Prozess- und Strukturoptimierung Tagesbehandlungen als Vorstufe der Hybrid-DRGs: Analyse, Modellierung & To-dos für Kliniken

Kürzlich verkündete der Gesundheitsminister, dass Kliniken ab Januar 2023 vollstationäre Behandlungen als Tagesbehandlungen erbringen dürfen. Dieser Überblick über die wichtigsten Fakten der Tagesbehandlung zeigt u.a., welche Fachabteilungen am stärksten betroffen sind und wie sich Kliniken darauf vorbereiten können.

Mit dem Ziel die Krankenhäuser und deren Mitarbeitenden kurzfristig zu entlasten, schlägt die Regierungskommission vor den Kliniken ab dem 1. Januar 2023 die Durchführung von bislang rund um die Uhr durchgeführte Behandlungen auch als Tagesbehandlungen zu gestatten. Vertreter der Kostenträger und Leistungserbringer diskutieren bereits die Sinnhaftigkeit der Pläne.

Keyfacts rund um die Tagesbehandlung

Definition Tagesbehandlung:

  • Die Behandlung wird mit allen Mitteln (Personal und Infrastruktur) des Krankenhauses durchgeführt.
  • Die Patienten und Patientinnen verbringen die Nacht nicht im Krankenhaus.  
  • Eine Tagesbehandlung kann über mehrere Tage mit einer maximalen Unterbrechung von zwei Tagen am Stück erfolgen.

Abrechnung:

  • Die Tagesbehandlung wird wie bisher als DRG abgerechnet.
  • Das Relativgewicht der DRG wird pauschal um 0,04 pro entfallender Nacht gemindert (vier Tage Behandlung = Minderung von drei Nächten = Abschlag von 0,12 Relativgewichten).
  • Grenzverweildauern finden gleiche Anwendung wie bei der Behandlung mit Übernachtung.
  • Vergütet (angerechnet) werden nur Tage, an denen der Patient oder die Patientin mindestens sechs Stunden im Krankenhaus war.

Notfälle:

  • Tagesbehandlungen von notfallmäßig (d.h. ohne Einweisung) aufgenommenen Patientinnen und Patienten sind nicht möglich.
  • Eintägige Tagesbehandlungen sind somit nur für Personen mit Einweisung vorgesehen.
  • Es wird empfohlen ein Betreuungszuschlag für mehrstündig behandelte Patienten und Patientinnen in der Notaufnahme in einer Staffelung nach drei, vier und mehr als sechs Stunden in einer Größenordnung von 400 Euro zu gewähren.

Weitere Restriktionen:

  • Zwischen Krankenhäusern und Kostenträgern ist weiterhin ein Budget zu vereinbaren.
  • Die Möglichkeit der Tagesbehandlung darf nicht zu einer Leistungsausweitung genutzt werden.
  • Als Tagesbehandlung dürfen nur Leistungen erbracht werden, die bislang stationär durchgeführt wurden.

Quelle: BinDoc GmbH, Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung

Tagesbehandlung
Ab Januar 2023 könnten bereits schon viele stationäre Krankenhausbehandlungen in Form von Tagesbehandlungen stattfinden. – © LIGHTFIELD STUDIOS (stock.adobe.com)

Tagesbehandlung: Fluch oder Segen für die Kliniken?

Betrachtet man die in vielen Kliniken sehr angespannten medizinischen und pflegerischen Personalressourcen dürften die Reaktionen tendenziell positiv ausfallen. Für den Großteil der Patienten sollte die Änderung ebenfalls positive Wirkung haben, übernachtet der Großteil der „fitten“ Patienten und Patientinnen lieber zu Hause als in der Klinik.

Folgende Modellierung anhand einer mittelgroßen Klinik mit knapp 500 Betten, zeigt die potenzielle Anzahl an Patienten und Patientinnen, die für eine Tagesbehandlung in Frage kommen.

Selektionskriterien für Fälle, die sich für Tagesbehandlungen eignen (Modellierung):

Schweregrad (PCCL-Wert) der Patienten 0 und 1: Gefiltert werden nur Fälle, die keine oder wenig Komplikationen oder Komorbiditäten aufweisen.

Darüber hinaus eigenen sich zur Filterung einige Kriterien, die durch das IGES-Institut im Rahmen der Überarbeitung der ambulant durchführbaren Leistungen definiert wurden, um potenziell geeignete Fälle für Tagespauschalen zu identifizieren.

Folgende IGES-Kriterien wurden zur weiteren Patientenselektion herangezogen: Gefiltert werden Patienten und Patientinnen,

  • bei denen eine potenziell ambulant durchführbare Prozedur (OPS) erbracht wurde (OPS-Einschlusskriterien),
  • bei denen eine „rein“ stationäre ICD, DRG oder OPS nicht erbracht wurden (Kontextprüfung I K1, K2, K6),
  • die keinen bestimmten Betreuungsbedarf haben (Kontextprüfung II K5),
  • die keinen dokumentierten Pflegegrad haben (Kontextprüfung II K8).

Ferner wurde folgendes Alter als Selektionskriterium verwendet

Ein Jahr < Patientenalter < 80 Jahre: Wir selektieren Patienten, die älter sind als ein Jahr und jünger sind als 80 Jahre.

Einweisungen: Wir selektieren nur Patienten, die nicht als Notfall in die Klinik aufgenommen wurden.

