikate von der Industrie – eine Aufgabe für Einkaufskooperationen zur Unterstützung der KlinikenNeuausrichtung der Krankenhauslogistik – etwa durch modulare Versorgungszentren und digitale Technologienstrukturierte Verankerung von Nachhaltigkeit im strategischen Einkauf der Kliniken – mit Führungsverantwortlichkeit

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