Nachhaltigkeit umsetzen So wird Versorgung „grün“

1.914 Krankenhäuser und 11.488 Alten- und Pflegeheime tragen in Deutschland mit ihren Emissionen zu hohen Werten beim CO2-Fußabdruck bei. Nur 236 Einrichtungen beteiligen sich bisher an der Initiative „Klimaneutraler Gesundheitssektor 2035“. Höchste Zeit, um ins Handeln zu kommen.Die Grafik zeigt die Hauptemissionsquellen des Nationalen Gesundheitsservices (NHS) Englands.Global wie national ist der Gesundheitssektor für einen Ausstoß von Treibhausgasen von fast fünf Prozent verantwortlich. Damit kommt die Branche dem Ausstoß des Flug- oder Schiffsverkehr nahe. Dass der Healthcare-Bereich daher ebenfalls tätig werden muss, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens und das Ziel Deutschlands, Klimaneutralität bis 2045, erreicht werden können, liegt auf der Hand. Nachhaltigkeit zum Organi-sationsprinzip machenDas Management von Gesundheitseinrichtungen ist gut beraten, sich mit der Reduktion der eigenen Emissionen und ihrer Lieferketten zu befassen. Diese Führungsaufgabe gelingt, wenn Nachhaltigkeit ein Organisationsprinzip wird. Die Umsetzung der Nachhaltigkeit kann nur durch Weiterbildung im Thema, klarer Zielsetzung, Aktivitäten, Rechenschaftspflicht und Kommunikation nach innen und außen geschehen. Deshalb muss Nachhaltigkeitsmanagement im Führungsgremium verankert sein und gemeinsam mit Mitarbeitenden und wenn möglich mit externer Beratung umgesetzt werden. In Zeiten der Erderhitzung und der Klimakrise sollte jede Entscheidung unter dem Aspekt der Auswirkungen auf die Umwelt und zukünftiger Generationen gefällt werden. Dabei gilt nicht nur der moralische Anspruch des Eides des Hippokrates „Primum non nocere“ richtungsweisend für den Gesundheitssektor, sondern auch die Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Lernen von England, Schweden, Österreich und DänemarkVon internationalen Projekten ist bekannt, dass Nachhaltigkeit nicht nur gut für die eigenen Kennzahlen ist. Wenn Überfluss und Überschuss in allen Bereichen (Prozesse, Materialien, Zeit) reduziert werden, motiviert das die Mitarbeitenden, sich aktiv für Verbesserungen im System einzusetzen (ähnlich dem Lean-Prozess). Eine Analyse des englischen Nationalen Gesundheitssystems (NHS) zeigt, dass 62 Prozent der Emissionen durch Arzneimittel, Medizinprodukte und der Lieferkette entstehen (siehe Grafik S. 37). Für Deutschland gibt es solche detaillierten Berechnung noch nicht; anzunehmen, dass die Werte ähnlich hoch sind. In Schweden z.B. gibt es in jedem Krankenhaus ein zuständiges Klimamanagement. Neue Mitarbeitende werden verpflichtend zur Nachhaltigkeit geschult. In Stockholm fokussiert man sich u.a. auf ein Ersetzen von besonders besorgniserregenden Stoffen in Medizinprodukten und im Labor. Aber auch Österreich ist in Sachen Nachhaltigkeit Vorbild. In Wien gibt es z.B. seit 1998 ÖkoKauf, ein ökologisches Beschaffungsprogramm der Stadt, das auch für deren Gesundheitseinrichtungen verbindlich regelt, wie Textilien, Desinfektionsmittel, Bau- und Büromaterialien, Biolebensmittel usw. beschafft werden. Das Ernährungsprogramm der Stadt Kopenhagen hat es sich z.B. zum Ziel gesetzt, die Verpflegung von Mitarbeitenden in öffentlichen Einrichtungen und damit auch in Krankenhaus und in der Pflege zu verbessern. Neben einem hohen Bioanteil gibt es hier weniger Fleisch, v.a. Saisonales und keine vorverarbeiteten Produkte. Fokus: Arzneimittel und MedizinprodukteEiner der größten Hebel der Nachhaltigkeit im Healthcare-Sektor ist die Beschaffung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Zum Beispiel sind 80 Prozent der Produkte im Gesundheitsbereich Einwegprodukte, die fossile Energie bei der Herstellung benötigen, einmal benutzt und danach verbrannt werden. Hier braucht es neue Ausschreibungskriterien beim Einkauf, Innovationen bei Herstellern für neue