Krankenhausreform in der Diskussion: Stiefkind Digitalisierung?

Was derzeit im Kontext der Reformbestrebungen an die Branchenöffentlichkeit dringt, schürt Unsicherheit. Die Stakeholder konkretisieren ihre Forderungen. Mindestens ein Bundesland stellt sich gegen den Kompromissdruck auf – und die Segnungen der Telemedizin scheinen vom Tisch. Wie geht es weiter mit der Reform? So zeigte sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) tief besorgt über die jüngsten Äußerungen Lauterbachs zur Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen: „Die Aufforderung des Ministers an die Krankenhäuser im größten Bundesland, den dort laufenden Krankenhausplanungsprozess zu verlassen, gefährdet die Suche nach einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern mitten in den laufenden Gesprächen“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß jüngst auf dem Krankenhausgipfel im März 2023 in Berlin. Es fehle ihm die Fantasie, wie in dieser Gemengelage in absehbarer Zeit eine einvernehmliche Lösung zwischen Bund und Ländern gefunden werden solle. Und: Ohne ein Vorschaltgesetz würden viele Krankenhäuser die „große Krankenhausreform“ nicht mehr erleben. Der Grund dafür sei die defizitäre Lage vieler Häuser v.a. aufgrund der Inflation und explodierender Energiepreise. Auch die Mehrwertsteuerdiskussion geht weiter – mit dem Appell, der Medizintechnik und den Verbrauchsmaterialien endlich dem reduzierten Satz zuzuordnen. Nachhaltige Ausrichtung gefordert Die Ärzteschaft „warte seit Langem auf eine nachhaltige Neuausrichtung der Krankenhausstrukturen“, betonte Dr. Klaus Reinhardt. „Die Politik kann es nicht allein richten“, schränkte der Bundesärztekammer-Präsident ein. Es funktioniere nicht ohne den Sachverstand derjenigen, die die Versorgungswirklichkeit kennen und über den nötigen medizinisch-fachlichen Sachverstand verfügen. „Dabei geht es nicht um „Lobbyismus“, sondern um medizinische Realerfahrungen.“ Es sei insofern gut, dass der Bundesgesundheitsminister sich vom vorwurfsbehafteten Begriff ‚Lobbyismus‘ ein Stück weit distanziert habe; nun müsse er dieser Einsicht Taten folgen lassen. Es würden im internationalen Vergleich viel zu viele Leistungen stationär erbracht, die sich qualitativ besser und wirtschaftlich sinnvoller ambulant in den Praxen realisieren ließen, unterstrich Andreas Gassen. Es sei daher überfällig, viele bisher stationär erbrachten Leistungen zu ambulantisieren, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende. Ambulantisierung sei jedoch kein Instrument, um „jedes noch so kleine und wirtschaftlich untragbare Krankenhaus zu retten“. Wie ein Lobbyist der Krankenhäuser habe sich der Bundesgesundheitsminister für eine vollumfängliche Ambulantisierung fachärztlicher Leistungen in Deutschland am Krankenhaus ausgesprochen, kritisierte der SpiFA. Mit dieser „vollen Breitseite“ wende er sich gegen die niedergelassenen Fachärzte, anstatt auf Kooperation und die Verzahnung der bisher getrennten Sektoren zu setzen. Die bislang stationär durchgeführten Leistungen müssten auch für die Niedergelassenen geöffnet werden – bei tatsächlich sektorengleicher Vergütung. Digitalisierung: Vom Superstar zum Stiefkind Beobachter der Reformdebatte stellen sich im Kontext von Zentrenbildung, Kompetenzbündelung und Versorgung in der Fläche die Frage: Wenn hier das Leistungsangebot der kleineren Häuser insbesondere in ländlichen Regionen ausgedünnt werden soll – wo bleibt dann die angelaufene Digitalisierung? Sollte nicht die Telemedizin, teuer gefördert durch das KHZG, die Kompetenz der Zentren in die Regionen tragen – so, wie dies Leuchttürme wie das Virtuelle Krankenhaus NRW (VKhNRW) vormachen? In Zeiten der Pandemie hatten hier die Unikliniken Münster und Aachen wertvolle Unterstützung durch Teleintensivmedizin geleistet; der Ausbau weiterer Teledisziplinen war in Arbeit. In den Vorträgen beim Krankenhausgipfel war von all dem nichts zu hören – und die Reformansätze zielen auf ein Beschneiden des Portfolios kleinerer Häuser. Bedeutet das also das Aus für den KHZG-Fördertatbestand der Telemedizin, der über eine Bindung zum VKhNRW zum Muss der für die antragstellenden Häuser in NRW wurde? Digitalisierung muss in den Reformverhandlungen unbedingt Berücksichtigung finden, sagte Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, beim Krankenhausgipfel. Kahlschlag gegenüber technologisch gestützter regionaler Versorgung? Immerhin präsentiert die soeben vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgestellte Digitalisierungsstrategie beispielsweise die assistierende Telemedizin als eines der Kernvorhaben: Sie soll explizit den niedrigschwelligen Zugang zur Versorgung insbesondere in unterversorgten Gebieten möglich machen. Die Suche nach einer klaren Linie geht somit weiter. Kontakt zum Autor: Michael Reiter, Freier Journalist, spezialisiert auf den Gesundheitssektor, michael.reiter-pr@gmx.de

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