momedocare – Mehr Männer für die Pflege von morgen So gelingt Diversifizierung in der beruflichen Pflege

Das Projekt „momedocare“ (Modern men do care) will Unternehmen der Pflegewirtschaft für das Thema „Diversifizierung in der beruflichen Pflege“ sensibilisieren und zeigt anhand konkreter Maßnahmen, wie man Männer für den Pflegeberuf begeistern kann. Modern men do care? Ja, aber viel zu wenige! Laut Statista waren im Jahr 2020 rund 83 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Pflege in Deutschland Frauen. Doch woran liegt das? Was sind die Hürden für Männer und worin liegen die Lösungen, um Männer für den Pflegeberuf zu begeistern? Für das Projekt momedocare wurden Interviews mit Pflegern geführt, die in der direkten Versorgung arbeiten. Dabei zeigte sich: Männer in der Pflege sind in einen komplexen gesellschaftlichen Kontext eingebunden. Das Image der Pflegeberufe wird im Allgemeinen durch mediale Darstellung geprägt. Nur selten entspricht diese dem realen Pflegealltag. Neben dem Image der Pflege als klassischen „Frauenberuf“ werden selten (männliche) Vorbilder sichtbar, die gerne in ihrem Beruf arbeiten, obwohl es diese gibt. Die mangelnde Sichtbarkeit männlicher Pflegefachpersonen führt gerade bei jungen Männern zu fehlenden Identifikationsmöglichkeiten mit Pflegeberufen. Der Pflegeberuf konkurriert bei Schulabsolventinnen und -absolventen mit vielen anderen Berufsfeldern, wie dem Handwerk oder technischen Berufen. Je nach Schulform werden pflegerische Ausbildungsberufe im Rahmen der Berufsorientierung kaum vorgestellt. Je höher der schulische Abschluss, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Berufsberatende oder Pflegeschulen die Möglichkeit bekommen, die vielfältigen Berufsfelder in der Pflege vorzustellen und sich für die Vermittlung eines realistischen Bildes des Pflegealltags starkzumachen. Damit einhergehend fehlt es häufig an Ermutigung und Unterstützung aus dem sozialen Umfeld. Nicht selten wird die Rolle des „Familienernährers“ infrage gestellt, sowohl vor der Berufswahl als auch dann, wenn der Pflegeberuf ausgeführt wird. Imageproblem: Wie für den Pflegeberuf begeistern? Das breite Spektrum an pflegerischen, medizinischen, sozialen, technischen und kommunikativen Aspekten machen den Pflegeberuf so vielseitig und interessant. Die Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen und Wertvorstellungen im Rahmen der genannten Aspekte auszuüben, zu erweitern und sich in diesen zu verwirklichen, gilt daher als zentraler Motivator für viele angehende und ausgebildete Pflegefachpersonen. Auch der Aspekt „Krisensicherheit“ ist ein Anreiz für Menschen, den Pflegeberuf zu ergreifen. Die Projektbeteiligten haben sich auch mit der Ausbildung, den Auszubildenden sowie Pflegepädagogen und -pädagoginnen auseinandergesetzt. Hierbei scheint es männlichen Auszubildenden besonders um die Sichtbarkeit anderer männlicher Pflegefachpersonen in ihrem Ausbildungsbetrieb und an den Pflegeschulen zu gehen. Es geht um Vorbilder und Rollenbildern, an denen sie sich orientieren können. Ein genderneutraler Unterrichtsstil, der die Selbstverständlichkeit von Männern in Pflegeberufen lebt, und die Sichtbarkeit männlicher Pflegender, auch in den Unterrichtsmaterialien, wird von männlichen Auszubildenden durchweg positiv bewertet. Speziell männliche Pflegefachpersonen, die zuvor in einem anderen, vielleicht sogar eher männerdominierten Berufsfeld gearbeitet haben, wissen sowohl das Umfeld als auch das Teamgefühl in den unterschiedlichen Settings der Pflege zu schätzen. Im besten Fall gestaltet sich dieses als wertschätzend, respektvoll und unterstützend – sowohl seitens des interdisziplinären Teams, des pflegerischen Kollegiums als auch der Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohner. Spannend war für die Projektbeteiligten auch das Beschäftigen mit Geschlechterklischees, denn schließlich möchte man viele Menschen für den Pflegeberuf begeistern – unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität. Den Projektverantwortlichen war es deshalb sehr wichtig, dass keine stereotypen Klischees verfestigt werden. Das Projekt „momedocare“ Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit hat sich der Bremer Verein Gesundheitswirtschaft Nordwest e.V. in den letzten 18 Monaten intensiv mit dem Thema „Männer im Pflegeberuf“ auseinandergesetzt. Die zentrale Fragestellung lautete: Was sind die Gründe dafür, dass weniger Männer wie Frauen im Pflegeberuf arbeiten und wie kann die Quote von Männern in der beruflichen Pflege erhöht werden? Hauptziel des Projekts „momedocare – Modern men do care?