Self Tracking Report 2022 Wie Deutsche mit ihren Gesundheitsdaten umgehen

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Eine unabhängige Studie zum Umgang der Deutschen mit Gesundheitsdaten zeigt die Offenheit gegenüber der Datenverwendung für Forschung und Medizin. Die Ergebnisse im Detail.

Gesundheitsdaten, Self Tracking Report 2022
Eine Studie zeigt: Die Deutschen vertrauen der medizinischen Forschung und wollen ihre Gesundheitsdaten mit großer Mehrheit freigeben. – © vegefox.com (stock.adobe.com)

Wie wollen die Deutschen mit ihren Gesundheitsdaten umgehen? Das war die Leitfrage des Self Tracking Reports 2022 in Deutschland, an dem 5.000 Deutsche befragt wurden, ob und wie sie ihre Gesundheit messen und wie die Forschung und Medizin mit ihren Gesundheitsdaten umgehen soll. Studieninitiator Dr. Alexander Schachinger, EPatient Analytics, wurde von Prof. Dr. Sylvia Thun, Berlin Institute of Health an der Charité, und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Professor of Public Health an der Hertie School Berlin, wissenschaftlich beraten. Das Ziel der Studie: Der Gesundheitspolitik erstmals ein Bild der Wirklichkeit zum Umgang mit Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen. „Während die politische Diskussion weiter rund um den Datenschutz kreist, sind die Bürger und Bürgerinnen längst weiter“, kommentiert E-Health Forscher Schachinger die Studienergebnisse. Das Vertrauen in Unternehmen, Kassen und Ärzteschaft sei weit höher als bisher angenommen.

Deutsche wollen Gesundheitsdaten freigeben

Die Deutschen vertrauen der medizinischen Forschung und wollen ihre Gesundheitsdaten mit großer Mehrheit freigeben. Rund 80 Prozent der Deutschen würden ihre Daten der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen, 70 Prozent wollen die von ihnen gesammelten Daten in die elektronische Patientenakte (ePA) einfließen sehen oder ihrer Krankenkasse zukommen lassen. Sie erwarten sich dadurch bessere, da auf sie persönlich abgestimmte, Verhaltensempfehlungen. Auch Genom-Daten würde die Hälfte der Deutschen für die Forschung zur Verfügung stellen.

„Es wurde Zeit, der Gesundheitspolitik dieses Bild vorzuführen. Die Deutschen wollen ihre Gesundheitsdaten für eine bessere und somit auch sichere Medizin nutzbar machen“, sagt Thun. Hurrelmann ergänzt: „Die Bevölkerung ist bei der Nutzung digitaler Angebote zur Förderung der eigenen Gesundheit sehr viel weiter als die Politik. Eine konsequente Digitalisierungsstrategie würde auf große Zustimmung stoßen. Viele warten geradezu darauf.“

Insgesamt wurden 18 Anwendungsszenarien abgefragt. Es zeigt sich: Die Deutschen wünschen sich die Nutzung der Gesundheitsdaten von ihren Smartphones, Smartwatches und Trackern kollektiv für bessere Medizinforschung sowie für eine bessere Behandlung und individuelle Präventionsangebote. Weiterhin wünschen sich zwei von drei Deutschen ihre ePA digital und zentral vernetzt für eine bessere Behandlung sowie einen orts- und zeitunabhängigen Zugriff auf die vollständigen Unterlagen. Nur bei einem von dreien steht der Datenschutz diesem Szenario im Wege.

