Energieeffizienz in der Pflege Pflegeeinrichtungen nachhaltig und klimaschonend gestalten

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Auch Pflegeeinrichtungen können einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch es bestehen erhebliche Investitionshemmnisse. Maßnahmen für mehr Energieeffizienz dürfen die Ertragslage nicht belasten. Auch hier sind die Länder in der Pflicht.

Energieeffizienz Pflege
Klimaschonende Pflegeversorgung fordert auch die Länder, wenn es um die Ertragssicherung geht. – © Parradee (stock.adobe.com)

Im Pflegemarkt besteht ein stark wachsender Investitions- und Sanierungsbedarf. Neben dem Fachkräftemangel, Unberechenbarkeit von Finanz- und Sozialpolitik sowie einer überbordenden Bürokratie gibt es hier noch weitere Investitionshemmnisse.

Sinkende Renditen schwächen die Investitionsfähigkeit

Nach der Auswertung der Ergebnisse im Curacon-Datenpool ist nach einer rückläufigen Renditeentwicklung im Zeitraum 2016 bis 2019 bei der Umsatzrendite in 2020 ein Anstieg auf 1,4 Prozent sowie in 2021 auf 2,4 Prozent zu verzeichnen. Der Anteil der stationären Einrichtungen mit Verlusten ist hierbei von 29 Prozent in 2019 auf 22 Prozent in 2020 sowie 14 Prozent in 2021 gesunken.

Die positive Renditeentwicklung ist auch auf die Wirkungen der Pflegerettungsschirme zurückzuführen, die die Aufrechterhaltung der Versorgungsstrukturen unter schwierigen Bedingungen ermöglicht haben.

Prognose für 2022 geht von steigenden Defizitquoten aus

Nachdem in den Jahren 2020 und 2021 der negative Ergebnistrend der Vorjahre unterbrochen worden ist, sind die Einschätzungen und Erwartungen in 2022 allerdings wieder deutlich stärker von Pessimismus geprägt. Für das Geschäftsjahr 2022 gehen die Pflegeeinrichtungen wieder von steigenden Defizitquoten aus.

Das Stimmungsbild im Pflegemarkt ist aktuell gedrückt durch das Auslaufen des 150-er Pflegeschutzschirms, die Enttäuschung über die „Pflegereform“, die Unsicherheit im Hinblick auf die Tariftreuepflicht, die ausufernden Kostensteigerungen und das dominierende Thema des zunehmenden Personalmangels.

Wachsender Investitionsbedarf wird durch Investitionshemmnisse gebremst

Der Barmer Pflegereport geht bis 2030 von einem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen auf sechs Millionen aus. Eine wachsende Zahl von Pflegebedürftigen zieht auch einen steigenden Investitionsbedarf nach sich.

Im Bereich der Investitionskostenfinanzierung erweisen sich für Neubauprojekte regelmäßig Deckelungen durch die Vorgabe von unzureichenden Kostenrichtwerten („Platzwerte“) sowie die Annahme einer unrealistisch langen Nutzungsdauer von 40 bis 50 Jahren als Investitionshemmnis. Der sprunghafte Anstieg in der Baukostenentwicklung im Einzelfall auf über 200.000 Euro je Platz erschwert aktuell zusätzlich die Realisierung von Neubauprojekten. Darüber hinaus finden sich insbesondere in Ballungsgebieten keine geeigneten Grundstücke mehr oder werden mitunter von den Städten selbst nur unter Einräumung eines Erbbaurechts mit exorbitant hohen Erbbauzinsen angeboten.

Dem Tatsächlichkeitsprinzip sowie dem Steuerrecht folgend, wäre auch in der Refinanzierung der Investitionskosten eine Abschreibungsdauer von 33 Jahren als angemessen anzusehen. Lediglich in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und Thüringen ist dies bereits heute so umgesetzt.

