Was die Genschere CRISPR (nicht) kann Spiel um Leben und Tod

Klingt wie ein knuspriger Keks, ist derzeit das kühnste Kalkül der Gentechnik: Die sogenannte Genschere CRISPR verspricht die Heilung schlimmer Krankheiten, könnte angeblich sogar das HI-Virus eliminieren. Doch das molekulare Instrument ist nicht frei von Fehlern und führte in China schon zu einer Verhaftung.Am Anfang waren – wir selbst. Menschen mit individuellem Erbgut, das heute in den USA für 199 Dollar von jedem Bürger mittels Laborauftrag analysiert werden kann. Per Post oder E-Mail schickt der Anbieter dann die Ergebnisse zum Kunden. Das Angebot der Firma 23andme umfasst Informationen zu derzeit zehn Krankheiten, darunter Glutenunverträglichkeit, Alzheimer und Parkinson. Was in Deutschland verboten ist und hier nur nach einer Beratung durch einen spezialisierten Arzt erfolgen kann, ist seit April 2017 international der erste offizielle medizinische Gentest, der direkt an Kunden verkauft werden darf. Und danach – ist zwar die Neugier zunächst gestillt, doch der weitverbreiteten Angst vor potenziell nahenden Krankheiten sind Tür und Tor geöffnet. Verbunden u.a. mit der Frage: Und wer darf nun mit meinen Daten Sinnvolles tun? Was uns individuell, an personalisierter Medizin am eigenen Körper Gutes getan werden könnte, hängt v.a. von unserem Erbgut ab. Mit der Stellungnahme „Mein Genom für die Forschung und auch für mich?“ bezog EURAT im Dezember Position zur Herausgabe von Rohdaten aus der genomischen Forschung. EURAT ist ein Projekt zu normativen Fragen der Ganzgenomsequenzierung, an dem Wissenschaftler der Universität Heidelberg, des Universitätsklinikums Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Europäischen Labors für Molekularbiologie (EMBL) und des Max-Planck-Instituts für Vergleichendes Öffentliches Recht und Völkerrecht und das Forschungszentrum für Gesundheitsökonomie der Universität Hannover arbeiten. Das Projekt wird vom Marsilius-Kolleg gefördert. Im Fokus stehen ethische und juristische Aspekte, so was wie eine Gebrauchsanleitung über gut 70 Seiten (Download unter www.nct-heidelberg.de, Suchbegriff EURAT). Denn Vorsicht ist geboten bei Erstellung und Weiterleitung solch intimster Einsichten, sei es, ob Firmen heute schon anhand von Laborergebnissen optimale Ernährungsvorschläge geben oder ein niederländisch-deutscher Bluttest künftig das eigene Sterberisiko voraussagt. Dahinter stecken 14 Biomarker, die irgendwann auch im klinischen Alltag Entscheidungshilfen z.B. für Therapien geben könnten. Dem zuvor kommt neuerdings CRISPR – die Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, zu Deutsch: gehäuft auftretende, regelmäßig unterbrochene, kurze Palindrom-Wiederholungen. Der Zungenbrecher bezeichnet einen Abschnitt auf der Erbsubstanz von Bakterien, der der Abwehr angreifender Viren dient. Erst vor knapp acht Jahren beschrieben die Wissenschaftlerinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier die Möglichkeit, diesen Abschnitt der Erbsubstanz zusammen mit einem passenden Enzym als Genschere einzusetzen, also den DNA-Strang aufzuschneiden und ein oder mehrere Gene durch neu gewünschte zu ersetzen. Seitdem hat die Methode weltweit Einzug in die Labore etwa der Pflanzenzüchter gehalten. Doch mit gentechnisch verändertem Mais, der resistenter und pflegeleichter werden sollte, fing die Geschichte nur an; tatsächlich sind CRISPR-Pflanzen in der EU per Gentechnik-Gesetz sogar verboten. Was Forscher nicht daran hindert, das molekulare Instrument gegen Krankheiten zu testen. Bei Patienten mit angeborener Beta-Thalassämie, einer erblichen Krankheit, die das Blut betrifft, werden derzeit klinische Studien durchgeführt, bei denen die Erbsubstanz der patienteneigenen Blutstammzellen verändert wird: Im November meldete die Uniklinik Regensburg dazu, dass eine mit der CRISPR-Therapie behandelte 20-Jährige seit (damals) neun Monaten „normale Blutwerte“ aufweise. Andere Wissenschaftler erforschen die Möglichkeit, mithilfe von CRISPR eine effektive Handhabe gegen Krebs zu entwickeln. Auch die auf Seite 29 beschriebenen bayerischen Schweine, in denen menschliche Herzen wachsen, wurden mit der Genschere „behandelt“: Ein tierisches Gen der DNA wurde inaktiviert, zwei menschliche wurden eingesetzt und die Schweine dann geklont. Das heißt: Hier kam Schneidermeister CRISPR schon zum Einsatz, bevor etwas schieflaufen konnte. Was auch bedeutet: Darin liegt die Hoffnung, irgendwann Ausbrüche von Seuchen oder Volkskrankheiten ganz zu verhindern, weil Erreger bereits im Labor schlicht eliminiert werden. Einer, der mit dieser Idee nicht nur experimentiert, sondern an bereits geborenen Zwillingen gleich ausprobiert hat, ist der ebenfalls in unserem vorherigen Artikel erwähnte Biophysiker He Jiankui. Als vermutlich Erster hat er diesen Eingriff in die Keimbahn eines menschlichen Embryos vollzogen, mit der Konsequenz, dass die Genänderungen auch an Nachkommen weitergegeben werden können – was bisher als verfrüht galt. Ziel war, die per künstlicher Befruchtung gezeugten Mädchen gegen HIV zu schützen, weil ihr Vater infiziert war. Jedoch erfolgte die Immunisierung bei einer Schwester nur unvollständig, sodass einige ihrer Zellen trotzdem mit HIV infiziert werden könnten. Die Gefahr ist zudem, dass die Zwillinge jetzt gegen andere Viren und Erkrankungen empfindlicher sind. Inzwischen wurde der übereifrige Chinese zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Last, but not least könnten die Spielchen mit dem Code des Lebens noch ganz andere Folgen haben. Einerseits zum Beispiel Designerbabys nach Wunsch, andererseits manipulierte Viren und Bakterien, die für Menschen erst recht gefährlich sind. Zumal die Entwicklung von CRISPR selbst noch gar nicht abgeschlossen ist: Es kann zu sogenannte Off-Target-Effekten kommen, wenn Schnitte der Genschere an unerwünschten DNA-Stellen erfolgen. Dazu gibt es jetzt noch viel zu tun – per Anti-CRISPR-Forschung, mittels spezieller Eiweiße. Carolina Heske

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