Gutachten Resilienz im Gesundheitswesen

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Corona-Pandemie, Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege hat am 19. Januar das aktuelle Gutachten „Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen“ in einer Bundespressekonferenz vorgestellt. Wie krisenfest und nachhaltig ist unser Gesundheitssystem?

Resilienz Gesundheitssystem
Der Sachverständigenrat (SVR) Gesundheit und Pflege stellte sein Gutachten „Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen“ vor. – © Jokiewalker (stock.adobe.com)

Der Sachverständigenrat (SVR) nimmt in seinem neuen Gutachten die Krisenfestigkeit des deutschen Gesundheitssystems in den Blick. Er analysiert Stärken und Schwächen des Systems im Hinblick auf Krisen wie

  • Corona-Pandemie,
  • Krieg in Europa,
  • Hochwasser,
  • Waldbrände und
  • Hitzewellen als Folgen des Klimawandels,
  • unterbrochene Lieferketten,
  • Energieknappheit

und gibt Empfehlungen, wie seine Widerstands- und Erneuerungsfähigkeit – seine „Resilienz“ – gestärkt werden kann.

Gesundheitssystem nicht gut gewappnet für Krisen

Aus den aktuellen Krisen seien bislang nicht die notwendigen Schlüsse gezogen worden. Was den Strukturwandel insbesondere in

  • Krankenhausversorgung und
  • Krisenvorbereitung

angehe, bestehe weniger ein Erkenntnis- als ein Daten- und Umsetzungsdefizit, betonte der SVR-Vorsitzender Prof. Dr. Ferdinand Gerlach.

Gerlach_Gutachten Resilienz Gesundheitssystem
Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege (SVR). – © Screenshot HCM/ https://www.youtube.com/@phoenix/streams

„Die bisherige Selbstwahrnehmung, dass in Deutschland alles gut organisiert ist und wir angesichts eines ausdifferenzierten Rettungs- und Gesundheitssystems bestens auch auf unvorhergesehene Entwicklungen vorbereitet sind, war und ist trügerisch. Unser Gesundheitssystem ist hochkomplex, ein behäbiges Schönwettersystem, das unter unzulänglicher Digitalisierung und einem formaljuristisch leerlaufenden Datenschutzverständnis leidet.“

Prof. Dr. Ferdinand Gerlach

Zugleich sei die Koordination zwischen Bund, Ländern und Landkreisen bzw. Kommunen unzureichend  – nicht nur im Krisenfall. Das Ergebnis ist häufig schlechter gewesen, als angesichts des hohen Mitteleinsatzes zu erwarten war. Das Gesundheitssystem sei weder auf Folgen des Klimawandels noch auf Pandemien ausreichend vorbereitet. Hier müsse dringend die Resilienz gestärkt werden.

Der Sachverständigenrat hebt hervor, dass es für viele Bereiche und Herausforderungen bereits gute Analysen und konkrete Konzepte zur Resilienzstärkung gibt, z.B.

  • Pandemie- oder
  • Hitzepläne.

Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitssystem nutzen

Ratsmitglied Prof. Dr. Petra Thürmann, klinische Pharmakologin und leitende Krankenhausärztin, betonte, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung umfassend genutzt werden müssen. Außerdem sollte verantwortliche Datennutzung zur Verbesserung der Versorgung und der epidemiologischen Lageanalyse vereinfacht sowie die Möglichkeiten der EU-Datenschutzgrundverordnung auch in Deutschland umgesetzt werden.

Thürmann_Gutachten Resilienz Gesundheitssystem
Prof. Dr. med. Petra Thürmann, Ratsmitglied, klinische Pharmakologin und leitende Krankenhausärztin. – © Screenshot HCM/ https://www.youtube.com/@phoenix/streams

„In der SARS-CoV-2-Pandemie war Deutschland weitgehend im Blindflug unterwegs. Bei den Verläufen und Folgen von Infektionen, Behandlungen und Impfungen mussten wir uns häufig auf wesentlich bessere Daten z.B. aus Dänemark oder Israel verlassen.“

Prof. Dr. Petra Thürmann

SVR empfiehlt „All-Gefahren-Ansatz“

Da krisenhafte Herausforderungen  nicht vorhersagbar sind, zeitgleich oder gehäuft auftreten können und oft viele Lebensbereiche gleichzeitig betreffen, empfiehlt der Rat einen All-Gefahren-Ansatz („all hazards“). Im Hinblick darauf, dass Gesundheit von vielen Bereichen wie

  • Umwelt,
  • Arbeit,
  • Wohnungs- und Städtebau,
  • Verkehr,
  • Wirtschaft und
  • Bildung

beeinflusst wird, fordert der Rat darüber hinaus, das übergreifende Prinzip Gesundheit in allen Politikbereichen („Health in All Policies“) zu stärken.

Um aufzuzeigen, wie das Gesundheitssystem und die Menschen, die in diesem System arbeiten, besser auf künftige Krisen vorbereitet werden können, beleuchtet der Sachverständigenrat einzelne Versorgungsbereiche:

  • den Öffentlichen Gesundheitsdienst,
  • die Akutversorgung und
  • die Langzeitpflege.

Untersucht werden zudem konkrete Strategien zur Stärkung von u.a.

  • Lieferketten,
  • zielgruppengerechte Kommunikation,
  • wissenschaftliche Politikberatung sowie
  • Verbesserung des akuten Krisenmanagements.

Im letzten Teil des Gutachtens „Resilienz im Gesundheitswesen“ werden diese Empfehlungen exemplarisch auf die absehbaren Herausforderungen des Gesundheitssystems durch Hitze und weitere Pandemien angewandt.
Das Gutachten wird dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet. Mit einem Klick hierauf gelangen Interessierte zum Gutachten.
Es wurde von der MWV Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft veröffentlicht.

Reimann zum SVR-Gutachten

„Wir teilen die Kritik des Sachverständigenrats, dass das deutsche Gesundheitswesen in vielen Bereichen nicht nachhaltig und krisenfest aufgestellt ist. Auch wenn Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist, hat die Pandemie wesentliche Schwachstellen offenbart. Dazu gehören unklare Zuständigkeiten, personelle Engpässe und ein Mangel an Datentransparenz. Das Gutachten des Sachverständigenrates enthält gute Ansätze, wie das System besser auf die Bewältigung von Krisensituationen vorbereitet werden kann. Und es weist an vielen Stellen auf Reformnotwendigkeiten hin, die schon seit Jahren bekannt sind. Wenn wir diese Baustellen endlich angehen, ist das ein wichtiger Beitrag zur Krisenresilienz des deutschen Gesundheitssystems“, erklärte Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. – © AOK-Mediendienst