“ war die Erstellung einer praxisnahen Broschüre für Krankenhäuser, ambulante Dienste und stationäre Langzeitpflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen der Eingliederungshilfe (Link zum Download siehe Seite 1). Mit vielen Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis und weiteren aus der Nordwestregion sowie Hochschulen wurden Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils männlicher Pflegefachpersonen diskutiert, evaluiert und erarbeitet. Von Beginn an ging es darum, berufliche Praxis und Pflegewissenschaft in die Überlegungen einzubeziehen und sie aktiv daran zu beteiligen. Neben großen Klinikverbünden wie der Gesundheit Nord in Bremen, dem Klinikum Oldenburg und Langzeitpflegeeinrichtungen, wie der Bremer Heimstiftung und dem Bezirksverband Oldenburg, waren auch die Hochschule Bremen, die Jade Hochschule, die Arbeitnehmerkammer Bremen sowie der ambulante Pflegedienst Vacances und die ambulanten Landdienste am Projekt beteiligt. www.gesundheitswirtschaft-nordwest.de Maßnahmen für mehr männliches Pflegefachpersonal Die Maßnahmen zur Erhöhung der Quote männlicher Pflegefachpersonen konzentrieren sich auf drei Kernelemente: Öffentlichkeitsarbeit, Recruiting und Personalmanagement. Theoretisch würde man denken, das sind Allgemeinplätze und die Unternehmen der Pflegewirtschaft setzen bereits alle Elemente um. Praktisch gesehen geht es um nichts Geringeres wie einen kulturellen Wandel in der Pflegebranche. Diese muss deutlich diverser werden! 1. Im Kernelement Öffentlichkeitsarbeit bedeutet dies konkret: Männer, die bereits im Unternehmen sind, für sich selbst sprechen zu lassen. Nachweislich erhöht sich das individuelle Identifikationspotenzial, wenn alle Personen angesprochen werden. Die Homepage und die Social-Media-Kanäle spielen eine entscheidende Rolle dabei, welchen Eindruck Interessierte von dem Betrieb erlangen und ob sie sich speziell als Männer angesprochen und repräsentiert fühlen. Neben stetig aktuell gehaltenen inhaltlichen Aspekten gilt es, sich bewusst den Bildern, Farben und Symbolen zuzuwenden. Diese sollten möglichst die Bandbreite der pflegerischen bzw. betrieblichen Kompetenzen widerspiegeln und sich z.B. nicht allein auf die Fürsorge beziehen. Um dies zu vermeiden, sollten idealerweise eigene Mitarbeitende in der Bandbreite ihrer Tätigkeiten sowie in einem ausgewogenen Verhältnis von Männern und Frauen dargestellt werden. 2. Recruiting lässt sich mithilfe von Monitoring und Zielsetzung bewusst auf Männer ausrichten. Als übergeordnetes Ziel der Maßnahmen ist ein gleichmäßiges Geschlechterverhältnis im Betrieb sowie möglichst auch in einzelnen Teams oder Stationen anzustreben. Letztlich geht es darum, maximale Diversität in den kleinstmöglichen Personalgruppen zu erreichen. Das Personalmonitoring ist speziell in größeren Betrieben wichtig, um die Geschlechterverhältnisse bzw. die Diversitätsstruktur im Betrieb und in den einzelnen Teams zu erfassen. Es sollte darüber hinaus beobachtet und prognostiziert werden, wie sich diese Strukturen verändern, um rechtzeitig darauf reagieren und langfristig planen zu können. Eine Maßnahme könnte sein: Bei Stellenausschreibungen konkret darauf hinweisen, dass unternehmerisch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis angestrebt wird. 3. Personalmanagement: Hierbei geht es um die Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität und der positiven Darstellung des Berufsfeldes Pflege. Das gezielte Schaffen nachhaltiger Arbeitsbedingungen, welche sich an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientieren, steht an erster Stelle. Um speziell Männer für den Pflegeberuf zu gewinnen und darin zu halten, ist es wichtig, ihnen spezifische und individuelle Perspektiven zu schaffen. Dabei kann es sich um Fortbildungen oder bestimmte Verantwortungen handeln. Konzepte der Arbeitsorganisation, wie New Work, Arbeitszeitmodelle und weitere Aspekte sind Themen, an denen auch die Pflegewirtschaft nicht mehr vorbeikommt. Außerdem ist der Abbau von Hierarchien zwischen den Berufsgruppen für die Gleichwertigkeit im Berufsfeld Pflege entscheidend. Besonders im klinischen Setting haben sich starke Hierarchien etabliert, die in komplexe strukturelle Abläufe eingebunden sind, weshalb der Abbau von Hierarchien oft ein langfristiger Prozess ist. Der Verein Gesundheitswirtschaft Nordwest e.V. hat mit momedocare den Blick auf noch nicht ausreichend vorhandene Strukturen gelenkt. Viele Schritte können von Pflegeunternehmen selbst bewältigt werden. Es braucht zudem gesetzliche Änderungen und einen finanziellen Rahmen, der Pflegeunternehmen und Pflegenden mehr Handlungsraum und Verantwortungsübernahme einräumt. Kontakt zur Autorin/zum Autor Hannah Burgmeier, Projektmanagerin, office@gwnw.de Merlin Wenzel, Projektleiter, Kontakt: kontakt@merlin-wenzel.de

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