Pflegepersonal der Charité im Streik

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Seit heute Morgen um 6 Uhr ist es soweit: Rund 800 Betten und mehr als 100 Intensiv-Betten an der Charité Berlin werden bestreikt, wie rbb online berichtet. Die Klinikleitung sieht damit die Patientenversorgung in Gefahr. Der DBfK solidarisiert sich mit den streikenden Pflegefachkräften.

Der Streik der Pflegekräfte an der Charité geht nächste Woche weiter. – © fotomek (Fotolia.com)

Ab heute, Montag, den 22. Juni 2015, geht das Pflegepersonal der Berliner Charité in den unbefristeten Ausstand. Doch laut der Charité-Leitung gefährdet diese Streikmaßnahme die Sicherheit der Patienten und die Versorgung im Land Berlin „in hohem Maße“. Deshalb hat die Klinikleitung vergangene Woche dagegen eine einstweilige Verfügung beim Berliner Arbeitsgericht beantragt. Begründet hatte man diesen Schritt mit dem „unverhältnismäßigen Ausmaß“ des Streiks nach ver.di -Forderungen rund ein Drittel aller Betten zu bestreiken. Das sei eine Summe, die von den anderen Berliner Krankenhäusern nicht ausgeglichen werden könne. Doch das Berliner Arbeitsgericht hat die einstweilige Verfügung der Klinikleitung abgelehnt. Der Grund: Eine entsprechende Notdienstvereinbarung zwischen ver.di und der Charité sei verhältnismäßig. Vergangene Woche hat es laut ver.di zur Sicherung der Patientenversorgung ein Gespräch mit dem stellvertretenden ärztlichen Direktor gegeben, in dem konkrete Verabredungen zur Gewährleistung der Patientensicherheit getroffen wurden.

Mindestbesetzung in der Pflege als gesamtgesellschaftliches Thema?

„Menschen werden nicht unterversorgt, weil Pflegende streiken – Pflegende streiken, weil Menschen unterversorgt werden“, heißt es in einer Mitteilung von ver.di Berlin-Brandenburg. Doch laut Charité sei die Forderung nach einer Mindestbesetzung in der Pflege kein Thema, das per Tarifvertrag geregelt werden könne. Vielmehr sei dies ein gesamtgesellschaftliches Thema, das von Bund und Ländern gemeinsam angegangen werden müsse. Zudem gelte für ver.di eine Friedenspflicht, da der Tarifvertrag an der Charité noch bis Ende 2016 laufe.

Patientenhotline eingerichtet

Vom Streik betroffen sind nun alle drei Standorte der Charité (Mitte, Steglitz und Wedding). Dabei müssen laut Charité geplante Operationen und auch Untersuchungen abgesagt werden, die „dringlich notwendig sind“. Sie sollen in Absprache mit den Patienten verschoben werden. Zudem habe das Universitätsklinikum ab heute eine Hotline für Patienten eingerichtet, die montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr unter der Nummer 030 450 550 500 erreichbar ist.

Forderungen sind laut Charité derzeit nicht realisierbar

ver.di möchte eine verbindliche Quotenregelung für den Personalschlüssel von Pflegefachkräften in einem Tarifvertrag durchsetzen. Ziel sei die Besetzung von einer Pflegekraft für fünf Patienten auf einer normalen Station, für Intensivstationen soll ein Personalschlüssel von 1:2 vereinbart werden. „Eine Realisierung der Forderungen von ver.di würde für die Charité 600 zusätzliche Stellen im Pflegebereich und Kosten von bis 36 Millionen Euro bedeuten. Dies ist im derzeitigen Finanzierungssystem für die Charité nicht bezahlbar und kann nur mit den Krankenkassen gelöst werden“, schreibt die Charité in einer Mitteilung. Man bedauere die Eskalation und gehe davon aus, „dass die Streikenden gemeinsam mit uns alles vermeiden werden, was den Patienten schaden könnte“, betont Judith Heepe, kommissarische Pflegedirektorin der Charité.

Erster Angebot ausgeschlagen

Noch am Samstag, 20. Mai, hat die Charité in einem offenen Brief an ver.di ein Angebot vorgelegt, das eine Mindestbesetzung in der Intensivmedizin und einen Vorgriff auf nationale Richtlinien bedeute. „Es sieht vor, die Besetzung der Intensivstationen zu verbessern und außerdem die Mitarbeiterzahl in den Nachtdiensten zu erhöhen. Dies ist für die Charité ein großer finanzieller Kraftakt, der bisher von den Krankenkassen nicht bezahlt wird“, heißt es in einer Mitteilung der Charité. Trotzdem sei dieses Angebot ausgeschlagen worden.

DBfK solidarisiert sich

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) solidarisiert sich ausdrücklich mit den seit heute streikenden Pflegefachkräften: „Dass die laufenden Tarifverhandlungen nun eskalieren, hat allein die Bundesregierung zu verantworten. Die berechtigten Forderungen nach mehr Pflegepersonal und gesetzlich definierter Pflegepersonalbemessung für bettenführende Stationen ist die Konsequenz aus vielen Jahren verfehlter Krankenhauspolitik. Wir unterstützen diese Forderungen nachdrücklich. Die Bundesregierung muss sich endlich bewegen und ihrer Verantwortung für Gesundheit und Sicherheit von Patienten und Pflegepersonal nachkommen. Der Entwurf des Krankenhaus-Struktur-Gesetzes ist entsprechend abzuändern“, erklärt DBfK-Sprecherin Johanna Knüppel. „Der Exodus der Pflege aus den Kliniken ist nur mit einer verbindlich definierten und am Patientenbedarf orientierten Personalbemessung zu stoppen, die zwingend eingehalten werden muss und auch überprüft wird. Das fordern wir – und nicht nur für die Charité“, so Knüppel weiter.

Dauer noch unbekannt

Im Moment ist noch nicht klar, wie lange der Streik andauern wird. Man erwartet laut Berliner Morgenpost, dass etwa 500 bis 600 Beschäftigte pro Tag streiken werden.