Zusammenhalt unter Frauen Räuberleiter oder Reiberei?

Frauen gelten als sozial und teamfähig, aber wenn es um Empowerment und Unterstützung untereinander geht, hält sich das Bild der missgünstigen und lästernden Kollegin. Ein Klischee? Warum Frauen miteinander streiten, wie sie Konflikte lösen und Frauenbeziehungen gelingen.Viele kletterten als Kinder auf Bäume – wer den ersten Ast nicht erreichte, machte die Räuberleiter mit einem Freund oder einer Freundin. Als Erwachsener gilt es, andere Wipfel zu erklimmen: Es sind neue berufliche Wege, Beziehungen zu Kollegen und Kolleginnen, Führungskräften oder Patienten und Patientinnen, die herausfordern. Viele wünschen sich auch hier jemand, der auf den „nächsten Ast“ hilft – sei es nur mental. Gerade unter Frauen bilden sich immer mehr solidarische und unterstützende Gemeinschaften (mehr dazu auf Seite 32 und 33), dennoch hält sich hartnäckig ein Frauenbild, das von Neid und Missgunst untereinander ausgeht. Doch ist da was dran? Dass sich Frauen stärker vernetzen, wünscht sich auch die Supervisorin und Coachin Petra Meyer: „Viele Frauen denken sie müssen nur fleißig sein, um voranzukommen. Das ist leider ein Irrweg. Berufliche, strategische Netzwerke sind sehr wichtig und erfolgreiche Frauen machen das bereits seit Jahren.“ Das beinhaltet nicht nur formale Netzwerke, es geht um den Blick über den eigenen Tellerrand (z.B. die eigene Station) hinaus und Offenheit für andere berufliche Situationen. Natürlich schließt das „sich zusammentun“ Konkurrenz nicht aus, aber „Konkurrenzverhalten hat viel mit gesellschaftlichen Rollenbildern zu tun“, erklärt die in Berlin lebende Coachin. „Frauen sind hier benachteiligt, weil der ‚Mainstream‘ von ihnen erwartet, nett, versöhnlich, bescheiden und fleißig zu sein.“ Nicht unbedingt hilfreich für gesunde Wettbewerbsfähigkeit und hier haben Männer in Sachen Streitkultur schon früh anderes gelernt. „Männer dürfen streiten, kämpfen, frech sein und sich messen. So lernen sie über die Jahre Niederlagen auch mal sportlich zu nehmen“, erklärt Meyer. Doch immer mehr Frauen distanzieren sich vom „zahmen“ Bild der Weiblichkeit. Viele Kundinnen von Meyer zeigen sich im Beruf immer kampfeslustiger: „Sie streiten auf der Sachebene, bereiten ihre Argumente gut vor, nehmen Niederlagen nicht mehr so persönlich, suchen – wenn möglich – nach Win-win-Situationen und sehen Streitfragen als Prozess.“ Und Anlässe für Diskussionen gibt es im Gesundheitswesen viele: Von ungerecht empfundenen Dienstplänen, sich von Informationen ausgeschlossen fühlen bis zum Umgangston. Themen, die manche Frauen auf die Beziehungsebene übertragen und so z.B. Störungen im Arbeitsablauf schneller persönlich nehmen. Das „Beziehungsohr“ hört mit Dass manchmal eine Abwertung ankommt, wo keine Abwertung stattfindet, kennt auch die ehemalige stellvertretende Stationsleitung Julia Pfannenstein: „Wir arbeiten im sozialen Bereich und viele Pflegende hören häufig mit dem ‚Beziehungsohr‘“, erklärt die Regensburgerin, „Das heißt, dass eine Information auf der Sachebene weitergegeben wird, aber beim Empfangenden auf der Beziehungsebene ankommt.