Universitätsklinikum Heidelberg Von Umsetzung und Nutzen von Klinikspaziergängen

Am Universitätsklinikum Heidelberg entwickelten Beschäftigte dreier Kliniken einen gemeinsamen Klinikspaziergang. Dieser soll die Mobilität von Patientinnen und Patienten steigern und so zu einer rascheren Rekonvaleszenz beitragen. Sich während eines Krankenhausaufenthalts ausreichend zu bewegen hat zahlreiche positive Effekte (Zegelin 2019, S. 152). Bewegung reduziert das Risiko postoperativer Komplikationen (Chadi et al 2021, S. 2), erhöht die Selbstständigkeit (DNQP 2020, S. 14) und senkt die Krankenhausverweildauer (Hoyer et al. 2016, S. 341). Dennoch gestaltet sich die Motivation zur eigenständigen Bewegung teilweise recht mühsam ( Zegelin,2019, S. 301; DNQP 2020, S. 36). Um hier Abhilfe zu schaffen, entwickelte Dr. Angelika Zegelin den Klinikspaziergang (Zegelin 2019, S.301; Chadi et al. 2021, S. 2). Um eine bestimmte Strecke zurückzulegen, benötigen Menschen in der Regel einen Anlass oder ein Ziel, das am Ende auf sie wartet (Zegelin 2019, S.301). Patientinnen und Patienten im Krankenhaus kennen das Gelände nicht; sie wissen weder, wo es interessante oder unterhaltsame Ziele für ihren Gang gäbe, noch, in welchen Bereichen sie sich aufhalten dürfen. Ein Klinikspaziergang soll ihnen Orientierung und Anregung zugleich verschaffen. Ähnlich einem Stadtrundgang werden Patientinnen und Patienten mit einem Lageplan zu interessanten „Haltestellen“ gelotst (Zegelin, 2019, S. 301; Chadi et al. 2021, S. 2). Sie erfahren Abwechslung und werden nebenbei dazu angeregt, sich selbstständig zu bewegen und damit zur Rekonvaleszenz beizutragen. Die Einrichtung eines Klinikspaziergangs sollte interprofessionell geplant werden (Chadi et al. 2021, S. 5). Eine Zusammenarbeit von Pflege und Physiotherapie erschien bei einem Projekt zur Bewegungsförderung selbstverständlich. Die Möglichkeit eines klinikübergreifenden Projektes ergab sich durch eine bauliche Besonderheit des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD): den sogenannten Heidelberger Klinikring. Das UKHD ist ein Haus der Maximalversorgung mit sieben Zentren, 2.585 Betten und mehr als 75.000 stationären Behandlungen pro Jahr. Die Gebäude sind auf einem Radius von circa zwei Kilometern ringförmig angeordnet. Mit dem Umzug der Chirurgischen Klinik 2020 in ein neues, modernes Gebäude wurde der Heidelberger Klinikring geschlossen. Seitdem sind die Medizinische und die Chirurgische Klinik über einen gemeinsamen Eingangsbereich miteinander verbunden; von der Medizinischen Klinik aus bestand eine Anbindung an das Gebäude der Kopfklinik. Der Klinikspaziergang sollte diese bauliche Verbindung nutzen und sich über Areale aller drei Klinikgebäude erstrecken. Es galt daher, Mitarbeitende aus allen drei Kliniken zur gemeinsamen Zusammenarbeit anzuregen. Das Projekt startete im Frühjahr 2021, einige Monate nach dem Umzug der Chirurgischen Klinik. Nachdem die zuständigen Pflegedienstleitungen ihre Zustimmung erteilt hatten, wurden die Beschäftigten mittels eines Aushangs auf den Stationen sowie bei Leitungsbesprechungen über die Idee informiert. In allen drei Kliniken konnten Interessierte aus Pflege und Physiotherapie gefunden werden, die die Kerngruppe des Projektes bildeten. In mehreren Besprechungen wurden die Voraussetzungen für geeignete „Haltestellen“ des Spaziergangs herausgearbeitet. Da sich Patientinnen und Patienten möglichst eigenständig bewegen sollten, mussten die Bereiche über ausreichend Platz und Helligkeit verfügen. Sie sollten barrierefrei erreichbar sein und Sitzmöglichkeiten