Interview mit Prof. Dr. Jochen A. Werner Smart und nachhaltig

Am Universitätsklinikum Essen spielt Nachhaltigkeit eine ebenso wichtige Rolle wie Digitalisierung. Der Vorstandsvorsitzende Prof. Werner erklärt, warum das Smart Hospital nicht ohne den ökologischen Gedanken funktionieren kann und wie es gelingt, beides zu kombinieren.Prof. Dr. Jochen A. Werner bringt Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen.Der Energieverbrauch eines einzelnen Krankenhausbettes entspricht dem von bis zu vier Einfamilienhäusern. Am Universitätsklinikum Essen (UK Essen) werden am Tag 8,5 Tonnen Megawattstunden (MWh) Strom verbraucht, das sind 50.000 MWh pro Jahr. Zu viel, findet das Management am UK Essen, allen voran Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender. Er ist nicht nur engangiert in der Nachhaltigkeitsinitiative der Einrichtung, er ist auch einer der bekanntesten Digitalisierer der deutschen Healthcare-Branche. Zwei Themen – Digitalisierung und Nachhaltigkeit – die unbedingt zusammen gedacht werden müssen. Im Interview mit HCM erklärt Werner warum. Herr Prof. Werner, auf dem Smart Hospital Excellence Forum im Oktober in Frankfurt am Main haben Sie gesagt, ein nächster Schritt im Smart Hospital ist der Transformationsprozess zum Green Hospital. Warum? Werner: Derzeit existiert noch keine einheitliche Strategie, um unsere Gesundheitsversorgung nachhaltiger zu gestalten. Daher ist aktuell jedes Krankenhaus gefordert, einen eigenen Weg zu gehen. Das haben wir gemacht. Warum ist das notwendig? Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele. Als Krankenhaus, das an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden zur Verfügung stehen muss, benötigen wir viel Energie. Unser ständiger 24-Stunden-Betrieb sorgt schon allein durch Beleuchtung und Heizung für einen hohen Energieverbrauch. Hinzu kommen geräteintensive Bereiche wie Operationssäle und Intensivstationen. Wir verbrauchen an der Universitätsmedizin Essen mehr als 50 000 MWh Strom pro Jahr. Das ist mehr als 10.000 Einfamilienhäuser und damit eine Kleinstadt. Allein durch die Umstellung auf Ökostrom werden wir mehrere Tausend Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Was bedeutet es fürs Krankenhausmanagement, sich digital und nachhaltig zu engagieren? Werner: Wir haben verstanden: Nur in einer intakten Umwelt können Menschen gesund leben. Klimaschutz ist auch aktiver Gesundheitsschutz. Wir sind ein Gesundheitsunternehmen. Insofern sollte nachhaltiges Engagement Teil unseres Unternehmenszwecks sein. Das ehemalige Zukunftsthema ist längst in der Gegenwart angekommen. An der Unimedizin Essen haben Sie 2020 die Nachhaltigkeitsinitiative gestartet. Wie gehen Sie das Thema Nachhaltigkeit im Rahmen dieser Initiative konkret an? Werner: Grundlage unserer Nachhaltigkeitsinitiative sind die Benennung eines Klimamanagers, einer Arbeitsgruppe „Team Green“ sowie von 130 Nachhaltigkeitsbeauftragten in jeder Abteilung des Krankenhauses. Mit deren Unterstützung diffundiert die wichtige Thematik ins Unternehmen und zu damit jedem unserer 10.000 Mitarbeitenden. Ohne das Engagement und die Kreativität von Beschäftigten kommen wir nicht weiter. Der hohe Energieverbrauch digitaler Technologien steht immer wieder in der Kritik. Einer der Ansatzpunkte Ihrer Nachhaltigkeitsinitiative ist auch das Thema „Green IT“. Was haben Sie hier gezielt umgesetzt? Werner: Wir sind in dem Bereich im ständigen engen Austausch mit unserer zentralen IT. Wir haben ein vergleichsweise neues Rechenzentrum, das schon mit Blick auf einzelne Aspekte der Nachhaltigkeit geplant und gebaut wurde. Wir achten bei Neuanschaffungen von Hardware zudem verstärkt auf die Energiebilanzen. Die Green IT, bei der auch Sicherheit und Datenschutz berücksichtigt werden müssen, ist ein weites Feld. Was und wen braucht es für erfolgreiche Nachhaltigkeit? Werner: Man muss die Menschen mitnehmen. Veränderung bedeutet immer Aufwand, der einzelne Mensch muss raus aus seiner Komfortzone kommen. Wir bemerken allerdings, dass bei Umwelt und Nachhaltigkeit eine hohe Grundbereitschaft, sich