“ Das erschwere die Zusammenarbeit im Alltag z.B. unter Frauen. Außerdem ist die Pflege eine Berufsgruppe, die häufig sehr defizit-orientiert arbeiten muss, z.B. bei der täglichen Dokumentation. „Wir suchen bei Patienten oft eher Negatives statt Positives zu sehen, um eine Behandlung überhaupt zu rechtfertigen. Diesen Blick überträgt man häufig auch auf andere Lebensbereiche, denn das Gehirn wird in gewisser Weise darauf konditioniert. Es kann sein, dass wir andere Menschen oder uns selbst dadurch eher in einem negativen Licht betrachten“, erklärt die seit Juli freiberufliche Coachin, Happiness- Trainerin und Yoga-Lehrerin. Die Rolle der WertschätzungAber gerade diese Wertschätzung für das Anderssein, für eine „andere“ Kompetenz des Gegenübers, stärkt berufliche Beziehungen – nicht nur unter Frauen. „Wenn wir lernen das Anderssein als Gewinn und Chance zu sehen, können wir selbst lernen und wachsen, statt abzuwerten“, findet auch Supervisorin Meyer. Und gerade unter Frauen wird Wertschätzung eher selten offen ausgesprochen. Doch der ehrliche Ausdruck von Respekt und Anerkennung könnte ein Gamechanger in vielen Frauenbeziehungen sein. Selbst wenn es nur kleine Gesten sind, sog. Random Acts of Kindness, wie Pfannenstein erklärt. Das können Gummibärchen sein, die eine Kollegin in die Teamrunde mitbringt, ein ehrliches Kompliment oder ein Lächeln. Diese positiven Kleinigkeiten können oft wellenartige Effekte auf andere Menschen auslösen und inspirieren es gleichzutun. Eine Frage der Teamkultur? Solche Aktionen stärken das Verbundenheitsgefühl von ganzen Teams. Führungskräfte können das mit einer offenen Kommunikation und Fehlerkultur zusätzlich unterstützen. In einem wertschätzenden Umfeld ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich „Lästerrunden“ bilden, die nicht nur von der Unternehmenskultur, sondern auch von individuellen Faktoren abhängen. Gerade Frauen wird nachgesagt, sie äußern sich oft negativ „hinter dem Rücken“ (ein Produkt der fehlenden, offenen Streitkultur?). Dennoch kann der Vorwurf nicht verallgemeinert werden, findet Pfannenstein: „Wer mit sich im Reinen ist, hat es nicht nötig andere Menschen abzuwerten.“ Sie sieht den Schlüssel für unterstützende Beziehungen mit anderen darin, zuerst die Beziehung zu sich selbst zu stärken – egal welchem Geschlecht oder welcher Berufsgruppe man angehört. Lästern bringt keinen weiterAuch die Supervisorin Meyer sieht im Entstehen von Lästerrunden oder Klagebündnissen ein Festhalten an negativen Denkmustern und rät zur klaren Abgrenzung: „Lästerrunden bringen Frauen überhaupt nicht weiter. Sie schaffen ein kurzfristiges Gefühl der Entlastung, da man sich über eine andere Person erhebt. Doch letztendlich verharrt man in negativen Denkmustern, die das eigene Lernen und sich Verändern ausschließen. Es ist gut sich davon abzugrenzen, auch wenn es oft gar nicht so einfach ist, denn es kann sein, dass man sich so angreifbar macht.“ Auch Mentoren oder Mentorinnen können Frauen gezielt dabei unterstützen, sich selbst im Job treu zu bleiben und ihr Wissen weitergeben. Wenn es um das gesellschaftliche Rollenbild der Frau geht, muss noch viel passieren, sind sich Meyer und Pfannenstein einig. Neben Female Empowerment braucht es auch Strukturen, die beide Geschlechter gleichsam fördern. Denn starke, fordernde und mal auf den Tisch hauende Frauen haben genug Kraft, um auch Anderen die Hand zur Hilfe zu reichen – oder eben für eine Räuberleiter. Sabrina Demmeler Impulse für Female Empowerment unter Frauen Netzwerke aufbauen: Wo finde ich Gleichgesinnte? Mentorin suchen: Wessen Rat schätze ich sehr? Wertschätzung ausdrücken: Wie kann ich anderen eine Freude machen? Gemeinsame Vision und Teamkultur schaffen: Welche Werte wollen wir vertreten und wie wollen wir zusammenarbeiten? Beziehung zu sich stärken: Wie kann ich meinen Selbstwert erkennen? Reflexion fördern: Wie kann mich Supervision oder Coaching stärken?

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