Digitalisierung und Klinikmarkt
Wie kann das Entlassmanagement in Krankenhäusern digitalisiert werden und worauf kommt es an, damit Prozesse so vereinfacht werden, dass Mitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten merklich davon profitieren? Es braucht einen sektorenübergreifenden digitalen Datenfluss. T-Systems und Recare berichten, wie es gelingt und HCM fragt nach, was das für Kliniken bedeutet.

Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bietet Chancen, setzt Krankenhäuser aber unter Zugzwang, bis Ende 2024 eine moderne digitale Versorgungsstruktur zu schaffen und möglichst effiziente Prozesse zu etablieren. Das Zusammenspiel von Technologie über Sektorengrenzen hinweg und der Austausch strukturierter Daten über international standardisierte Schnittstellen spielen eine große Rolle. Am Beispiel des Entlassmanagements bedeutet das: Rund 20 Prozent der Patientinnen und Patienten in Deutschland benötigen nach dem Krankenhausaufenthalt eine medizinische, rehabilitative oder pflegerische Nachversorgung. Die Organisation des Übergangs in die Nachversorgung findet nach wie vor in den meisten Fällen per Telefon oder Fax statt. Fachkräfte geben Daten unnötigerweise doppelt in verschiedene Systeme ein. Viel schlimmer aber: Auch Patientinnen und Patienten müssen ihre Krankheitsgeschichte oft wiederholen, weil Prozesse nicht digitalisiert oder die Technologien nicht aufeinander abgestimmt sind.
Vereinte Kräfte für die digitale Transformation
Strategische Partnerschaften zwischen Lösungsanbietern ermöglichen den Zugang zu medienbruchfreien Lösungen und überwinden technologische Hürden.
Das Entlassmanagement ist u.a. aufgrund der vielen Beteiligten, der Vorschriften über die Reihenfolge der Kommunikation und der verpflichtenden Dokumentation sehr komplex. Beim Übergang vom Krankenhaus in die ambulante oder stationäre Pflege, einen Reha-Aufenthalt oder bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ist die gemeinsame Nutzung einmal erhobener Patientendaten und der fehlerfreie Datenaustausch zwischen Krankenhausinformationssytemen (KIS) und der Entlassmanagement-Software essenziell.
Das setzen Telekom und Recare gemeinsam um. Das Telekom-KIS iMedOne berücksichtigt bereits bei der Patientenaufnahme alle Parameter, die für die Entlassung wesentlich sind. Die Entlassmanagement-Plattform von Recare ist ein „Marktplatz“, auf dem Krankenhäuser potenzielle Nachversorger aus allen Leistungsbereichen finden und Kapazitäten buchen können.
Digitaler Datenfluss über Sektorengrenzen hinweg
Die Recare-Software kann auf alle für den Entlassprozess relevanten Daten und Dokumente im Telekom-KIS zugreifen. Brauchen Patienten und Patientinnen z.B. eine Nachversorgung im Reha-Bereich, starten Krankenhäuser über die Entlassmanagement-Plattform eine Versorgungsanfrage an einzelne oder alle geeigneten Einrichtungen im Umkreis. Statt zu telefonieren, faxen oder Patientenakten zu versenden, reichen wenige Klicks, um die Anschlussversorgung zu organisieren.
Durch die Abstimmung der Technologien entfallen administrative Arbeiten und das Gesundheitspersonal kann sich auf andere Aufgaben als die Dokumentation konzentrieren. Auch Patient*innen profitieren hiervon – z.B., weil in vielen Fällen eine schnellere Entlassung ermöglicht wird.
Brüche in der Kommunikation vermeiden
Die Integration der beiden Systeme ermöglicht es, die Patientinnen und Patienten während der gesamten Krankenversorgung zu begleiten und Informationen lückenlos zu dokumentieren: von der Aufnahme im Krankenhaus über den Behandlungszeitraum bis zur Entlassung. So entstehen weder ein Bruch in der Kommunikation, noch unnötige Wartezeiten.
Zusätzlich minimiert die strukturierte Übernahme von Daten und Dokumenten aus dem KIS in die Entlassmanagement-Plattform Fehler, die bei der händischen Übertragung von Daten im hektischen Klinik- und Pflegealltag passieren. Sofern Primärsysteme von nachgelagerten Leistungserbringern angeschlossen sind, können Daten und Dokumente aus dem KIS medienbruchfrei übertragen werden.
