Pflanzenbasierte Ernährung Versteckte Wende in der Klinikverpflegung

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Menschen haben unterschiedlichste Ernährungsbedürfnisse. Die richtige Auswahl bereitzustellen, kann für das Speisenmanagement zur Herausforderung werden, v.a. wenn dabei auch Nachhaltigkeitsaspekte beachtet werden sollen. Ein Blick in andere Häuser kann Anregungen geben.

Gemüse und pflanzenbasierte Ernährung ist in aller Munde – in den gastronomischen Trends der letzten Jahre rangiert sie weit oben. Aber welche Rolle kann und soll die sogenannte Plant Based Diet dort spielen, wo es um die Versorgung von Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden geht?

Jeder Mensch kann zu jeder Zeit mit unterschiedlichsten Bedürfnissen in eine Care-Einrichtung kommen – und die meisten von ihnen haben Hunger. Es ist schwer hier die eigenen Vorlieben, bekannte Geschmäcker und Lieblingsgerichte auszuwählen – besonders dann, wenn es frei von Fleisch, Milchprodukten und Ei sein und damit auch der Nachhaltigkeitsstrategie des Hauses dienen soll. Folgende vier Modelle aus der Versorgungspraxis zeigen, wie es funktionieren kann.

Immanuel Dienstleistungen: Pflanzliches zu jeder Mahlzeit

Lutz Fohgrub, Betriebsleiter Speisenversorgung in der Abteilung Hauswirtschaft der Immanuel Dienstleistungen, setzt auf eine Vorab-Auswahl: Aus der Küche und dem Speiseverteilungszentrum in Rüdersdorf werden täglich vier Krankenhäuser, ein Seniorenheim und ein Hospiz beliefert, die Gerichte werden im Cook-&-Chill-Verfahren in vier Produktionstagen zubereitet. Auch pflanzliche Suppen, Hauptgerichte, Brätlinge, passierte Kost usw. werden zubereitet. „Frühstücksbreie, hausgemachte Aufstriche und Eintöpfe werden oft als einfache und günstige Alternativen auch für das Frühstück oder Abendbrot eingesetzt“, erklärt Fohgrub, allerdings seien es auch diese Mahlzeiten, die wenig Abwechslung bieten. Das birgt Potenzial: Zum Beispiel indem man den Wurst- und Käseanteil reduziert.

Patientinnen und Patienten mit durchschnittlicher Verweildauer von vier Tagen wählen in den Häusern, die von Immanuel Dienstleistungen beliefert werden, aus einer Speisekarte, die so aufgebaut ist, dass die für die jeweilien Personen optimale Gerichtempfehlung an erster Stelle steht und gesondert gekennzeichnet ist. Anhand einer Ampel-Skala ist sofort zu erkennen, welche Gerichte empfehlenswert sind. Durch Icons werden auch weitere Eigenschaften wie laktosefrei, glutenfrei, vegetarisch, vegan usw. erkennntlich.

„Insgesamt entscheiden sich 13 Prozent der Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende für ein vegetarisches Gericht“, berichtet Fohgrub. Es werden pflanzliche Aktionen wie ayurvedische Menüs angeboten, die in Zusammenarbeit mit Medizin- und naturheilkundlicher Abteilungen der Charité entstanden sind. Wenn es darum geht, die pflanzenbasierte Speisenversorgung auszubauen, spielen die Servicemitarbeitenden nach den Erfahrungen der Immanuel Dienstleistungen eine entscheidende Rolle. Als Schnittstelle können sie durch gezielte Empfehlungen auf die gesundheitlich günstigere Angebote hinweisen. Dafür sollten sie geschult und angeleitet werden.

St. Marien Klinikum setzt auf sieben Menülinien

Im St. Marien Klinikum in Amberg wird im Cook-&-Serve-System gearbeitet. Der Speiseplan beinhaltet sieben Menülinien. Eine davon ist vegan, sojafrei und glutenfrei. Dies hat Peter Fischer, Küchenleiter des Hauses, angeregt, nachdem er die vegane Ernährung selbst ausprobiert hat. In der Küche wird wenig auf Convenience gesetzt. Für den hohen Qualitätsanspruch des Hauses gebe es noch zu wenige passende Angebote. Stattdessen wird mit Nüssen, Saaten und Hülsenfrüchten gearbeitet. Im Tagesschnitt wählen zehn Prozent der Gäste vegetarische Gerichte und fünf Prozent vegane Gerichte. Bei den Mitarbeitenden wählen 17 Prozent die vegetarische und zehn Porzent die vegane Option. Fischers Fazit: Besonders für die Mitarbeitenden seien attraktive pflanzliche Speisen wichtig. Seine Empfehlung: Unternehmen sollten die pflanzlichen Angebote als Beitrag zu dem betrieblichen Gesundheitsmanagement werten.