Pflegeinrichtungen können einen wesentlichen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten

In der aktuellen Fassung der sogenannten Taxonomie-Verordnung werden Sozialeinrichtungen im Klassifizierungssystem dem Bereich „Gesundheits- und Sozialwesen“ zugeordnet. Die Verordnung geht hierbei davon aus, dass diese Einrichtungen einen wesentlichen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten können. Die Unternehmen müssen zukünftig darstellen, in welchem Umfang nachhaltige Umsätze erzielt und taxonomiekonforme Investitionsausgaben getätigt (geplant) werden. Gemäß den EU-Vorgaben ist der Neubau eines Pflegeheimes taxonomiekonform, wenn der Primärenergiebedarf des Gebäudes mindestens zehn Prozent unter dem nationalen Schwellenwert für Niedrigstenergiegebäude liegt. Die Durchführung von Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen (z.B. Anpassung Einzelzimmervorgaben) wird nur als nachhaltig eingestuft, wenn der Primärenergiebedarf um mindestens 30 Prozent reduziert werden kann.

Bundesweit sind Pflegeimmobilien im Durchschnitt 34 Jahre alt und energetisch ineffizient aufgestellt. Die veralteten Pflegeimmobilien entsprechen häufig nicht mehr aktuellen pflegekonzeptionellen Standards und erschweren eine effiziente betriebliche Organisation.

Obwohl Maßnahmen zur Schaffung energieeffizienter Gebäude politisch gewollt sind, bestehen im Bereich von Pflegeeinrichtungen auch bei der Durchführung entsprechender Sanierungsmaßnahmen erhebliche Investitionshemmnisse.

Das Minimalziel zur Schaffung von Anreizen für Gebäudesanierungen im Pflegeheimsektor besteht derzeit darin, dass mit der Durchführung derartiger Maßnahmen keine finanziellen oder sonstigen Nachteile verbunden sein sollen. Noch besser aber wäre es, wenn auch Anreize für energetische Sanierungen geschaffen würden, an denen es bisher fehlt.

Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz dürfen nicht die Ertragslage belasten

Zunächst wäre sicherzustellen, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz nicht die Ertragslage einer Pflegeeinrichtung belasten. Sanierungsmaßnahmen zur Erreichung der entsprechenden Effizienzhaus-Stufen sind momentan jedoch häufig als Instandhaltungsaufwand einzustufen.

Energetische Sanierungsmaßnahmen führen in der Regel neben einer Reduzierung der CO2-Emissionen auch zu konkreten Einsparungen insbesondere bei den laufenden Betriebskosten (z.B. bei energetischer Sanierung durch die Verminderung von Heizkosten). Bei einer selbstkostenbasierten Betriebskostenfinanzierung laufen Pflegeeinrichtungen jedoch Gefahr, dass Einsparungen bei den Energiekosten auch bei der Pflegesatzkalkulation zu Kürzungen der Entgelte führen. Somit fehlt für die Einrichtungen der Anreiz, selbst in Effizienzmaßnahmen zu investieren und damit Energiekosten einzusparen oder Energie für den Eigenbedarf zu gewinnen, da die Refinanzierung der Kosten durch die ausschließliche Erstattung der reduzierten Energiekosten nicht gegeben ist.

Die Landesheimgesetze regeln im Ordnungsrecht, welche Anforderungen Pflegeeinrichtungen in Bezug auf die Gebäudequalität zu erfüllen haben. Des Weiteren wird in der Regel bestimmt, wann Investitionen als betriebsnotwendig (Anerkennung dem Grunde nach) und wirtschaftlich (Anerkennung der Höhe nach) anzusehen sind. In den Landesheimgesetzen bestehen für Pflegeeinrichtungen jedoch weder für Neubauprojekte noch für Bestandseinrichtungen verbindliche Vorgaben zur Dämmung der Gebäudehülle, Schadstoffvermeidung bzw. Reduzierung der CO2-Emissionen.

Von daher wäre es konsequent, Maßnahmen zur energetischen Sanierung dem Grunde nach als betriebsnotwendig („must have“) und nicht nur als „nice-to-have“ (Entscheidung nach Kassenlage) einzustufen.

Damit eine Anerkennung derartiger Maßnahmen zur energetischen Sanierung aber überhaupt auch als wirtschaftlich eingestuft werden kann, müssen entsprechende Kosten auch in der Kalkulation der Kostenrichtwerte ihren Niederschlag finden.

Silberstreif am Horizont für energetische Sanierungen in NRW?