Kosten durch optimierte Verweildauer senken
Zusätzlich ergibt sich durch ein interoperables, digitales Entlassmanagement ein finanzielles Einsparpotenzial. Dieser Faktor ist insbesondere angesichts einer zunehmenden Ambulantisierung, der Energiekrise und der Inflation von großer Bedeutung. Nahezu jedes Krankenhaus hat ein erhebliches Einsparpotenzial bei der Verweildauer von Patientinnen und Patienten, die in die Nachversorgung übergehen können. Um diesen Prozess noch effizienter zu gestalten, entwickelt Recare ein Dashboard, über das Krankenhäuser die Verweildauer in Entlassmanagement-Prozessen tracken, steuern und benchmarken können. Das Beispiel der strategischen Partnerschaft im Entlassmanagement zeigt, wie das Potenzial einer einzelnen technischen Lösung durch Integration in weitere Systeme optimiert werden kann. Gesundheit muss ganzheitlich gedacht werden. Das gilt sowohl für Menschen, als auch für die Technologien, mit denen wir im Gesundheitssystem agieren. Nur wenn diese interoperabel sind, wird ein echter Mehrwert für das gesamte Gesundheitswesen geschaffen.
Wie sieht die Umsetzung im Klinikalltag aus? HCM fragt nach
Wie sorgen Recare und T-Systems ganz konkret anhand eines Beispiels aus dem Klinikalltag für eine medienbruchfreie Entlassung, von der Patientinnen und Patienten profitieren?
Greschke: Zumeist steuern Mitarbeitende aus den Sozialdiensten die Entlassmanagement-Prozesse. Medienbruchfrei bedeutet für sie, dass sie die Plattform über ihren Browser öffnen, mit wenigen Klicks alle relevanten Daten aus dem KIS ziehen und dann eine Anfrage an alle gewünschten Nachversorger auf einmal schicken können. Noch medienbruchfreier wird der Prozess allerdings, wenn die Primärsysteme von Nachversorgern an unsere Plattform angebunden sind. Dann ist sogar eine nahtlose Datenübertragung vom Anfang bis zum Ende möglich, ohne dass Prozessbeteiligte Daten händisch eingeben müssen.
Ludewig: Wir reduzieren den Mehraufwand und die Komplexität durch den digitalen Prozess sehr deutlich. Damit entlasten wir sowohl Patientinnen und Patienten als auch Pflegekräfte und die Ärzteschaft, die nicht nur in den Pandemiejahren weit über ihre Grenzen gehen mussten. Patientinnen und Patienten müssen zum Beispiel nicht mehrfach Angaben zu ihrem Krankheitsverlauf machen. Zudem kann die Nachversorgung viel individueller und reibungsloser organisiert werden.
Was müssen Krankenhäuser tun, um das Potenzial der Systemkombination vollumfänglich nutzen zu können?
Ludewig: Wenn unser KIS iMedOne bereits genutzt wird, sollten die Verantwortlichen auf ihre bekannten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zugehen und fragen, welche Möglichkeiten es gibt. Dabei sind sowohl technische Faktoren als auch die Ausgestaltung des Vertrages zu beachten. Wer ohnehin überlegt, sein KIS zu wechseln, hat jetzt einen Grund mehr, mit uns zu sprechen.
Greschke: Dasselbe gilt umgekehrt: Wer bereits unsere Entlassmanagement-Plattform nutzt, aber nicht das Telekom-KIS, sollte einfach mit beiden Unternehmen sprechen, wie eine Lösung aussehen kann. Bei wem die Ausschreibung des Fördertatbestands 2 noch aussteht, kann natürlich so oder so auf unsere Plattform setzen.
Welche beziehungsweise wie viele Einrichtungen setzen bereits auf die Lösung?
Ludewig: Beide Unternehmen haben bereits vor der strategischen Partnerschaft zusammengearbeitet und Erfahrungen in der Umsetzung von gemeinsamen Projekten gesammelt. Wir haben unlängst einen langfristigen Vertrag mit zwölf Knappschaftskliniken geschlossen, die die Gemeinschaftslösung einsetzen. Die Resonanz ist sehr positiv. Wir stehen zudem in aussichtsreichen Gesprächen mit weiteren Kliniken.
Greschke: Das Zusammenspiel der Systeme haben wir außerdem bereits vor der Partnerschaft bei einigen weiteren Krankenhäusern wie dem Klinikum Dortmund oder dem Klinikum Bielefeld erprobt. Wenn man so will, ist die Partnerschaft die konsequente Weiterführung einiger erfolgreicher gemeinsamer Projekte.
Die Fragen stellte Bianca Flachenecker.
Kontakt zu den Autoren
- Dr. Gottfried Ludewig, Senior Vice President Health Industry T-Systems International
- Maximilian Greschke, Co-Founder und CEO Recare