Kritische Infrastrukturen Wasser ist noch wichtiger als Strom

Krankenhäuser brauchen Wasser. Wie sie bei einem Ausfall der öffentlichen Trinkwasserversorgung weiterfunktionieren und sich optimal auf dieses gar nicht so abwegige Szenario vorbereiten können, beschreibt eine hochinteressante Masterarbeit.

Wasser ist wichtiger als Strom. – © vitanovski (stock.adobe.com)

Bei einer Untersuchung zu den Wechselwirkungen kritischer Infrastrukturen wurde festgestellt, dass für den Gesundheitssektor die größtmögliche Beeinträchtigung durch einen Ausfall der öffentlichen Trinkwasserversorgung zu erwarten ist – sich zuspitzend mit der Dauer des Ereignisses. Die Folgen eines möglichen Stromausfalls für den Betrieb stellt diese Betrachtung, die anhand des Erdbebens im Jahr 2011 in Canterbury in Neuseeland erfolgte, an die zweite Stelle im Kritikalitäts-Ranking.

Deutsche Kliniken verbrauchen im internationalen Vergleich am wenigsten Wasser, nämlich durchschnittlich 408 Liter pro Bett und Tag. Um bei einem Ausfall der Trinkwasserversorgung knappes Nass aus der Ersatzversorgung möglichst sinnvoll zuteilen zu können, sollten im Vorfeld der Wasserbedarf unterschiedlicher Verbraucher ermittelt und Bereiche identifiziert und priorisiert werden, die ohne Wasser nicht weiterbetrieben werden können. Viele medizinisch-kritischen Leistungen hängen dabei unmittelbar von technisch-kritischen Infrastrukturen ab. Alle technisch-kritischen Bereiche sind darüber hinaus direkt abhängig von Wasser: die sanitären Anlagen, Umkehrosmose-Anlagen/Anlagen für vollentmineralisiertes Wasser z.B. für die Dampfproduktion, Kühlung von Servern, Küche und Wäscherei.

Eine jordanische Studie beziffert den Wasserverbrauch im Krankenhaus folgendermaßen:

  • Toiletten 20 Prozent,
  • Händewaschen fünf Prozent,
  • Wäscherei 16 Prozent,
  • Sterilisation sechs Prozent,
  • Duschen 13 Prozent,
  • Dialyse fünf Prozent
  • Lecks neun Prozent,
  • Gebäudereinigung zwei Prozent,
  • Küche sieben Prozent und
  • Labore ein Prozent.

Für die Planung des Notfallbetriebs macht die Masterthese basierend auf dieser Studie folgende Angaben: „Bei reiner Aufrechterhaltung der relevantesten Bereiche (Toiletten, Dialyse, Labore) kann der Bedarf im Notfall auf 26 Prozent des regulären Wasserbedarfs reduziert werden. Ist die Sterilisation weiter zu betreiben, sind 32 Prozent des regulären Wasserbedarfs notwendig. Ist die Speiseversorgung nicht extern sicherzustellen, muss mit einem Wasserbedarf von 39 Prozent des regulären Bedarfs zum Weiterbetrieb gerechnet werden. Wenn die Wäscherei außerdem weiterbetrieben werden muss, ist ein Wasserbedarf von 55 Prozent des regulären Bedarfs anzusetzen. Inwieweit in Leitungsnetzen deutscher Krankenhäusern Lecks auftreten, kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Der daraus resultierende Verbrauch ist jedoch auch bei einer Notversorgung einzubeziehen.“ Ein Vergleich mit amerikanischer Literatur zeigt, dass im Notfallbetrieb ein Trinkwasserbedarf von ca. 50 Prozent angesetzt werden sollte. Ob die jordanischen oder die genannten amerikanischen Verbrauchswerte auf Deutschland übertragen werden können, stellt Geiger in seiner Masterthese selbst in Frage. Klar ist aber, dass sich die Krankenhäuser hierzulande in einer ähnlichen Größenordnung auf einen Ausfall der Trinkwasserversorgung vorbereiten müssen.

