Architektur-Kolumne Phänomen Krankenhausflur: Der Raum zwischen den Räumen

Phänomen Krankenhausflur: Der Raum zwischen den RäumenNur ein Flur – das ist der viel zu wenig beachtete, aber unverzichtbare Raum zwischen den Räumen. Dennoch prägt er das Image vom Krankenhausraum per se. Der Gedanke an ihn assoziiert meist endlose und nüchterne Gänge, steril, ohne Atmosphäre. Und das, obwohl, oder vielleicht ja auch weil, keiner um ihn herumkommt. Reduziert auf seine Daseinsberechtigung als funktionale Verkehrsfläche, um im Idealfall reibungslos und auf direktem Wege, effizient von A nach B zu führen, ist gestalterischer Anspruch, sogar hinsichtlich der Funktionalität, tatsächlich Mangelware. Schilder, die zur allgemeinen (Des)orientierung beitragen, sind häufig Grund für Angehörige, hilflos suchend tatsächlich weitere Pirouetten zu drehen, von auf und ab herumirrenden Patientinnen und Patienten – auch solchen ohne Demenz – ganz zu schweigen. Ausreichend Raum für Abenteuer also. Endlos lange Flure, die oftmals zum Verwechseln ähnlich scheinen, Etagen die auf den ersten Blick oftmals kaum zu differenzieren sind, reihen sich aneinander und lassen wenig Orientierung zu. Gestalterische Highlights wenn überhaupt, finden sich in den Fluren der Wahlleistung oder auch gerne im Kreisssaal, die beide attraktiv sein sollen. Derweil fällt der entsetzte Blick vielleicht auf Hochglanzgeschwüre „dekorativer“ Poster, die zwar fachkompetente Herzen von Medizinerinnen und Medizinern erfreuen, aber leider auch nur die. Bei allen anderen steigern sie nur das ohnehin vorhandene Unbehagen oder rufen es spätestens jetzt hervor. Wetten? Möchtegern-Kunst und recycelte Kalenderblätter sind als ästhetisches Highlight zwar das kleinere Übel, dennoch besteht in beiden Fällen die Kunst besser im Weglassen – ganz umsonst sogar, freundlicherweise bitte lieber nichts davon. Das angestrebte Patientenerlebnis scheint im Flur ein Trauerspiel zu sein. Trostlose Gänge, unterbelichtet oder grell, steril oder schrabbelig, olfaktorisch alles andere als ein Genuss, beklemmende Stille, durchbrochen von Klappern und fernen Stimmen, wird ein multisensuelles Erleben geboten, das weder zu besserem Heilungserfolg noch Arbeitsatmosphäre für das Personal beiträgt. Das Gegenteil ist zu befürchten im derartig von Tristesse gebeutelten Durchschnittsflur, dessen laufende Meter den Stress erhöhen statt ihn gekonnt zu reduzieren. Fazit: Von Healing Environment keine Spur, obwohl man es besser kann um Patientinnen und Patienten zu heilen und auch um Arbeitsgesundheit zu erhalten. Was spürbar fehlt, ist ein angenehmes und damit stressreduzierendes Gestaltungskonzept, denn Flur bedeutet Wandfläche, Boden für die nächsten 20 Jahre, und aus Patientenperspektive ganz besonders Decke. Ob helles Tageslicht Aufatmen lässt oder gute und nebenbei energieeffiziente Beleuchtung, angenehmes Licht schafft, geht Hand in Hand mit Nachhaltigkeit. Als Abstellraum missbraucht, vom Pflegewagen zum Patientenbett, werden Flure weder schöner noch sicherer, von Brandschutz ganz zu schweigen. Das Wohlbefinden bleibt einfach auf der Strecke. Stellen wir uns doch stattdessen lieber einfach einen angenehmen Flur vor, in dem sich jeder gerne bewegt. Resultat ist ein gewinnbringender Auftritt, der nebenbei und dazwischen ganz stressfrei die Gesundheit aller fördert, von A nach B und wieder zurück. Sylvia Leydecker, Innenarchitektin bdia AKG, 100 % interior, Köln,

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