Onkologie optimiert Station für junge Menschen

Teenager, die an Krebs erkranken, haben selten die Möglichkeit, sich während ihrer Behandlung mit Gleichaltrigen auszutauschen. Dabei ist dieser Austausch sehr wichtig für sie. Durch eine gesonderte AYA-Station an der Uniklinik Essen sollen ihnen neue Möglichkeiten eröffnet werden.Für Jugendliche ist die Behandlung aufgrund der Trennung von pädiatrischer und erwachsener Onkologie oft sehr einsam. Durch die neue AYA-Station an der Uniklinik Essen soll das geändert werden.Krebserkrankungen sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (AYA) sehr selten und machen in angloamerikanischen Krebsregistern nur sechs Prozent aller Krebserkrankungen aus. Gleichzeitig sind sie aber nach Tod durch Unfälle, Suizid oder tödliche Gewalteinwirkung durch Fremde die zweithäufigste Todesursache in dieser Altersgruppe. Für Deutschland liegen mangels nationaler Krebsregister keine sicheren Zahlen vor. Da die Krebserkrankungen in diesem Alter nach den Auswertungen der US Amerikanischen „Surveillance, Epidemiology and End Results“ (SEER) Datenbank aber besonders die kaukasische Bevölkerung treffen, könnten die Zahlen für Deutschland vergleichbar sein. Die Versorgung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist in Deutschland durch unterschiedliche Infrastrukturen für „pädiatrische“ und „erwachsene“ Onkologie und eine recht strikte Altersgrenze von 18 Jahren gekennzeichnet. Die Versorgung krebskranker Jugendlicher ist das Feld der pädiatrischen Onkologie. Dieses wir entsprechend auch in der Gesundheitspolitik vertreten: Die Bundesregelung sieht vor, dass die stationäre Behandlung von Krebspatienten unter 18 Jahren nur dann erstattet wird, wenn sie in zertifizierten pädiatrisch onkologischen Zentren durchgeführt wird [http://www.g-ba.de/downloads/62-492-762/KiOn-RL_2012-05-16.pdf]. Wird eine Krebsdiagnose im Alter von über 18 Jahren gestellt, werden die Patient*Innen folglich in der Erwachsenenonkologie behandelt. Eine strukturierte Überleitung von Langzeitüberlebenden ist bisher ein schwer erreichbares Ziel geblieben (Wilhelm 1). Für einige Krebserkrankungen konnte tatsächlich gezeigt werden, dass Jugendliche und junge Erwachsene eine deutlich schlechtere Heilungschance haben als Kinder. Eine in Lancet Oncology 2016 publizierte Studie zeigt, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Überlebensrate nur für bestimmte Hirntumore und maligne Melanome gebessert hat, während die Prognose für Leukämien, akute Lymphome, Knochensarkome und Weichteilsarkome signifikant schlechter war als bei Kindern mit der gleichen Erkrankung 2. Besonderheiten der Lebensphase Die Adoleszenz ist durch eine rasante Entwicklungsphase gekennzeichnet, mit Veränderungen im körperlichen, kognitiven, physiologischen und sozialen Verhalten. Die normalen Schwierigkeiten der Adoleszenz müssen von einem jungen Menschen, der mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wird, zusätzlich gestemmt werden. Die Entwicklung variiert natürlich individuell erheblich und das Alter spiegelt nur selten den aktuellen Reifegrad einer Person. Erfahrungsgemäß schwankt die persönliche Reife im Verlauf der Krebserkrankung. Bedeutung psychologischen Komponente für den Heilungsprozess Jede Krebserkrankung ist eine dramatische Diagnose. Wenn Jugendliche und junge Erwachsene an Krebs erkranken, trifft es die jungen Leute besonders hart. In einer Lebensphase, in der man auf eigenen Füßen stehen möchte, die Welt entdecken, Freunde, Partner Schulabschluss, Ausbildung, Studium wichtig sind oder vielleicht