Nachdem die Landesregierung in NRW bereits im Koalitionsvertrag 2017 angekündigt hatte, einen energiepolitischen Neustart einzuleiten, ist dies zumindest im Bereich der Sozialimmobilien bis dato noch nicht gelungen. In dem aktuellen Koalitionsvertrag 2022 wird möglicherweise nun auch für Pflegeeinrichtungen eine zweite Raketenstufe gezündet.

Nach Einschätzung der Landesregierung in NRW werden Einrichtungen der Wohlfahrtspflege und gemeinnützige Vereine bisher beim Klimaschutz zu wenig beachtet. Es wird angekündigt, dies zu ändern, indem der Klimaschutz bei der Investitionsförderung über die einschlägigen Gesetze wie das Altenpflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG) oder das Kinderbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (KiBiZ) stärker berücksichtigt und gefördert werden soll. Gleichzeitig wurde Handlungsbedarf dergestalt identifiziert, dass soziale Einrichtungen bei Förderprogrammen noch zu häufig als Antragsberechtigte ausgeschlossen sind. Es wurde zudem angekündigt, dies zu ändern und dies auch auf Bundesebene einzufordern.

Pflegebedürftige vor ausufernden Kostensteigerungen schützen

Laut einer Erhebung des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) ist der Eigenanteil für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen zum 1. Juli 2022 in Baden-Württemberg am höchsten. Dort müssen die zu Pflegenden im Schnitt ohne Zuschläge 2.619 Euro zuzahlen. Danach folgen Nordrhein-Westfalen (2.587 Euro) und das Saarland (2.537 Euro). Im Bundesdurchschnitt sind die Heimkosten im Zeitraum von Januar 2021 bis Juli 2022 um 180 Euro (8,7 Prozent) gestiegen. Weitere erhebliche Kostensteigerungen für die Pflegebedürftigen ergeben sich zum 1. September 2022 durch die Umsetzung der Tariftreuepflicht. Aktuellen Pressemeldungen nach ergeben sich hierdurch für die Pflegebedürftigen zusätzliche monatliche Belastungen von bis zu 1.000 Euro. Die ursprüngliche Intention bei Einführung der Pflegeversicherung, Pflegebedürftige vor pflegebedingter Altersarmut zu schützen, trägt zunehmend im geringeren Maße.

Auf der anderen Seite ist daher auch in den Blick zu nehmen, dass die Pflegebedürftigen vor ausufernden Kostensteigerungen zu schützen sind. Von dem Eigenanteil im Bundesschnitt zum 1. Juli 2022 in Höhe von 2.248 Euro pro Monat entfielen 469 Euro (Investitionskostensatz 15,42 Euro/Tag) auf die sogenannten Investitionskosten. Über die Investitionskosten werden gegenüber den Heimbewohnern Kosten der Gebäude für Abschreibungen, Zinsen, Instandhaltung und/oder Mieten abgerechnet. Aufgrund der aktuellen Baukosten- und Zinsentwicklung zeigt sich in laufenden Projekten, dass sich bei Fertigstellung Investitionskostensätze von über 900 Euro im Monat bzw. 30 Euro pro Tag ergeben werden. 

Nach dem Rückzug der Länder aus der öffentlichen Investitionskosten wären diese hohen Investitionskostensätze oder auch Belastungen aus der Umsetzung von Maßnahmen zur energetischen Sanierung ausschließlich von den Heimbewohnern zu tragen. Im Einzelfall kann hier ggf. die KfW-Förderung für Entlastungen sorgen.

Länder sind in die Pflicht zu nehmen

Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass Einsparungen (ca. fünf Milliarden Euro), die den Ländern als Träger der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen, zur Investitionskostenfinanzierung von Pflegeeinrichtungen herangezogen werden sollten. Es wäre wünschenswert, dass im Eindruck der Corona-Pandemie nicht nur der Krankenhaus-Bereich durch öffentliche Investitionsprogramme begünstigt wird. Energetische Sanierung und Digitalisierung sind auch im Bereich der Pflegeeinrichtungen hochrelevante Themen.

Kontakt zum Autor

Jan Grabow, Wirtschaftsprüfer / Steuerberater, Geschäftsführender Partner, Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, jan.grabow@curacon.de