einzubringen, da ist, weil den Betroffenen die gesellschaftliche Dimension ihres Handelns bewusst ist. Und sie haben ja einen Nutzen: Wir bieten z.B. ein vergünstigtes Firmenticket an und schaffen zusätzliche Parkmöglichkeiten zur Förderung des Fahrrads als Verkehrsmittel. Wir fördern die Biodiversität, haben mehrere Wildblumenwiesen auf Dächern und Bodenflächen angelegt. Daran erfreuen sich unsere Mitarbeitenden. Wie kommunizieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsstrategie und bereiten Mitarbeitende konkret auf Veränderungen vor? Werner: Über unseren Klimamanager. Das erwähnte „Team Green“ und die 130 Nachhaltigkeitsbeauftragten informieren wir regelmäßig über die Aktivitäten und Entwicklungen im Green-Hospital-Bereich. Dazu nutzen wir die interne und externe Kommunikation oder Social Media. Die Mitarbeitenden lesen, sehen und erleben, wie wir mit kleinen und großen Schritten vorankommen und nachhaltiger werden. Inwiefern haben sich Prozesse, geändert, seit Sie die Nachhaltigkeitsinitiative gestartet haben? Werner: Prozesse und Abläufe ändern sich bei uns ständig, weil wir immer besser werden wollen. Das gilt für die Nachhaltigkeit und damit in Beschaffung, Abfallwirtschaft, Mobilität, Logistik und Speisenversorgung. Seit 2015 entwickeln wir uns zum Smart Hospital, optimieren und digitalisieren sukzessive Prozesse. Das ist der erste Schritt hin zu einem nachhaltigen Krankenhaus. Dabei ist es für viele Mitarbeitende tatsächlich noch überraschend, dass das individuelle Verhalten eine entscheidende Rolle spielt. Allein dadurch, dass sie ökologisch handeln und ihre routinemäßigen Abläufe verändern, lassen sich Energie und CO2 einsparen. Wir sprechen also von vielen, vielen kleinen Steps. Wie können Einrichtungen Digitalisierung und Nachhaltigkeit angehen? Werner: Jedes Krankenhaus muss da seinen eigenen Weg und sein eigenes Tempo finden. Grundsätzlich geben die Nationale Klimaschutzinitiative für Krankenhäuser und Reha-Kliniken (KLIK green) und das vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. vergebene Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“ gute Anregungen. Ganz wichtig ist aus meiner Sicht, Verständnis bei den Mitarbeitenden zu schaffen, sie zu sensibilisieren und einzubinden. Wie profitieren Einrichtungen von gelebter Nachhaltigkeit? Werner: Wir profitieren davon auf mehreren Ebenen. Umwelt und Nachhaltigkeit gehören zu den wichtigsten gesellschaftlichen Themen des 21. Jahrhunderts. Wir haben nur eine Erde. Und wir können dazu beitragen, sie zu schützen. Die Optimierung von Prozessen u.a. durch Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit wird uns als Krankenhäuser nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch besser aufstellen. Natürlich verursacht eine Umstellung erst mal Kosten. Das klimafreundliche Krankenhaus gibt es nicht zum Nulltarif. Es gibt aber einen „Return on Investment“, der sich an betriebswirtschaftlichen Parametern und klimarelevanten Einsparungen festmachen lässt. Der Bund hat das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Was bedeutet das für den Healthcare-Sektor in Deutschland? Werner: Wir haben uns in der Gesundheitsversorgung lange darauf ausgeruht, unsere gesellschaftliche Legitimation v.a. daraus zu ziehen, Gutes zu tun, indem wir kranken Menschen dabei helfen, wieder gesund zu werden. Dabei haben wir übersehen, dass Klimaschutz auch praktizierter Gesundheitsschutz ist. Angesichts der Klimasituation und der Tatsache, dass es eben auch die Gesundheitsbranche ist, die zu den weltweiten CO2-Emissionen beiträgt, ist das für mich ein alternativloser Transformationsprozess. Und konkrete Vorgaben helfen uns dabei, die Ziele auch zu erreichen. Die Fragen stellte Bettina Kleinsteuber. "Prozessoptimierung durch Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit wird uns als Krankenhäuser (...) auch ökonomisch besser aufstellen." Prof. Jochen A. Werner

Interview mit Prof. Dr. Jochen A. Werner Smart und nachhaltig

Reimbursement im Überblick

Digitale Gesundheit von A bis Z

Themenwelt Pflege: Alles im Blick

Kostenloser Newsletter