für Pausen bieten, um niemanden zu überfordern. Gleichzeitig sollten die Gebiete ausgespart werden, in denen Spazierende die Klinikabläufe stören könnten. Wenn möglich sollten bereits vorhandene Elemente in den Spaziergang eingebunden werden. Die Kerngruppenmitglieder wurden dazu aufgefordert, mit offenen Augen durch die Kliniken zu gehen und nach geeigneten Anlaufpunkten Ausschau zu halten. Zur bestmöglichen Transparenz wurden die Ergebnisse der Treffen protokolliert und im Intranet präsentiert. Im Juni 2021 spazierte die Kerngruppe gemeinsam durch das Klinikum und präsentierte einander die bereits vorhandenen „Sehenswürdigkeiten“, beispielsweise Kapellen und muslimische Gebetsräume, verschiedene Kunstinstillationen oder einen begehbaren Innenhof. Alle entdeckten an diesem Tag ihnen bisher Unbekanntes, da sich die tägliche Arbeit meist auf die eigene Klinik beschränkt. Insgesamt wurden 15 mögliche Haltestellen gefunden. Wo ein Anlaufpunkt in den Klinikspaziergang aufgenommen wurde, wurden die dort Beschäftigten in das Projekt einbezogen – so z.B. die Klinikseelsorge zur Vorstellung der Kapellen und Gebetsräume. Bei einem Teil der vorgeschlagenen Haltestellen, zu denen auch ein Innenhof gehörte, wurde die Zugänglichkeit vorab abgeklärt. Zur Errichtung eines offenen Bücherschrankes in der Cafeteria wurden die dort Beschäftigten informiert und auch die Zustimmung der Hygieneabteilung und des Veterinäramtes eingeholt. Zu jedem Anlaufpunkt gibt es einen kurzen Erläuterungstext. Ein erster Flyerentwurf wurde im Frühjahr 2022 auf drei Teststationen (eine aus jeder der beteiligten Kliniken) an Patientinnen und Patienten ausgeteilt. Auf einem beiliegenden Rückmeldebogen wurde um Feedback und Verbesserungsvorschläge gebeten. Die wenigen Rückmeldungen während der Coronapandemie waren durchweg sehr positiv. Der Klinikspaziergang kam da wohl wie gerufen. Es sei „einfach schön, mal mit offenen Augen durch die Klinik zu gehen“, lautete eine der Antworten. Ein Patient begeisterte sich für auf dem Spaziergang von ihm entdeckte Vitrinen: „Da sind alte [medizinische] Geräte und Instrumente ausgestellt – super interessant!“ Auch die Kunstausstellungen und der in den Spaziergang integrierte Botanische Garten der Universität Heidelberg, der sich unmittelbar neben dem Haupteingang der Chirurgischen und Medizinischen Klinik befindet, wurden lobend erwähnt. Anhand des Feedbacks wurde der Flyer geringfügig überarbeitet und konnte im Februar 2023 den Allgemeinstationen der drei Kliniken zur Verfügung gestellt werden. Seitdem können sich Patientinnen und Patienten auf Entdeckungsreise durch das Krankenhaus machen. Voraussetzungen zur Teilnahme sind eine ausreichende eigenständige Mobilität und Orientierungsfähigkeit. Da das Klinikgelände nicht verlassen wird, ist keine Beurlaubung gegen ärztlichen Rat notwendig. Es wird jedoch darum gebeten, vor dem Verlassen der Station das Pflegepersonal zu informieren. Das Projekt ist vielfältig erweiterbar. Der Spaziergang könnte auf andere Bereiche des UKHD ausgeweitet oder durch technische Innovationen wie einen Audio-Rundgang „aufgepeppt“ werden. Doch auch in der Papierversion wird die Idee bereits gut angenommen: Innerhalb von sechs Monaten wurden fast 2.000 Flyer des Rundgangs verteilt. Literatur bei der Autorin Kontakt zur Autorin Claudia Ohlrogge, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegeexpertin APN, M.A. Pflege- und Gesundheitswissenschaften, Universitätsklinikum Heidelberg, claudia.ohlrogge@med.uni-heidelberg.de

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