sogar selbst schon eine Familie mit kleinen Kindern hat, kommt die Diagnose: „Ich habe Krebs“. Alle Pläne müssen dann erst einmal auf Eis gelegt werden. Ob man seine Träume noch leben kann, wird ungewiss. Krebserkrankungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter sind sehr selten, so dass sich die Betroffenen oft alleine fühlen. Die Krebsbehandlung kann die körperliche Entwicklung und das Erscheinungsbild auf vielfältige Weise beeinflussen und enorme Auswirkungen auf die Verfassung eines jungen Menschen haben. Chemotherapie führt oft zu vorübergehendem, Strahlentherapie im Bereich des Kopfes, zu permanentem Haarausfall. Durch die medikamentöse Behandlung kommt es zu gravierenden Gewichtsabnahmen oder -zunahmen. Manche Behandlungsprotokolle enthalten viel Kortison, was zu Gewichtszunahme und zur Bildung von bleibenden „Schwangerschaftsstreifen“ und Hautverfärbungen führen kann. Knochen und Weichteiltumore müssen operiert werden, was mit einer deutlichen Veränderung des Körperbildes einhergeht. Manche Patient*Innen müssen sich auch einer Amputation unterziehen, zum Teil werden Prothesen eingesetzt. Bei Hirntumoren kann durch Operation und Bestrahlung die körperliche und geistige Entwicklung gestört werden. Dieses sind nur einige Beispiele dafür, dass die jungen Menschen damit konfrontiert werden, dass später Teile des normalen Lebens nicht mehr aufgenommen werden können, dass das ganze Leben sich unwiederbringlich verändern wird. Vermindertes Selbstwertgefühl, Isolation und Zukunftsängste können die Folge sein. Ein weiteres Kapitel ist die Fruchtbarkeit. Es ist bekannt, dass die Behandlung mit Chemotherapie oder Strahlentherapie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Ein Thema welches viele Betroffenen beschäftigt und verängstigt (Korte 3 4). Es sollte also Angebote geben, die den normalen Entwicklungsprozess während einer komplexen Krebsbehandlung in dieser schwierigen Phase unterstützen. Die Arbeit mit jungen Menschen erfordert ein Verständnis für ihre Entwicklung und Verhaltensweisen. Die Betreuung für junge Patient*Innen sollte auf einem personalisierten Ansatz beruhen, der die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten entsprechend seiner Diagnose und Umstände berücksichtigt. Aktuell werden Jugendliche zusammen mit Säuglingen und kleinen Kindern in der Kinderklinik behandelt und junge Erwachsene zusammen mit älteren Menschen in der Erwachsenenklinik. Angebote, die einem altersentsprechend den Tag in der Klinik verkürzen könnten, fehlen. Gleichzeitig ist bekannt, dass für Menschen dieser Altersgruppe der Austausch mit Gleichaltrigen von enormer Bedeutung sind. Ausstattung der AYA-Station An der Universitätsmedizin Essen wurde daher für die jungen krebskranken Menschen eine eigene Station geschaffen. Ziel eines gesonderten Angebotes für diese Altersgruppe ist es, den besonderen medizinischen und psychosozialen Anforderungen besser gerecht zu werden. Auf der Station werden Jugendliche und junge Erwachsene zusammen behandelt und von einem multidisziplinären Team betreut. Die Ausstattung der Station wurde in Co-Creation-Workshops gemeinsam mit jungen Patient*innen geplant. Aufgrund räumlicher Beschränkungen konnten nicht alle Wünsche umgesetzt werden, so gab es die Idee eine Multifunktionsraums (MuFu) im Sinne eines Gemeinschafts-Wohnzimmers als Begegnungsstätte und den Wunsch, einen zusätzlichen Ruhe-Snoezelen-Raum zu haben, in dem man für sich selbst sein kann und die Möglichkeit hat, zur Ruhe zu kommen. Letzterer konnte nicht verwirklicht werden. Der MuFu-Raum