Fachkräftemangel
Neun von zehn Pflegefachkräften sind sich der Chancen bewusst, die sich aus dem Fachkräftemangel in der Branche ergeben. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Regionalportals „meinestadt.de“, für die das Marktforschungsinstitut respondi u.a. 197 Pflegefachkräfte befragt hat.

„Aufgrund meiner Qualifikation und/oder Erfahrung kann ich mir meinen Job aktuell aussuchen.“ In der Pflege stimmen 89,4 Prozent diesem Statement bei der Studie des Regionalportals „ meinestadt.de“ zu. Zum Vergleich: Im Handwerk sind es 62,6 Prozent, im Handel 50,1 Prozent. „Als Krankenpfleger findet man immer und überall einen Job,“ berichtet ein Umfrageteilnehmer. „Als Pflegefachkraft kann man sich nahezu jede Stelle aussuchen, die einen interessiert,“ schreibt ein anderer.
Geringe Zufriedenheit mit Arbeitgebern
Pflegekräfte sind sich ihres eigenen Marktwerts bewusst. Gleichzeitig herrscht große Unzufriedenheit mit dem aktuellen Arbeitgeber – daraus ergibt sich ein hohes Fluktuationspotenzial. Im Branchenvergleich schneidet die Pflege in Sachen Arbeitgeberzufriedenheit am schlechtesten ab: Nur 26,9 Prozent der Pflegekräfte sind mit ihrem Arbeitgeber aktuell „sehr zufrieden“. Im Hinblick auf die eigene Branche sind 30 Prozent der Pflegekräfte „sehr zufrieden“.
Ihrem Arbeitgeber „sehr verbunden“ fühlt sich in der Pflege nur jede fünfte Fachkraft. Selbst mitten in der Corona-Pandemie haben 19,8 Prozent der Pflegefachkräfte den Job gewechselt – zum Vergleich: im Handel waren es 11,5 Prozent. Unter den Fachkräften aus der Branche, die ihren Job gekündigt haben, geben die meisten an, schlichtweg ein „besseres Jobangebot“ gefunden zu haben (54,6 Prozent).
Offen für Branchenwechsel
Ebenso liegt für Pflegekräfte der Wechsel in einen anderen Beruf nahe. 45,2 Prozent von ihnen, können sich grundsätzlich vorstellen, den Beruf zu wechseln. Das ist deutlich weniger als im Branchendurchschnitt, was auf ein ausgeprägtes Commitment zum Pflegeberuf hindeutet. Aber das Risiko der Branchenfluktuation ist hoch. „Den Job kann man nicht mehr so lange durchhalten wie früher“, meint eine befragte Pflegefachkraft: „Es ist nur noch Ausbeutung von Arbeitskraft. Und die lässt im Alter nun einmal nach.“
Zahlreiche Berichte der Teilnehmenden zeugen davon, dass Pflegekräfte den Beruf nach einigen Jahren wieder verlassen. „Ich bin von der Krankenpflege in die Organisation einer niedergelassenen Praxis gewechselt“, heißt es in einem Kommentar. Eine andere Pflegekraft berichtet, sie habe als Altenpflegerin „Arthrose bekommen“ und sich deshalb „zur Tippse“, also eine Schreibkraft umschulen lassen. Ebenso kann „keine Lust mehr auf Pflegeberuf und Wochenenddienste“ Anlass für einen Wechsel sein. Im konkreten Fall wurde eine Weiterbildung absolviert, die einstige Pflegefachkraft prüft nun Krankenkassen-Abrechnungen.
Bindungsfaktoren: Gehalt, Führung und Work-Life Balance
Als Faktoren mit Bindungspotenzial erweisen sich in der Pflege besonders die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, das Gehalt und das Vorgesetztenverhalten. Sie werden allesamt hoch priorisiert. Karriereaussichten spielen im Vergleich eine deutlich untergeordnete Rolle. Bei der Work-Life-Balance, dem Vorgesetztenverhalten und dem Gehalt klaffen große Lücken zwischen hoher Priorisierung und geringer Zufriedenheit in der Praxis:
- Work-Life: 76,7 Prozent „sehr wichtig“ für die Bindung, 28,9 Prozent „sehr zufrieden“ beim aktuellen Arbeitgeber
- Gehalt: 74,6 Prozent „sehr wichtig“ für die Bindung, 15,7 Prozent „sehr zufrieden“ beim aktuellen Arbeitgeber
- Vorgesetztenverhalten: 74,1 Prozent „sehr wichtig“ für die Bindung, 28,4 Prozent „sehr zufrieden“ beim aktuellen Arbeitgeber
- Karriere: 24,4 Prozent „sehr wichtig“ für die Bindung, 13,7 Prozent „sehr zufrieden“ beim aktuellen Arbeitgeber
Mehr Dynamik nach der Pandemie
„In der Pflege könnte es nach der Pandemie zu einem großen Fluktuationsproblem kommen,“ sagt Mark Hoffmann , CEO von meinestadt.de: „Der Wettbewerb um Pflegefachkräfte wird sich deutlich verschärfen. Arbeitgeber in der Branche sollten gezielt auf Faktoren mit Bindungspotenzial achten und im Recruiting ungewohnte Wege gehen.“ Als ein solcher Weg bietet sich zum Beispiel die gezielte Ansprache von Fachkräfte-Quereinsteigern an.
Ansprache von Quereinsteigern und passiv Suchenden
Neben den knapp 200 Pflegekräften wurden weitere 1800 Fachkräfte mit Berufsausbildung befragt. Branchenübergreifend können sich 52,7 Prozent der Fachkräfte grundsätzlich vorstellen, in ein Berufsfeld zu wechseln, für das sie ursprünglich nicht ausgebildet wurden. Auch die Pflege ist eine mögliche Zielbranche. So berichtet im Rahmen der Umfrage eine Verkäuferin darüber, aufgrund ihrer schlechten Bezahlung in die Pflege gewechselt zu sein. Darüber hinaus ist der Anteil an latent suchenden Pflegekräften im Branchenvergleich besonders groß. 61,4 Prozent stimmen dem Statement zu „Ich suche nicht aktiv, halte aber die Augen offen und wäre wechselbereit, falls mir ein attraktives Jobangebot gemacht wird.“ Hier lohnt eine gezielte Ansprache.
Das branchenübergreifende Whitepaper zur Studie „Wechseln oder Bleiben?“ enthält weitere Ergebnisse sowie eine Liste mit Tipps für Arbeitgeber und steht hier zum kostenlosen Download bereit .