Kliniken brauchen einen Plan B

Die Sicherstellung der Wasserversorgung kann über mehrere Wege erfolgen: Leitungsgebunden über Verbundleitungen durch andere Wasserversorgungsunternehmen (WVU) oder direkt vor Ort aus Brunnen und/oder Wasseraufbereitungsanlagen mit einer Einspeisung ins Kliniknetz. Sollte das nicht möglich sein, besteht die Alternative in leitungsungebundenen Versorgungskonzepten mit abgepacktem Wasser (Trinkwasserflaschen oder IBC) und/oder Wasser aus Tankfahrzeugen. Dieses Wasser kann durch andere WVU, entfernt gelegene Notbrunnen oder mobile Wasseraufbereitungsanlagen bereitgestellt und entweder ins Netz eingespeist oder im Hof ausgegeben werden. Fest installierte Tanks haben sich nicht bewährt und wurden in Deutschland aus hygienischen Gründen zurückgebaut. Eine vielversprechende Lösung ist jedoch die Einbindung von Ausgleichsbehältern der WVU, die tägliche Bedarfsschwankungen im Trinkwassernetz ausgleichen, in Verbindung mit einer priorisierten Versorgung des Hauses. Diese Behälter ermöglichen die Einhaltung der TrinkwV, sind oft mit eigenen Pumpen und z.T. mit einer Notstromversorgung ausgestattet und bieten einen zeitlichen Puffer. Eine Einspeisung in diese Ausgleichsbehälter ist meist möglich, da die Flächen für Großfahrzeuge ausgelegt sind. Sie bieten den zusätzlichen Vorteil, dass die Logistik abseits des Krankenhausgeländes stattfindet. Nur die priorisierte Versorgung des Krankenhauses muss zusätzlich sichergestellt werden.

Beim Einsatz chemischer Desinfektion sind mögliche Auswirkungen auf die Verwendung des Wassers für Dialyse und Labore zu bedenken. Für den Ereignisfall sollten erforderliche Trinkwasserqualitäten für alle Bereiche überprüft und festgelegt werden. Meist wird nur das Wasser zum Trinken und das für Risikobereiche wie Dialyse oder Apotheken in Trinkwasserqualität benötigt. Alle anderen Bereiche, speziell die sanitären und technischen Anlagen können meist mit Betriebswasser versorgt werden. Leitungsgebundene Versorgungskonzepte sind zu bevorzugen, weil damit die Einhaltung der Trinkwasserqualität eher gewährleistet werden kann.

Um den Aufwand einer Ersatz- bzw. Notversorgung zu reduzieren, ist zuerst Wasser einzusparen. Dafür sind, in Abhängigkeit des Ausmaßes des Ereignisses, alle nötigen Maßnahmen zu treffen: Reduktion von Hände- und Körperwaschungen bei Ersatz durch Desinfektion, Absage von elektiven Eingriffen und Untersuchungen bis hin zur Abschaltung ganzer Bereiche oder einer Sichtung von Patienten mit Abweisung nicht dringender Fälle. Auch muss eine Reduktion von Personal in nicht essenziellen Bereichen erwogen werden, da das Personal am Wasserverbrauch beteiligt ist. Eine Abschaltung von Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen oder Küche und Wäscherei ist denkbar, hat aber evtl. Auswirkungen auf medizinisch kritische Bereiche. Neben der reinen Reduzierung des Wasserverbrauchs sollte mindestens die teilweise Verlegung wasserintensiver Prozesse in die Nacht in Erwägung gezogen werden.

Da selbst das größte Haus ein solches Ereignis nicht allein bewältigen kann, ist es wichtig, dass alle Beteiligten im Vorhinein in die Planung eingebunden werden. Konzepte sollten gemeinsam, auch mit anderen Häusern, erarbeitet und in praktischen Übungen/Stabsübungen validiert werden.

Manuel Geiger, Maria Thalmayr