Durch diesen ersten „Tagesbehandlungsalgorithmus“ kommen in einer mittelgroßen Klinik ca. zehn Prozent der vollstationären Fälle potenziell für eine Tagesbehandlung in Frage. Diese knapp 1.900 Fälle haben eine Median Verweildauer von 1,84 Tagen und ein durchschnittliches Relativgewicht von 0,56. Zieht man für durchschnittlich eine Übernachtung (2 Tagesbehandlungen) 0,04 Relativgewichte ab, verbleibt der Klinik für diese Fälle ein durchschnittliches Relativgewicht von 0,52. Dies entspricht beim aktuellen Bundesbasisfallwert einer Vergütung von 1.574 Euro. Würden alle 1.889 Fälle als Tagesbehandlungen abgerechnet werden, würde sich für die Kliniken ein Erlösrückgang von 283.197 Euro bei einem gleichzeitigen Rückgang der Übernachtungen von 1.889 bzw. Rückgang der Belegungstage von 3.476 Tagen ergeben. Hierdurch werden auf das Gesamtjahr gerechnet ca. zehn Betten frei, die entweder nicht mehr betrieben werden müssen oder bei einer hohen Nachfrage für stationäre Patienten genutzt werden können.

Ambulante Operationen als zusätzliches Potenzial?

Per Definition der Regierungskommission dürfen nur Leistungen erbracht werden, die bislang stationär behandelt wurden. Nichtsdestoweniger werden ambulante Operationen ohne stationären Aufenthalt und Operationen mit stationärem Aufenthalt häufig bei denselben oder sehr ähnlichen Indikationen erbracht. Würden zumindest ein Teil dieser Patientengruppe zukünftig im Rahmen der Tagesbehandlung erbracht werden, würde sich daraus eine Mengenausweitung ergeben, die nicht zulässig wäre. Das Konzept würde durch eine Integration der ambulanten Operationen allerdings schlüssiger und für Kliniken in der Schaffung ambulanter Strukturen auch deutlich attraktiver.

Prozess- und Strukturoptimierung entscheidet über Wirtschaftlichkeit und Personalentlastung

Die zentralen Ziele der Regierungskommission sind es die Krankenhäuser sowie deren Mitarbeiter zu entlasten, ohne die Behandlungsqualität zu verringern und ohne zusätzliche Ausgaben zu verursachen. Nach dem aktuellen Entwurf kann dies für ein Krankenhaus durchaus gelingen und auch die Wirtschaftlichkeit steigern, wenn die Prozesse konsequent für die ambulante Behandlung bzw. Tagesbehandlung optimiert werden.

In der oben skizzierten Modellierung eines mittelgroßen Krankenhauses könnten ca. 1.900 Fälle in die neue Behandlungsform fallen. Je nachdem wie stark ein Klinikum diese Art der Behandlung forcieren möchte, könnten mehr oder weniger Patienten im Rahmen der Tagesbehandlung versorgt werden. Entscheidend für Personalentlastung und Wirtschaftlichkeit sind optimale Prozesse sowie die Realisierung von Skaleneffekten. Im oben genannten Beispiel würden sich die potenziellen Fälle auf die in folgender Abbildung skizzierten Fachabteilungen konzentrieren.

Potenzielle Fallzahl Tagesbehandlung
Potenzielle Fallzahl Tagesbehandlung (mit und ohne OP-Indikation). – © BinDoc Cube

In diesem Fall befinden sich die meisten Patienten, die für das Konzept der Tagesbehandlung in Frage kommen, in der Urologie. Dahinter mit deutlichem Abstand die Frauenheilkunde, Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie.

Entschließt sich eine Klinik, das Konzept der Tagesbehandlung einzuführen, empfiehlt es sich dieses Konzept Step by Step umzusetzen, um hochspezialisierte Tagesbehandlungsbereiche zu etablieren. Nur durch einen in höchstem Maße standardisierten Prozess für genau definierte Indikationen können Skaleneffekte erzielt und die gezielte Entlastung des Personals herbeigeführt werden. Dies bedeutet auch, dass anstelle des klassischen Stationsbetriebs „Tagesbehandlungsplätze“ etabliert werden müssen. Das Fallzahlpotenzial sollte auch mindestens so groß sein, dass bestehende Station(en) geschlossen bzw. neu strukturiert werden können.

Im dargestellten Beispiel wurde deshalb nach der Ermittlung der potenziellen Fälle je Fachabteilung ein weiteres Filterkriterium mit OP-Indikation ergänzt. So könnten beispielsweise nur diejenigen Fälle, die eine Operation erhalten, zusammengefasst werden. Ebenfalls könnte man aber auch umgekehrt die konservativ behandelten Fälle zusammenfassen. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Zusammenfassung von Fällen, die eine ähnliche Diagnostik erfahren. Zentral ist es für eine Klinik homogene Fallgruppen zu bilden, um die Standardisierung, die für eine hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit notwendig ist, zu erreichen. Durch die Zentralisierung von Fällen mit ähnlich gelagerten Behandlungspfaden ist es möglich auf der einen Seite Entlastung für das Personal zu erreichen und auf der anderen Seite den Erlösrückgang durch wegfallende Kosten in den Bereichen Infrastruktur, Material und Personal zu kompensieren.

Kontakt zum Autor

Dr. univ./vites Manuel Heurich, CEO BinDoc GmbH, Kontakt: manuel.heurich@bindoc.de