Pflanzliche Vollwertkost in den Kliniken Heiligenfeld

Beispiel für ein nachhaltiges, pflanzenbasiertes Gericht: Orientalischer Bratreis mit Tahindip. Ein Rezept dafür gibt es über den QR-Code s. Infobox. – © Transgourmet

In der Klinik Heiligenfeld in Bad Kissingen ist die Ernährung ein Teil der Behandlung. Patientinnen und Patienten mit einem Aufenthalt von drei bis fünf Wochen werden mit pflanzlicher Vollwertkost versorgt. Nur ein Mal pro Woche können sie Fisch oder Fleisch auf Wunsch dazubestellen. Die Hauptgerichte werden im Cook-&-Chill-Verfahren produziert, es gibt stets auch Salatbüfett mit Rohkost. Die größte Schwierigkeit ist die Einarbeitung neuer Mitarbeitenden, sagt Alexander Fischer, Küchenleiter. Die Vollwertküche, die Verarbeitung der Produkte aus der Kornmühle und die Zubereitung der unverarbeiteten Bio-Produkte müssen sie erst beherrschen. Passt alles, betrage die Patientenzufriedenheit mit der Verpflegung 90 Prozent. Denn: Wer nach Heiligenfeld komme, suche explizit nach einer Klinik mit diesem Angebot und versteht die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Heilungsprozess. Ein Wunsch von Fischer wäre, eine bessere Verfügbarkeit der Bio- und regionalen Lebensmittel und eine langfristige attraktive Kostengestaltung.

Ganzheitlicher Ansatz an den Waldkliniken Eisenberg

Ein Krankenhaus in Deutschland setzt neue Maßstäbe: In der Kreisstadt Eisenberg sind die Waldkliniken mit einem anderen Verständnis für Service und Komfort im Care-Bereich gestartet. Dort werden die Patientinnen und Patienten als Gäste empfangen, das Krankenhaus hat Hotelcharakter. Dazu trägt nicht nur das Design des Gebäudes bei, sondern auch die Auswahl der verwendeten Materialien, Farbgebung, Raumklima und die Verpflegung. ­Alexander Mayrhofer ist als Hotelmanager bzw. Gastgeber für die gastronomischen Leistungen der Klinik zuständig. In der Küche der Klinik kochen sieben ausgebildete Köche aus frischen Zutaten, setzten eigene Saucen und Fonds auf, verarbeiten Lebensmittel im Cook-&-Serve-System. Der Anteil der Convenience liegt bei 20 Prozent – noch zu hoch, findet Mayrhofer. Daran wird derzeit gearbeitet. Ziel ist ein Netz aus regionalen Produzenten, Lieferanten und Erzeugern, die die Grundpro­dukte für die Küche aufbauen. Optimal wäre eine eigene Bäckerei, ein eigenes Schlachthaus mit Verarbeitung soiwe eigene Gemüsevorbereitungsküche. Denn: „Regionale Kreisläufe reduzieren unnötige Lieferwege“, erklärt Mayrhofer. Außerdem brauche es dann weniger Verpackungen und Lagerzeiten, es entstehe weniger Müll, langfristige, regionale Kooperationen werden gepflegt und auch Arbeitsplätze gesichert. Doch das ist noch ein Zukunftsszenario, ebenso die pflanzliche Speisenversorgung: „Wir haben wenig Anfragen diesbezüglich“, berichtet Mayrhofer. „In unserer Region ist die pflanzliche Küche nicht explizit gefragt und wir möchten unsere Gäste nicht bevormunden. Wir möchten jedem Gast die höchstmögliche Qualität auf dem Teller anbieten.“ Dafür hat das Krankenhaus die TV-Köchin Sarah Wiener an Bord geholt. Sie teilt die Leidenschaft für Regionalität und Qualität. Die gemeinsame Strategie lautet: Statt sich auf zehn Prozent der Gäste mit vegetarischen/veganen Vorlieben zu konzentrieren, setzt man auf die Gesamtwirkung von Nachhaltigkeit mit einem Verpflegungskonzept, das auf soziale und ökologische Wirkung achtet. Allerdings: Wenn die Anfragen für pflanzliche Küche steigen, wolle man dieser mit qualifiziertem Personal in gewohnter Qualität begegnen. Eine weitere Besonderheit gibt es in Eisenberg: Koschere Zubereitung von Speisen mit einer abgetrennten Küche und überwachter Zubereitung wird die Einhaltung der Vorschriften garantiert.

Soll pflanzliche und damit auch eine nachhaltigere Verpflegung in Healthcare-Einrichtungen stärker Einzug­ halten, ist persönliches Engagement und Veränderungsbereitschaft gefragt.

Kontakt zur Autorin:

Marketa Schellenberg, marketa.schellenberg@transgourmet.de

Rezept online
Das Rezept für den orientalischen Bratreis mit roten Linsen,
Granatapfelkernen und Mandelblättchen sowie Sesamdip
gibt es direkt aufs Smartphone mit diesem QR-Code.