Versorgungsstrukturen Qualitativ bessere Versorgung durch Innovationswettbewerb

Wer sich verbessern möchte, braucht Innovationen - auch das Gesundheitssystem. Dafür bedarf es aber auch entsprechender Handlungsspielräume. Auch ein im internationalen Vergleich gutes Gesundheitssystem wie das deutsche bedarf der ständigen Verbesserung, um gut zu bleiben. Ein Schlüssel hierzu sind Innovationen. Dafür benötigen die Akteure im Gesundheitswesen ausreichende unternehmerische Vertrags- und Handlungsspielräume. Gerade aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen sind die Möglichkeiten für die Versorgungsgestaltung und -verträge aber auch heute noch rechtlich spürbar eingeengt. Der Weg vom Kostenträger zum Gestalter der Versorgungsstrukturen ist managementseitig eine „wahre“ Königsdiziplin. Dieser Weg ist inhaltlich komplex und organisatorisch anspruchsvoll. Darüber hinaus benötigt er risikobereite und veränderungswillige Entscheidungsträger, und dies nicht nur auf Seiten der Kassen, sondern auch seitens der Leistungserbringer. Die dafür erforderlichen Innovationen sind immer zugleich Investitionen. Eine Investition in Versorgungsgestaltung und -qualität zahlt sich für die Kassen in vielen Fällen aber erst Jahre später aus. Die Kosten fallen im umlagefinanzierten System sofort an und schlagen sich im schlechtesten Fall direkt in einer Preiserhöhung über den Zusatzbeitrag nieder. Vereinfacht könnte man sagen, die in die Versorgungszukunft investierenden Krankenkassen riskieren einen Wettbewerbsnachteil. Derjenige, der den ersten Schritt wagt, bekommt im Erfolgsfalle nicht den Pioniergewinn. Und selbst dann, wenn der Wille zur Veränderung da ist, bedarf es anpassungswilliger Leistungserbringer. Dies ist keine einfache Ausgangssituation für die Krankenkassen. Es gibt sieGleichwohl gibt es einige Beispiele für erfolgversprechende Versorgungsansätze. So gehört die AOK Baden-Württemberg mit ihrem Hausarztmodell und dem Initiieren der sogenannten Arzneimittelrabattverträge zweifelsfrei zu den innovativeren Krankenkassen in Deutschland. Es gibt weitere Beispiele aus dem Bereich der Krankenkassen, aber so viel Kreativität und Unternehmertum sind eben nicht die Regel. Hier müssen die Kostenträger in der Summe nachlegen, v.a. bei den flächendeckenden Ansätzen z.B. in der Telematik oder bei der Versorgung älterer Menschen. Allerdings bleibt zu berücksichtigen: Ohne managementfähige und auch managementwillige Leistungserbringer wird es schwierig. Das zeigt sich erkennbar am „gesunden Main-Kinzig-Tal“: Ein vorbildliches integriertes Versorgungsprojekt mit ökonomischer Gesamtverantwortung und umfänglicher Versorgungsverantwortung für die eingeschriebenen Versicherten, das in der Umsetzung genau an dieser akteursbedingten Nahtstelle leidet. Der gesetzlich neu eingeführte Innovationsfonds des Bundes ist sicherlich ein erster Schritt zur Innovationsförderung, allerdings zielt dieser eher auf Änderungen im Kollektivsystem. Wettbewerbskonformer wäre die Erhöhung individueller Anreize für Versorgungsinnovationen. Dabei sollte der Pionier Risikokapital einsammeln dürfen und für seinen Mut belohnt werden. In einem möglichen zweiten Reformschritt könnte man daher beispielsweise Innovationsprämien innerhalb der GKV über den RSA organisieren oder auch den Krankenkassen die Möglichkeit geben, mit privaten Kapitalgebern stärker zu kooperieren. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen innerhalb des GBA ist es nicht auszuschließen, dass Innovationen nicht schnell genug diffundieren können. Der mangelnde Fortschritt bei der Umsetzung der fachärztlichen Versorgung spricht hier Bände. Nutzenbewertungen von Medizinprodukten werden denn auch vielfältig institutionell erschwert. Für Innovationen sind mehr Dezentralität und Individualität erforderlich! Innovationen sind das Resultat kreativer Ideen und risikobereiter Entscheidungsträger. Das GKV-System belohnt aber derzeit eindeutig den vorsichtigen, kostenoptimierenden und einnahmesteuernden Kaufmann und nicht den kreativen, unternehmerischen Gesundheitspionier. Das ist für die kurzfristige wirtschaftliche Stabilität des Gesundheitssystems sicherlich nicht per se nachteilig, fördert aber unzureichend den Innovationswettbewerb um die qualitativ beste Versorgung. Auch der zweifelsfrei gut gemeinte Innovationsfonds überbrückt nicht diese Kluft! Prof. Dr. Wilfried Boroch und Prof. Dr. Hans-Joachim Flocke, beide FOM Hochschule, Essen

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