Unpassende Räume sind Stressoren, die eigentlich vermeidbar sind, denn sie stehen als dritte Haut unvermeidlich in Wechselwirkung mit den Menschen. Sie sorgen besonders im Krankenhaus nur dann für die nötige Lebensqualität, wenn sie durch ihre Gestaltung emotionale Bedürfnisse mitfühlend abholen, statt sie folgenreich zu ignorieren.

Dieses Wohlgefühl lässt sich schlecht in Excellisten formulieren bzw. stößt an Grenzen, weil es in seiner Komplexität als Ganzes unmöglich ist, es zu erfassen, denn „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (Aristoteles).
Die menschliche Wahrnehmung tickt multisensuell, weswegen Studien, die nur eine einzige Komponente berücksichtigen, den Gesamtkontext unvermeidlich unberücksichtigt lassen, um dann die angestrebte Kausalität herzustellen, prinzipiell viel zu kurz gesprungen sind – genauso wie abzuhakende Listen mit wenig Spielraum. Dennoch ist die Tendenz hin zur Aufenthaltsqualität zweifelsfrei klar, wenn diese unmittelbar mit positivem Erleben verknüpft ist. Fundamentale Parameter lassen sich dann greifen, z.B. ein wohltuendes Lichtkonzept, beruhigende oder anregende Farbgestaltung, Bewegungsfreiheit, die Arbeitsprozesse unterstützt, Materialien und Konstruktionen die Hygiene unterstützen, aber insgesamt parallel auch für angenehme Atmosphäre sorgen. Dies und mehr beeinflusst wesentlich das emotionale Befinden und damit auch das Verhalten von Personal, Patientinnen sowie Patienten und deren Angehörigen.
Milieugestaltung im therapeutischen Sinne nennt sich das Ganze etwa in Geriatrie oder Psychiatrie, wenn sensibel darauf eingegangen und damit dem Personal die Arbeit und Patientinnen und Patienten die Genesung er-leichtert werden. Geborgenheit und Wohlfühlen sind aber nicht nur dort gefragt, denn generell sind Räume mit Aufenthaltsqualität frei von belastenden Stressoren. Corporate Interiors sind eine weitere Facette abseits stereotyper Austauschbarkeit, die emotionale Identifikation schafft. Es geht schlicht um gelungene Innenarchitektur auch im Krankenhaus. Funktionalität und Sicherheit stehen im Gesundheitswesen zu Recht im Vordergrund und haben Priorität, um die Medizin zu flankieren. Zudem sind Patienten und Personal emotional ohnehin gefordert und brauchen entsprechende Kompensation durch die räumliche Umgebung. Pausenräume die Energie spenden, in denen Personal zur Ruhe kommen kann, kommen z.B. allen über die Arbeitsgesundheit hinaus zugute.
„Räume mit Aufenthaltsqualität sind frei von belastenden Stressoren.“
Sylvia Leydecker
Lieblos gestaltete Räume, austauschbare Flure, Abstellkammerfeeling, unübersichtliche Hallen, anonyme Wartebereiche etc. finden sich ausgerechnet in vielen Krankenhäusern – an Orten, wo das Personal eine auch emotional angemessene Umgebung zur Arbeit braucht und Patienten angstmindernde Sicherheit und Vertrauen suchen.
Stressfreiheit bedeutet keineswegs Räume die unbezahlbar sind, sondern solche, die sich im Gegenteil wirtschaftlich lohnen, weil sie die negativen Folgen wie Arbeitsausfälle oder verlängerte Behandlung im Rahmen der DRG vermeiden helfen. Zielkonflikte sind zuweilen zwar vorhanden, aber lösbar, sodass beides – Design und Funktion – im Einklang stehen. Dann ist der hausgemachte Stress vorbei und es fühlt sich sogar vor dem Hintergrund der gebotenen Wirtschaftlichkeit für alle gut an, nämlich stressfrei mit guter Perspektive.
Kontakt zur Autorin:
Sylvia Leydecker, Innenarchitektin bdia AKG, 100 % interior, Köln, www.100interior.de, info@100interior.de