Vergütungssystematik Regress nach „Pro-forma-Überweisungen“

Ein wichtiges Urteil für ermächtigte Krankenhausärzte und -träger hat das LSG Baden-Württemberg am 26. April 2017 (Aktenzeichen: L 5 KA 2448/15) gefällt. Gegenstand waren die Grenzen der Ermächtigung sowie der Vertrauensschutz und das Ermessen bei den (finanziell folgenreichen) Honorarrückforderungen nach Plausibilitätsprüfungen.Die Selbstüberweisung von Patienten durch den ermächtigten Krankenhaus-Chefarzt mittels Pro-forma-Überweisungsscheinen eines Dritten ist rechtswidrig und führt zu Regresspflicht.Kläger war der Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin eines Krankenhauses, der zudem die Zusatzbezeichnung „spezielle Schmerztherapie“ erworben hatte. Diesem war vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 durch den zuständigen Zulassungsausschuss die Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung erteilt, die im Wesentlichen die gebietsbezogene Schmerztherapie nach vorheriger Überweisung durch niedergelassene schmerztherapeutisch tätige Anästhesisten bzw. Vertragsärzte, die an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmen, beinhaltete. Im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung wurden die Quartale 1–3/2008 geprüft. Von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg wurde mit Bescheid vom 17. März 2014 das Honorar neu festgesetzt und der Chefarzt dazu verpflichtet, zu viel gezahltes Honorar in Höhe von 55.184,57 Euro – das war beinahe die gesamte Honorarsumme – zurückzuzahlen. Der gerichtliche SachverhaltDer Chefarzt hatte den Überweisungsvorbehalt in gewisser Form umgangen. Die Patienten haben die Behandlungen nicht, wie in der Ermächtigung festgelegt, auf Überweisung der im Überweisungsvorbehalt benannten Ärzte in Anspruch genommen. Vielmehr erfolgten teilweise gar keine Überweisungen bzw. Überweisungen durch nicht berechtigte Hausärzte. Diese Versicherten hatten beim Chefarzt bzw. ihrer Sekretärin die Versichertenkarte vorgelegt. Diese Daten wurden dann an einen niedergelassenen Orthopäden übermittelt, der nach der Formulierung des Gerichts „Pro-forma-Überweisungsscheine“ ausgestellt hatte, ohne die Patienten zu kennen. Im Übrigen gehörte auch der Orthopäde, der zwar die Zusatzbezeichnung „spezielle Schmerztherapie“ innehatte, nicht zu dem in der Ermächtigung genannten Überweiserkreis. Der Chefarzt erachtete sein Vorgehen aufgrund der Unterbesetzung der Schmerztherapie in der vertragsärztlichen Versorgung allerdings für „unkritisch“. Darüber hinaus habe er den Orthopäden für berechtigt gehalten. Die EntscheidungDas Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg bestätigte die Regressentscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung. Für das Verhalten des Chefarztes fand der Senat sehr deutliche Worte: Der Arzt habe keine Befugnis, „sie nach Maßgabe der eigenen Einschätzung der jeweiligen Bedarfslage zu befolgen oder – als bloße „Formalie“ – für unverbindlich zu erklären und unbeachtet zu lassen.“ Für die Beurteilung des Versorgungsbedarfs seien die zuständigen Gremien wie der Zulassungsausschuss verantwortlich. Der ermächtigte Arzt müsse die Regelungen der Ermächtigung befolgen. Streitig war in diesem Zusammenhang allerdings noch, ob der klagende Chefarzt Vertrauensschutzgründe geltend machen konnte, da der Bescheid erst am 17. März 2014, mithin also circa sechs Jahre nach der Abrechnung, erging. Die Vier-Jahres-Frist zur Korrektur von Honorarbescheiden war somit eigentlich überschritten. Allerdings ist eine Rücknahme der Honorarbescheide bei einem Ausschluss des Vertrauens nach § 45 Absatz 2 S. 3 i.V.m. Absatz 4 S. 1 SGB X auch später möglich. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg lehnte hier einen Vertrauensschutz ab, da der Chefarzt die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides kannte oder zumindest grob fahrlässig nicht kannte. Dem klagenden Arzt hätte klar sein müssen, dass „Pro-forma-Überweisungen“ nicht ausreichten, um dem Überweisungsvorbehalt zu genügen. Dies habe er offenkundig sogar gewusst. Änderungen der Ermächtigung hätte er beim Zulassungsausschuss beantragen müssen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) habe dabei auch nicht gegen die Pflicht verstoßen, bei der Rückforderung Ermessen walten zu lassen. Hier gehe § 106a SGB V a.F. (heute: § 106d SGB V) dem Anwendungsbereich des § 45 SGG X, der ein Ermessen vorsieht, als Spezialregelung vor. § 106a SGB V a.F. (heute: § 106d SGB V) beinhalte kein Ermessen. Fazit und AusblickGerade bei Ermächtigungen ist seitens der ermächtigten (Krankenhaus-)Ärzte peinlich genau darauf zu achten, dass die Voraussetzungen der Ermächtigung eingehalten werden. Ermächtigungen stehen aufgrund ihres Missbrauchspotenzials (z.B. durch nicht erfolgte persönliche Leistungserbringung des ermächtigten Arztes) ohnehin im Fokus der Prüfungsgremien. Im vorliegenden Fall kann man, wie das auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg andeutete, durch das eingestandene System der „Pro-forma-Überweisungen“ sogar Argumente für eine vorsätzliche Verletzung finden. Gerade dann drohen nicht nur disziplinarische, sondern insbesondere auch strafrechtliche Konsequenzen, da durch den vom BGH angewandten normativen Schadensbegriff trotz an sich erfolgter Behandlungsleistungen ein Abrechnungsbetrug gemäß § 263 StGB naheliegen könnte. Darüber hinaus fließen im Rahmen eines solchen Überweisungssystems im Regelfall zwischen den beteiligten Ärzten Gelder, wodurch mittlerweile auch eine Strafbarkeit durch die Verletzung der inzwischen geltenden Antikorruptionsvorschriften der §§ 299 ff. StGB naheliegt. Dies kann auch die Verantwortlichen des Krankenhausträgers betreffen, denn gemäß § 120 SGB V ist die Vergütungssystematik bei ermächtigten Krankenhausärzten involviert.

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