HCM Academy Vielfalt als Chance in der Pflege

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Diversity

Pflegeteams in Deutschland werden hinsichtlich ihrer fachlichen Sozialisation, Qualifikationsprofilen und Geschlechts immer diverser. Hier spielen u.a. Migration und Akademisierung eine zentrale Rolle. Wie können Führungskräfte gekonnt auf die zunehmende Diversität im Pflegepersonal reagieren?

„Vielfalt als Chance in der Pflege – Pflegeteams zwischen Migration und Akademisierung“ lautete der Arbeitstitel des HCM-Webinars am 2. Juni 2022. – © Jakub Krechowicz (stock.adobe.com)

Im Webinar „Vielfalt als Chance in der Pflege – Pflegeteams zwischen Migration und Akademisierung“ der HCM Academy am 2. Juni 2022 gab Dr. Lisa Peppler, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, wertvolle Tipps.

Die Projekte CareTrans und ToP der Charité, die von Peppler unter Leitung von Liane Schenk durchgeführt werden, befassen sich mit Diversity in der Pflege und sollen nützliche Erkenntnisse für das aktive Vorleben und Leben von Vielfalt im Pflegemanagement liefern. Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, wie Führungskräfte in der Pflege proaktiv mit der qualifikatorischen und (pflege-) kulturellen Diversität ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umgehen können, um die Arbeitszufriedenheit in ihren Teams zu erhöhen und einen möglichst reibungslosen Versorgungsalltag sicherzustellen.

Migration und Akademisierung in der Pflege – Erkenntnisse aus den Projekten

Peppler weiß um den derzeitigen Status quo von Migration und Akademisierung aus ihrer Projektarbeit und erklärt, dass sich der Fachkräftemangel in der Pflege durch die Corona-Pandemie nochmal verschärft hat. Seit einigen Jahren wird dem Fachkräftemangel u.a. über Zuwanderung von Pflegekräften aus dem Ausland begegnet. Hier wurden Anwerbeprogramme ins Leben gerufen, um Pflegekräfte für Deutschland zu gewinnen, z.B.

  • das Triple-Win-Projekt der Bundesagentur für Arbeit sowie
  • verschiedenste Anwerbeprojekte einzelner Bundesländer, Krankenhausgesellschaften und Einrichtungen.

Jenseits dieser Programme stellte Peppler fest, gebe es keine konkreten Zahlen dazu, wie viele Pflegekräfte aus Eigenmotivation nach Deutschland kommen. Die Herkunftsregionen sind

  • Ost-, Süd- und Westeuropa,
  • Russland,
  • Südostasien,
  • Süd- und Mittelamerika.

Diese haben sich in den letzten Jahren sehr stark ausgeweitet. Diese Vielfalt der Regionen zeige sich aber auch in der Berufsausbildung. In Deutschland ist die (Teil-)Akademisierung seit 2017 mit dem Pflegeberufereformgesetz in Kraft getreten. Es gibt immer mehr Pflegestudiengänge, die Akademisierung der Pflege steckt in Deutschland aber noch in den Kinderschuhen. Erst ein bis zwei Prozent eines Pflegejahrgangs studieren Pflege. Ein weiterer Aspekt, der diese Vielfältigkeit darstellt: In anderen Ländern wird Pflege oftmals studiert, z.B. Bachelor, d.h. die Pflegekräfte aus dem Ausland sind häufig akademisiert. Im Anerkennungsverfahren müssen diese Qualifikationen an das deutsche System angeglichen werden. Innerhalb von fünf Jahren ist der Anteil der Pflegekräfte mit ausländischer Qualifikation in Deutschland um 73,2 Prozent angestiegen.

Durch die Zuwanderung von Pflegekräften aus verschiedenen Herkunftsländern eröffnet sich eine zunehmende Vielfalt im Versorgungsalltag der Pflege. Wie kann man die Chancen nutzen, die sich aus dieser Vielfalt ergeben?

Die Projekte CareTrans und ToP erheben ihre Daten anhand von u.a. Online-Befragungen, teilnehmenden Beobachtungen, Gruppendiskussionen, Interviews und Workshops des Medizin- und Pflegepersonals in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die daraus gewonnenen Daten und Erkenntnisse sollen dazu beitragen, diese Vielfalt für die Pflegeteams zu nutzen im gegenseitigen Lernen und Lehren.

Die Projekte

1) „Care in Transition – Pflegeteams im Spannungsfeld von Migration und Akademisierung am Beispiel von Krankenhaus und Pflegeheim (CareTrans)“, Dauer: September 2021 bis August 2024, gefördert vom Gemeinsamen Bundesausschuss – Innovationsausschuss (G-BA).

2) Projekt „Teilhabe durch soziokulturelle Öffnung? (Post-) migrantische Fachkräfte und Patienten und Patientinnen im institutionellen Wandel am Beispiel von Medizin und Pflege (ToP)“, Dauer: Februar 2018 bis Mai 2021, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Stationäre Patientenversorgung

Hinsichtlich der stationären Versorgung der Patientinnen und Patienten hebt Peppler drei wesentliche Punkte hervor, wo sich hier Chancen aus der Vielfalt der Pflegekräfte ergeben:

  1. Sprachkenntnisse
    – Kenntnisse in den Sprachen der dominanten Patientengruppen führt zu Entlastungen der Kolleginnen und Kollegen.
    – Die Sprachkenntnisse der Pflegekräfte werden wertgeschätzt. Die Mehrarbeit die dadurch entsteht, wird aber kaum gesehen. Die eigentliche Arbeit bleibt dadurch liegen oder muss von anderen gemacht werden.
  2. Ethnische Sortierungsprozesse
    – Die Pflege von Patientinnen und Patienten durch Personal mit gleichem kulturellem Hintergrund wird als zielführender und kultursensibler angesehen als interkulturelle Versorgung.
    – Aber: Die betreffenden Pflegekräfte haben häufig ein Gefühl der professionellen Abqualifizierung (durch Ethnisierung)..
  3. Interkulturelles Lernen im Team
    – Die Pflegekräfte mit entsprechendem Erfahrungs-(Wissen) können diese Kulturspezifika an ihre Kolleginnen und Kollegen vermitteln, z.B. Verständnis von Krankheit oder Ausdruck von Schmerz.

Zusammenarbeit im Pflegeteam

Für leitende Pflegekräften liegt die Herausforderung im Teambildung und der Sensibilität gegenüber den qualifikatorischen Unterschieden im Team. Doch wie gehen die Führungskräfte mit multikulturellen Teams um? Peppler erklärt, dass es hier wichtig sei, gezielte Schulungen hinsichtlich der unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmung von Krankheit sowie Ausbildung und Selbstverständnis als Pflegekraft anzubieten. Das gegenseitige Lernen voneinander stärkt den Zusammenhalt im Team und fördert die Empathie im alltäglichen Miteinander.

Vielfalt als Chance in der Pflege

Insgesamt stellen Peppler und ihre Kolleginnen und Kollegen in den Erhebungen der Projekte CareTrans und ToP einen Wandel hinsichtlich Vielfalt in der Pflege in Deutschland fest.

„Der Blick auf die Chancen von Vielfalt in der Pflege ist in Deutschland noch relativ neu.“

Dr. Lisa Peppler

Die Führungsebene sollte die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen für die Pflege nutzen, diese aber wertschätzen und daraus resultierende Mehrarbeit ausgleichen. Außerdem sollten informelle Begegnungen der Teams ermöglicht werden, damit diese sich kennenlernen.

Weitergehende Informationen zu den Erhebungen von CareTrans und ToP erhalten Interessierte mit einem Klick hierauf.