ist zwar relativ klein, aber mit Hilfe eines Architekturstudierenden geschickt eingerichtet. Die Realisierung der Station fiel in das Frühjahr 2020 mit entsprechenden Pandemie-bedingten Verzögerungen, weil zunächst keine Gewerke die Station betreten durften. Der MuFu-Raum ist eingerichtet mit einer großen Bank, einer Teeküche, Tischen zum Spielen, Essen oder auch Arbeiten sowie einer Ecke zum Ausruhen und verfügt über eine IT-Ausstattung und die Möglichkeit sich mit VR-Brillen in andere Welten zu versetzen. In diesem Raum kann Sport und Kunsttherapie und – hoffentlich irgendwann auch – Musiktherapie stattfinden. Mittlerweile ist die Ausstattung fast perfekt und mit zwei Kunsttherapeut*Innen und einem Sport- und Bewegungstrainer konnten schon einige ergänzenden Angebote realisiert werden. Die Sonderausstattung und auch ergänzendes Personal für Kunst- und Sporttherapie und zur Anleitung für Virtual Reality-Angebote werden aus Spenden finanziert. Die Zimmer sind mit Smart TVs und der Möglichkeit, eine Spielkonsole anzuschließen, ausgestattet. Das Smart TV müssen sich zwei Patient*Innen teilen, was zugleich die Kommunikation fördert. Alle Patient*Innen werden bei jedem Aufenthalt strukturiert auf ihre Belastungssituation hin untersucht Hierfür wird ein digitaler psychoonkologischer Fragebogen der Klinik für Psychosomatik verwendet. Die Klinik bietet auch spezifische psychoonkologische Betreuungsangebote. Pandemiebedingt konnten geplante Gruppenangebote, wie gemeinsames Frühstück und gemeinsame Therapieangebote, bislang noch nicht stattfinden. AYA-Aktivitäten in Deutschland In Deutschland wächst in den letzten Jahren das Bewusstsein für die Notwendigkeit, jugendliche und junge erwachsene Krebspatienten zu stärken und die Kluft zwischen der Onkologie für Jugendliche und Erwachsene zu überbrücken. In Halle wurde eine Station für den Altersbereich eingerichtet. Es werden Modelle für den Übergang von der pädiatrischen zur erwachsenenmedizinischen Versorgung entwickelt. Es wurde die Stiftung junge Erwachsene mit Krebs von der DHGO gegründet, die Informationen anbietet, heimatnahe Treffs organisiert und eine Beratung in sozialrechtlichen Fragestellungen, zur integrative Krebstherapie, Hormonveränderungen und Abwehrschwäche anbietet (https://junge-erwachsene-mit-krebs.de/). Deutsche Ärzt*innen engagieren sich in einer Vielzahl von internationalen Aktivitäten im Bereich der AYA-Onkologie. In der Europasektion der Internationalen Gesellschaft für Kinderonkologie gibt es ein AYA-Komitee (https://siope.eu/siop-europe-aya-committee/), welches seinerseits mit dem AYA-Komitee der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie zusammenarbeitet (Casali5) (https://www.esmo.org/about-esmo/organisational-structure/educational-committee/adolescents-and-young-adults-working-group). In diesen Strukturen können die Deutschen Kolleg*Innen von den Erfahrungen in anderen Ländern lernen: In UK gibt es 17 Stationen (Taylor 6), in Frankreich gibt es acht große AYA-Einheiten, in Italien gibt es an 19 Zentren Stationen und spezielle Angebote für die Altersgruppe (Ferrari 7). In Deutschland wurde in der Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie die Arbeitsgruppe Adoleszente junge Erwachsene und Transition8 und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie die DGHO-AYA Arbeitsgemeinschaft gegründet. Beide Gruppierungen arbeiten eng zusammen. Durch konzertierte Aktivitäten wird sich, so die Hoffnung, die Situation für krebskranke Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland weiter verbessern.