Materialien und Produkte. Es gibt auch in Deutschland Nachhaltigkeitspioniere im Healthcare-Bereich. Was fehlt, ist nicht das Wissen sondern es sind die strukturellen Änderungen, Kapazitäten und der Wille, neue Wege zu gehen. „Global Green and Healthy Hospitals“Auf globaler Ebene gibt es bereits seit zehn Jahren das Netzwerk „Global Green and Healthy Hospitals“ (GGHH). Es soll dabei helfen, Gesundheitseinrichtungen in die Lage zu versetzen, sich auf den Weg der Nachhaltigkeit zu begeben. Zu den zehn Themenschwerpunkten gehören z.B. folgende fünf: Führung: Priorisierung von Umweltgesundheit.Arzneimittel: sicheres Verwaltenund Entsorgen von Arzneimitteln. Energie: Umsetzung von Energieeffizienz, Einsatz erneuerbarer Energien.Wasser: Reduktion des Wasserverbrauchs im Krankenhaus und Bereitstellen von Trinkwasserspendern. Essen: Einkauf von nachhaltig angebauten, gesunden Lebensmitteln. Mit Handreichungen und Webinaren werden Organisationen im digitalen globalen Austausch unterstützt (siehe Infobox S. 36). Sciana: Inspiration für Führungskräfte Es ist wichtig, Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen zu verankern und gerade den internationalen Austausch als Orientierungshilfe und Ideengeber zu suchen. Genau hier spielt z.B. auch Sciana, das Netzwerk für Führungspersönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen, bestehend aus Mitgliedern aus Großbritannien, der Schweiz und Deutschland, eine wichtige Rolle. Der Austausch dient dazu, innovative Vorgehensweisen in die Gesundheitspolitik der jeweiligen Länder einzubringen und so konkrete Schritte für die Erreichung der Klimaziele zu gehen. Die Natur verhandelt nicht, der CO2-Ausstoß steigt nach kurzer Corona-Pause wieder an, die planetaren Grenzen sind festgelegt und das Carbon-Budget des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist wissenschaftlich basiert. Uns bleibt nur wenig Zeit, gemeinsam alle Bereiche unseres Lebens grundsätzlich neu zu denken und zu gestalten, damit wir die Erderhitzung begrenzen und ökologische Kipppunkte vermeiden. Die zehn Ziele von GGHH im GesundheitssektorFührung: Priorisierung von Umweltgesundheit Chemikalien: Ersetzen von schädlichen Chemikalien mit sicheren Alternativen Abfall: Reduktion, Behandlung und sichere Entsorgung von medizinischem Abfall Energie: Umsetzung von Energieeffizienz, Einsatz von erneuerbaren Energien Wasser: Reduktion des Wasserverbrauchs im Krankenhaus und Bereitstellen von Trinkwasserspendern Verkehr: verbesserte Transportstrategien für Patienten und Personal Essen: Einkauf von nachhaltig angebauten, gesunden Lebensmitteln Arzneimittel: sicheres Verwalten und Entsorgen von Arzneimitteln Gebäude: Umsetzung von nachhaltigen und gesunden Krankhausdesign und -bau Einkauf: Nachhaltiger Einkauf von Produkten und Materialien Netzwerk „Global Green and Healthy Hospitals“Global Green and Healthy Hospitals (GGHH) ist ein Projekt von Health Care Without Harm, das 2011 gegründet wurde, um dem Gesundheitssektor konkrete Handlungsempfehlungen zur Nachhaltigkeit zu geben. Inzwischen hat das Netzwerk 1.450 Mitglieder in 72 Ländern, die mehr als 43.000 Krankenhäuser und Gesundheitszentren repräsentieren. Die Mitglieder verpflichten sich mit einer Absichtserklärung zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen und bearbeiten mindestens zwei Themenfelder. Zu jedem Themenfeld gibt es Handlungsleitfäden, Literatur, Diskussionsforen, Webinare und hunderte von Best-Practice-Beispiele, die nach Themen und Ländern sortiert sind. Die Beispiele dienen als Anregung und Inspiration für die eigene Arbeit. Im internen Connect-Bereich (nur für Mitglieder) können die Mitglieder in den direkten Austausch mit anderen Gesundheitseinrichtungen treten und Erfahrungen austauschen. Weitere Infos: www.greenhospitals.net

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