Digitalisierung
Künstliche Intelligenz (KI) kann Pflege- und Klinikpersonal an vielen Stellen unter die Arme greifen, Freiräume für Kerntätigkeiten schaffen – auch in der OP- und Sterilgutaufbereitung. Die Asklepios Klinik Nord setzt dabei z.B. auf ein intelligentes Material- bzw. Instrumententracking.
Gehören die Suche nach medizinischem Equipment oder Patientenbetten, das entsprechende Hin und Her zwischen Stationen und Abteilungen sowie ständige Kontrollgänge zu den typischen Aufgaben von Pflege- und Gesundheitsfachkräften? Theoretisch nein. Noch nehmen Tätigkeiten wie diese jedoch einen erheblichen Teil des Arbeitsalltags in Klinken oder Pflegeheimen ein. Dass es anders geht und Routinearbeiten sowie monotone und damit auch fehleranfällige Aufgaben digitalisiert und von smarten KI-Anwendungen übernommen werden können, zeigen erste innovative Häuser.
Asklepios Klinik Nord: KI bereits Klinikalltag
Digitalisierung ist eines seiner großen Themen: Für Dr. Ulrich Knopp, mittlerweile ehemaliger Geschäftsführender Direktor der Asklepios Klinik Nord, gehört KI klar zum „Krankenhaus der Zukunft“ – und am Hamburger Standort Heidberg schon jetzt zum Klinikalltag. Dennoch: „Menschen sind im Gesundheitswesen durch nichts zu ersetzen. Insbesondere Pflege ist Beziehungsarbeit – und die dafür benötigten zwischenmenschlichen Kompetenzen kann keine Technologie der Welt mitbringen. KI kann jedoch entlasten und Menschen mehr Zeit für ihre Kernkompetenzen und die Arbeit am Patienten verschaffen.“ Am Standort Heidberg zeigt sich das aktuell an verschiedenen Stellen: Beispielsweise zu Beginn der Corona-Pandemie, als erste Erfahrungen mit einem KI-gestützten Schutzkleidungs-Check gesammelt wurden. Jetzt unterstützt künstliche Intelligenz im Sterilgutkreislauf.
KI-gestützte Prozessoptimierung in OP und Sterilgutaufbereitung
Gemeinsam mit dem KI-Unternehmen Darvis hat die Klinik ein intelligentes Material- bzw. Instrumententracking entwickelt und bereits in den Abteilungen OP und Sterilgutaufbereitung (AEMP) etabliert. Dabei werden von optischen Sensoren aufgenommene Bilder mithilfe von KI nach bestimmten Fragestellungen verarbeitet. So wird etwa ermittelt, ob ein OP-Sieb vollständig für einen bestimmten Eingriff gepackt ist, nach einer OP sämtliche Instrumente wieder abgeworfen wurden oder wo im Instrumentenkreislauf sich ein Sieb befindet. Nach entsprechender Informationsverarbeitung entsteht zwischen OP und AEMP Transparenz über sonst weitgehend unsichtbare Prozesse. In der Folge können Daten zur Prozessoptimierung wie der realistische Zeitpunkt eines erneuten Einsatzes bestimmter Instrumente abgeleitet werden. Für Mitarbeitende werden manuelle Tätigkeiten wie das Scannen von Codes, das Abarbeiten von Packlisten, Abwurfkontrollen im OP sowie aufwendige Suchen und Zusatzwege reduziert.
„Autopilot“ bündelt Healthcare-Anwendungen
Das in der Hamburger Asklepios Klinik Nord eingesetzte Sterilguttracking ist Bestandteil des Darvis-Autopiloten für Pflege- und Klinikpersonal – eine Palette mehrerer KI-Anwendungen, die auf die Prozessoptimierung und Unterstützung von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen abzielen. Nach ähnlichem Prinzip können auch anderes medizinisches Inventar oder Klinikbetten geortet und Informationen über Standort und Zustand in Echtzeit abgerufen werden. „Gerade die Suche nach freien und vollständig gereinigten Patientenbetten ist in vielen Häusern noch mit unnötigem Aufwand und Zeitverlust verbunden – zulasten der Patientinnen und Patienten sowie der involvierten Mitarbeitenden“, berichtet Jan-Philipp Mohr, der als Gründer und CEO von Darvis deutschlandweit sowie international mit Klinikverantwortlichen im Gespräch ist. Während bestehende Bettenmanagement-Lösungen sich primär auf die Lokalisation konzentrieren, geht Darvis in der aktuellen Entwicklung weiter: Auch der Bettenreinigungsprozess kann mit der Plattform digital begleitet und die Dokumentation automatisiert werden. „Die hygienisch korrekte Aufbereitung des Patientenbettes wird so nicht nur sicht-, sondern v.a. nachweisbar“, sagt Mohr.
Computer Vision arbeitet vollständig DSGVO-konform
Alle Anwendungen aus dem Darvis-Autopiloten basieren auf Computer Vision. Die zu verarbeitenden Bilder werden von in relevanten Bereichen installierten optischen Sensoren geliefert. Eine unverzichtbare Voraussetzung: Die Plattform arbeitet vollständig DSGVO-konform und entspricht den Anforderungen deutscher Betriebsräte – u.a. weil Bilder nicht gespeichert, sofort anonymisiert und in Textform umgewandelt werden. Die Identifikation von Personen wie Mitarbeitenden, Patienten oder Besuchenden ist also zu keiner Zeit möglich.
Entgegen noch verbreiteter Bedenken zielen neuartige KI-Lösungen für den Healthcare-Bereich nicht darauf ab, Menschen möglichst umfassend und kostengünstig zu ersetzen. Viel mehr geht es darum, eingespanntes und knappes Fachpersonal zu unterstützen, fachfremde und störende Aufgaben auf ein Minimum zu reduzieren und so zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit beizutragen – wohl eine der größten aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen.
Ein Eingriff mehr: KI steigert OP-Effizienz
Im Pilotprojekts setzt die Hamburger Asklepios Klinik Nord am Standort Heidberg auf KI im Sterilgutkreislauf. Mit optischen Sensoren und KI werden u.a. die logistischen Prozesse unter die Lupe genommen und Ineffizienzen ermittelt. Nach rund sechs Monaten Live-Betrieb liegt eine erste Auswertung vor:
Insgesamt konnten die Standzeiten von Sterilgut-Containern um mehr als 50 Prozent reduziert werden. Das macht sich wiederum in der OP-Dokumentation bemerkbar, die durchschnittlich 14 Minuten weniger Zeitverlust vor OP-Beginn belegen.
„Das ist nicht nur wirtschaftlich gesehen bemerkenswert, sondern auch für die Versorgungsqualität und den einzelnen Patienten und Patientinnen relevant“, sagt Prof. Dr. Klaus Herrlinger, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Inneren Medizin I an der Asklepios Klinik Nord Heidberg, der das Projekt gemeinsam mit Darvis ins Leben gerufen hat. Die Optimierungen im Materialfluss könnten in der Klinik schon nach kurzer Zeit zu einer höheren Auslastung des OPs beitragen. Konkret würde dies in Fachbereichen mit vergleichsweise kurzer OP-Dauer mindestens einem möglichen Eingriff mehr pro Tag entsprechen.
In einem nächsten Schritt soll die Analyse noch wesentlich detaillierter werden und zudem eine bessere Planung der einzelnen benötigten OP-Instrumente ermöglichen. Neben der Prozessoptimierung soll so auch der Ressourcenverbrauch deutlich reduziert werden.
Kontakt zur Autorin
Sarah Sieweke, sarah.sieweke@darvis.com