Hochwasser Schäden in Millionenhöhe

Die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat auch einige Kliniken und Pflegeheime schwer getroffen. Sie mussten evakuiert, Patientinnen und Patienten sowie Bewohnende verlegt werden. In vielen Krankenhäusern fiel der Strom aus. Die Aufräumarbeiten dauern an.Zerborstene Fenster, kniehoher Schlamm, ein vier Tonnen schwerer MRT liegt aus seiner Halterung gerissen auf der Seite: So oder so ähnlich sah es nach dem 13. und 14. Juli 2021 in einigen Einrichtungen nach dem Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aus. Das St. Antonius Hospital (SAH) in Eschweiler hat es besonders hart getroffen. Wie ein Pressesprecher des Hauses mitteilte, wurde dort bereits am 14. Juli der kleine Krisenstab einberufen, nachdem der Pegel des Flusses Inde deutlich angestiegen war. Basis der Besprechung war ein Hochwassergutachten, das das SAH bereits vor einigen Jahren in Auftrag gegeben hatte. Entsprechend diesem Gutachten wurden ein Schutzwall und mehrere Spundwände an neuralgischen Stellen des SAH errichtet. Der Krisenstab wurde mit dem steigenden Wasserpegel stündlich erweitert, so z.B. um den Leiter des Rettungsdienststandortes Eschweiler. Freigestelltes Pflegepersonal wurde im Rahmen der Notsituation hinzugezogen, Patienten und Patientinnen in kritischem Zustand aus den Überwachungsbereichen wurden vorsorglich auf Stationen mit höherer Personalstärke verlegt. Zur Versorgung der Intensivstation wurden drei Notstromaggregate der Feuerwehr eingesetzt. Für Lukas Ritgens, der als Organisatorischer Leiter Rettungsdienst vom Krisenstab der Städteregion Aachen entsandt wurde, gab es bald nur noch eine Möglichkeit: „Wir mussten über eine Evakuierung nachdenken.“ Der Höchststand der Inde war am 15. Juli 2021 mit 373,5 cm erreicht, das Haus wurde um 3.30 Uhr evakuiert, das Gebäude von einer Flutwelle verwüstet. Sogar die T90-Feuerschutztüren wurden zum Teil aus den Mauern gerissen oder die Türrahmen brachen einfach durch. Am Klinikum Leverkusen waren einige Gebäudeteile ohne Strom- und Wasserversorgung. Pflegeheime im EpizentrumAuch Pflegeheime wurden hart getroffen. So musste z. B. das Seniorenzentrum des Marien-Hospitals in Euskirchen evakuiert werden. Keller und Erdgeschoss des Hauses wurden überflutet, der Strom fiel aus. Insgesamt wurden 80 Bewohnende in andere Einrichtungen vermittelt oder von Familienangehörigen aufgenommen. „Das Seniorenzentrum befand sich sozusagen im Epizentrum des Desasters“, sagt Marien-Hospital-Geschäftsführer Andreas Schultz. Notfall- und AlarmpläneDie Krankenhäuser sind von den Bundesländern verpflichtet, Einsatz- und Alarmpläne zur Vorsorgeplanung für die gesundheitliche Versorgung bei Großschadensereignissen aufzustellen und mit den zuständigen Gefahrenabwehrbehörden (Rettungsdienst, untere Gesundheitsbehörde) abzustimmen. Die Krankenhäuser sorgen nach gesetzlichen Grundlagen durch innerorganisatorische Maßnahmen für Aufnahme und Behandlung einer größtmöglichen Zahl von Notfällen. Die Aufnahmekapazität sollte vorher im Rahmen der Vorsorgeplanungen festgelegt und dem Träger des Rettungsdienstes mitgeteilt werden. Das Land gibt damit die Rahmenbedingungen vor; die konkreten Vorsorgepläne und ihre Umsetzung unterscheiden sich je nach Einrichtung und Region. Das A und O war an dieser Stelle die enge Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Behörden und anderen Gesundheitseinrichtungen sowie regionalen Krisenstäben, was Berichten zufolge im Falle des SAH Eschweiler reibungslos ablief. DKG für unbürokratische HilfeGerade die Krankenhäuser, die von der Flut besonders hart getroffen wurden, benötigen laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nun schnelle finanzielle Unterstützung. Aber auch die weniger betroffenen Kliniken, die im Zuge der Evakuierungen zu Behandelnde aufnehmen mussten, leiden unter den Mehrbelastungen. Ziel müsse es laut der DKG sein, den Krankenhäusern die Sorge um den finanziellen und wirtschaftlichen Aspekt abzunehmen, damit diese sich voll und ganz auf die medizinische Versorgung konzentrieren könnten. Essenziell sei dabei Kulanz bei bürokratischen Notwendigkeiten und fristgebundenen Meldepflichten, wie bei den G-BA-Qualitätsprüfungen. Gerade für schwer betroffene Kliniken, die den regulären Betrieb vorerst nicht wieder aufnehmen können, fordert die DKG finanzielle Unterstützung in Form von Ausgleichszahlungen. Diese sollen aus dem angekündigten Rettungsfond des Bundes und der Länder gespeist werden. Zurzeit warten die Kliniken noch darauf. Spenden und WiederaufbauIm besonders betroffenen Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler kamen nach sechs Tagen bereits 70.000 Euro an Spenden für Mitarbeitende in Not zusammen, die von der ansässigen Marienhaus-Gruppe und deren Stiftung auf 140.000 Euro verdoppelt wurden. Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), erklärte gegenüber der Presse: „Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen sehr viele zuletzt ihre ganze Energie in die Bewältigung der Corona-Pandemie gesteckt haben, hat dieser unerwartete Ernstfall eine enorme Kraftanstrengung gefordert. Ihnen gilt unsere Anerkennung, genauso unsere Anteilnahme. Denn viele waren selbst vom Hochwasser betroffen.“ Aus der Krise lernenDer Schaden im SAH in Eschweiler wird aktuell auf mehr als 50 Millionen Euro geschätzt, eine Gebäudefläche von 5.500 Quadratmetern muss kernsaniert werden. Der Schaden am Klinikum Leverkusen wird in ersten Schätzungen mit 40 Millionen Euro beziffert. Insgesamt sind laut Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) in Nordrhein-Westfalen 68 Kliniken vom Hochwasser betroffen. Teilweise konnten die betroffenen Einrichtungen den Betrieb Stand Mitte August wieder aufnehmen. Doch die Aufräumarbeiten wie die Reparatur der Stromversorgung, Versorgungsanlagen und IT dauern weiter an. Am Klinikum Leverkusen sollen die vom Wasser zerstörten Notstromaggregate z.B. nicht am gleichen Standort erneuert werden. Man will aus der Krise lernen und die Möglichkeiten des Wiederaufbaus nutzen, um beim nächsten Unwetter besser vorbereitet zu sein.Ilka Becirevic