Krankenhausreform Revolution oder Kompromiss? Jetzt haben es die Länder in der Hand

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Die Krankenhausreform war das bestimmende Thema des ersten halben Jahres. Das Eckpunktepapier steht und die Experten und Expertinnen diskutieren, ob es nun die große Revolution oder doch nur ein Kompromiss mit kleinen Fortschritten wird. Eine Einschätzung über das Potenzial der Reform.

Krankenhausreform Level 1i Häuser
Potenzielle Verteilung von Level-1i-Krankenhäusern (blaue Markierungen) nach der Krankenhausreform. – © BinDoc GmbH

Mit dem Eckpunktepapier wurde ein großer Meilenstein erreicht, so ließ es das Bundesgesundheitsministerium am 10. Juli 2023 verlauten. In der Tat war und ist es eine Mammutaufgabe eine große Reform im Gesundheitswesen voranzubringen, weil sehr viele unterschiedliche Interessen vieler Stakeholder unter einen Hut gebracht werden müssen. Einige Experten und Expertinnen kommentierten, dass das Eckpunktepapier zu viele Kompromisse beinhaltet und die Revolution der Gesundheitsversorgung aus bleiben wird.

Drei zentrale Aufgaben der Länder

Sieht man sich die Ergebnisse einmal genauer an, steckt doch enormes Potenzial in dem Eckpunktepapier. Neben den Kliniken werden die Bundesländer im Fokus der Reform stehen. Den Ländern kommen hierbei drei zentrale Aufgaben zu, die über die Revolution der Reform entscheiden können.

  1. Zuweisung der Leistungsgruppen und Vorhaltebudgets
  2. Zuweisung von Level-1i-Krankenhäusern
  3. Investitionsfinanzierung

1. Zuweisung von Leistungsgruppen und Vorhaltebudgets

Die erste zentrale Aufgabe wird die Zuweisung der Leistungsgruppen und damit auch Vorhaltevergütungen im Rahmen der Krankenhausplanung darstellen. Die Vorhaltebudgets können zu einer deutlichen Veränderung im Markt führen. Hierbei erfolgt eine Umverteilung der bislang ausschließlich leistungsorientierten Vergütung hin zu einer Leistungs- und Vorhaltevergütung. Konkret werden die Vorhaltebudgets mit sogenannten Leistungsgruppen verbunden, sodass Kliniken für die Bereitstellung von Infrastruktur und Personal Finanzmittel erhalten.

Dabei gilt: Die Vorhaltebudgets pro Leistungsgruppe werden umso höher, je weniger Kliniken einer Leistungsgruppe zugeordnet werden. Der Anreiz der Länder wird demzufolge sein, möglichst gut zu kalkulieren, wie viele Krankenhäuser für eine Leistungsgruppe notwendig sind, um eine wohnortnahe Versorgung sicherstellen zu können. Diese Aufgabe können die Länder gut erfüllen, wenn sie die Versorgungslandschaft, Versorgungsbedarfe und Fahrzeiten akribisch analysieren.

2. Zuweisung von Level-1i-Krankenhäusern

Die wohl bedeutendste Aufgabe der Länder wird die Zuweisung von Level-1i-Krankenhäusern sein, denen laut Eckpunktepapier „… eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung zukommt“.

In der Tat könnten Level-1i-Krankenhäuser ein vollständig neues Versorgungsangebot für Patienten und Patientinnen eröffnen (s. Abbildung oben „Potenzielle Verteilung von Level-1i-Krankenhäusern“). In Summe könnten zwischen 300 bis 500 Kliniken in Level-1i-Krankenhäuser transformiert werden, was eine deutliche Veränderung der Angebotslandschaft in Deutschland darstellen würde. Eine entscheidende Komponente einer gelungenen Transformation wird die Vergütung der Leistungen sein. Hier ist der Plan, dass nach einer Übergangsphase, in der dieselbe Vergütungssystematik wie für andere Krankenhäuser gilt, individuelle Tagessätze mit den Vertragsparteien verhandelt werden.

Im Eckpunktepapier ist explizit erwähnt, dass die Tagessätze „wirtschaftlich auskömmlich“ sein sollen. Das ist wichtig, um einen ausreichenden Anreiz zur Transformation zu schaffen. Darüber hinaus sollen Level-1i-Krankenhäuser auch eine Investitionsfinanzierung erhalten.

Mit der Transformation von klassischen Krankenhäusern in Level-1i-Krankenhäuser steht und fällt die Bedeutung die Reform. Hier sind die Länder gefragt zunächst die Versorgungsbedarfe und die Leistungsangebote der Kliniken intensiv zu analysieren, um dann mutige Entscheidungen zu treffen. Hierzu gehört auch die Patientenwanderung nach der Transformation eines Krankenhauses zu einem Level-1i-Krankenhaus zu berücksichtigen und zu analysieren.

Erreichen die Patientinnen und Patienten die notwendigen Notfallversorgungseinheiten noch in angemessener Zeit? Wo wandern die Menschen hin, wenn eine Klinik das Leistungsspektrum stark verändert? Sind die umliegenden Kliniken auf die höheren Fallzahlen vorbereitet? Diese und andere Fragen sollten im Mittelpunkt der Analysen der Planungsbehörden stehen. Wichtige Charakteristiken dieser Level-1i-Krankenhäuser und das potenzielle Leistungsspektrum sind in untenstehendem Kasten dargestellt.

Charakteristiken_Leistungen
Wesentliche Charakteristiken von Leve-1i-Krankenhäusern. – © BinDoc GmbH

3. Investitionsfinanzierung

Der dritte zentrale Punkt für das Gelingen einer Krankenhausreform, die positive Impulse auf die Versorgung entwickeln soll, ist die Investitionsfinanzierung. Die Länder haben die Krankenhausplanungshoheit und müssen im Rahmen der dualen Finanzierung die Investitionsfinanzierung schultern. Mit den neuen Instrumenten der Leistungsgruppen und einer deutlich reduzierten Anzahl von Krankenhäusern, die an der Notfallversorgung teilnehmen (Level-1i-Krankenhäuser) dürfte der Gesamtinvestitionsbedarf etwas zurückgehen. Das ist eine große Chance für die Bundesländer diesen Investitionsbedarf auskömmlich zu bedienen, um den Kliniken eine gute strukturelle Basis für die nächsten Jahre zu ermöglichen. Besonders die Level-1i-Krankenhäuser, die aufgrund ihres Leistungsspektrums deutlich weniger Investitionsbedarf haben, sollten ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung bekommen, sodass dieses hybride Modell zu einem Erfolgsmodell werden kann.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass schon aufgrund der Vorhaltevergütung und der Transformation von Krankenhäusern in Level-1i-Häuser großes Veränderungspotenzial in der Reform liegt. Die entscheidenden Akteure, um dieses Potenzial auch zu heben, sind jetzt die Bundesländer.

Kontakt zum Autor

Dr. univ./vites Manuel Heurich, CEO BinDoc GmbH, Kontakt: manuel.heurich@bindoc.de