Digitalisierung und Telemedizin
Noch ist die Telemedizin nicht in der breiten Versorgungspraxis angekommen. Doch das wird sich ändern (bald). Prof. Dr. David Matusiewicz bezieht in seinem aktuellen Kommentar Stellung.

Fritz Kahn (1888–1968) erreichet mit seinen Bildern, auf denen er den Menschen mit der Maschine assoziierte, ein Millionenpublikum. In der Illustration „Der Arzt der Zukunft“ aus dem Jahr 1924 sagt Kahn die Telemedizin als Zukunftsvision voraus: Ein Arzt befindet sich vor vielen Knöpfen, auf denen die Namen von Patienten stehen, und sieht vor sich Blutdruck und Herztöne, ein Röntgenbild, Temperatur, Atemkurve und eine Elektrokardiogramm.
Fast 100 Jahre später ist die Telemedizin nach wie vor nicht in der breiten Versorgungsrealität angekommen. Post Corona gibt es immer mehr Angebote – sowohl im Out-of-Pocket-Markt als auch im stationären Setting. Ärzteschaft und Psychotherapie haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, zumindest teilweise auch per Videosprechstunde zu behandeln. Dazu müssen diese zur Abwicklung einen Videodienstanbieter auswählen, der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zertifiziert ist. Während der Corona-Pandemie konnten Videosprechstunden unbegrenzt angeboten und abgerechnet werden, da die KBV und Krankenkassen entsprechende Beschränkungen aufgehoben hatten. Seit April 2022 sind Fallzahl und Leistungsmenge wieder auf 30 Prozent begrenzt. Jetzt kann man sich zurecht die Frage stellen: Warum diese Beschränkung und warum 30 Prozent? Für mich gibt es nur eine sinnvolle Erklärung: Lobbyismus und die Liebe zur Rückständigkeit. Menschen warten weiter wochenlang auf Termine und irren zwischen Haus- und Facharztpraxen mit Versorgungsbrüchen und Schnittstellenproblemen umher und vergeuden ihre Zeit im Wartezimmer. Eine weitere Folge: Das schwedisches Start-up Kry hat die Tage angekündigt, die Dienste in Deutschland einzustellen. Eines der wertvollsten europäischen Digital-Health-Start-ups zieht sich damit aus Deutschland zurück und will in anderen Ländern Geld verdienen.
Aus diesem Grund habe ich bereits vor ein paar Jahren mit einer 50-Prozent-Beteiligung ein Start-up gegründet, bei dem der erste Schritt Online-Terminzuweisungen sind, weil ich daran glaube, dass der Arzt in Zukunft online ausgesucht wird und der Arzt neben den normalen Behandlungszimmer ein digital ausgestattetes hat – wo nur ein Greenscreen und eine Videokamera verbaut sind.
Ihr
Prof. Dr. David Matusiewicz
Dekan und Institutsdirektor, FOM Hochschule
Digitalisierung im Gesundheitswesen | Digitale Gesundheit
Kontakt: david.matusiewicz@gmail.com