Dafür könnten die Daten laut der Befragten verwendet werden:

  • Vier von fünf Deutschen sind für eine nationale Forschungsdatenbank gefüllt mit ihren Patientendaten.
  • Sieben von zehn Deutschen (68 Prozent) sind für die sinnvolle Anwendung ihrer Gesundheitsdaten aus dem Smartphone, beispielsweise für das Einfließen in ihre ePA für eine bessere Behandlung.
  • Ebenfalls wünschen sich sieben von zehn Deutschen bei Verschlechterung ihrer Vitalwerte automatisch eine Meldung auf ihr Smartphone auf Grundlage ihrer Daten aus der ePA.
  • Drei von vier Bürgerinnen und Bürgern wünschen sich auf Basis ihrer individuellen Vitalwerte für sie zugeschnittene Präventionsangebote von ihrer Krankenkasse.

Kollektives Messinstrument: das Smartphone

Das Smartphone ist bei den Deutschen das Messinstrument für Gesundheitsdaten und Krankheitswerte. „Vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern sind Gesundheitstracker”, fasst Schachinger zusammen, mehrheitlich mit Smartphone, Smartwatch, etc. Die Menschen messen u.a. zu

  • 75 Prozent ihr Gewicht,
  • 38 Prozent ihren Blutdruck,
  • 35 Prozent Bewegung und Schritte,
  • 23 Prozent sportliche Aktivitäten oder
  • 20 Prozent ihre Schlafqualität.

Nicht der Datenschutz, sondern die sinnvolle Anwendung der Daten für eine bessere Medizin und Prävention ist der Wunsch der Befragten. Schachinger mahnt Politik und Gesundheitsberufe, die Menschen beim Umgang mit den Messergebnissen zu unterstützen. Mehr als jede zweite Person wisse nicht, wie sie mit den Daten umgehen soll. Der Forscher appelliert an Ärzteschaft und Krankenkassen, diesen Wunsch nach Beratung und Begleitung aufzugreifen.

So messen die Deutschen ihre Vitalwerte:

GewichtBlutdruckSchlaf
60 % im Kopf gemerkt31 % im Kopf gemerkt39 % Smartphone-App
14 % Papier & Stift31 % Papier & Stift28 % Smartwatch
14 % Smartphone-App6 % Smartphone-App24 % Fitness-Tracker

Fazit: Politikauftrag

Die Kritik und Missstände in der seit fast 20 Jahren versäumten Digitalisierung der Medizin nehmen zu – der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hat hierzu mehrfach darauf hingewiesen. Die Einführung der ePA und des elektronischen Rezeptes sei seit Jahren ein ergebnisloses politisches Gezerre. „Hinzu kommt das Ausscheiden von gut jedem fünften praktizierenden Arzt oder Ärztin aus Altersgründen in den nächsten drei bis vier Jahren”, sagt Ihno Fokken, Zielgruppenexperte auf dem Ärztemarkt und einer von elf Methodenberatern der Studie.

Eine wachsende Zahl an Menschen entdeckten die Online- bzw. Plattform-Medizin für sich, darunter Online-Ärzteschaft, Online-Diagnose oder datengestützte Online-Therapie, z.B. nutzen eher gebildete städtische Milieus, überwiegend unter 50 Jahre und eher gesund die Online-Sprechstunde inzwischen intensiver und verabschieden sich damit aus den klassischen Empfehlungsstrukturen des Gesundheitssystems. „Wenn die Politik diese Möglichkeiten nicht aufgreift, wird es bald zwei Gesundheitswesen geben: Ein modernes, datenbasiertes, in dem die Erkrankten sich selbst steuern und ein öffentliches, das zunehmend an Effizienz verliert“, lautet das Fazit von Schachinger.

Methodik der Studie

Über das unabhängige Marktforschungspanel von Kantar Deutschland wurden im März 2022 5.000 Menschen in Deutschland befragt. Die Struktur der Teilnehmenden ist dabei repräsentativ an die reale Sozialstruktur aller deutschen Onliner angelehnt (90 Prozent der Bevölkerung). Zusätzlich wurden 1.200 Teilnehmende über Gesundheitsportale von Verlagen und Krankenkassen rekrutiert. Die hier erwähnten Ergebnisse basieren auf dem quotierten Kantar-Panel.