Pflegemanagementkongress auf dem Hauptstadtkongress 2023 Pflege und Versorgung zu neuen Bedingungen

Beim Hauptstadtkongress steht beim Pflegemanagementkongress die „Zeitwende“ im Fokus der Diskussionen und Panels. Veränderungsvorhaben aus der Politik liegen geschrieben vor, der Diskurs ist im vollen Gange. Vera Lux erklärt, wo die Chancen für die Pflege und damit die Gesellschaft liegen. Der Krankenhausreport 2023 hat den Fokus auf das Thema Personal gelegt und dies sicher nicht ohne Grund. Bereits 2020 hat der Bundesverband Managed Care (BMC) darauf hingewiesen, dass dem Gesundheitssystem eher das Personal als das Geld ausgeht (vgl. Amelung, 2020). Die aktuelle Situation in der Pflege zeigt, dass wir nicht weit davon entfernt sind. Seit dem Pflegestärkungsgesetz 2020 und der Ausgliederung des Pflegebudgets aus den DRGs werden alle Ist-Kosten für die Pflege am Bett vollständig refinanziert, ebenso die Tarifsteigerung zu 100 Prozent ausgeglichen. Dies ist geradezu ein paradiesischer und noch nie dagewesener Zustand, wäre da nicht der leergefegte Arbeitsmarkt. Laut Arbeitsagentur (Bundesagentur für Arbeit, 2022) gehört der Pflegeberuf zu den Engpassberufen, es besteht nahezu Vollbeschäftigung. So ist es kaum möglich, den Personalbedarf bei gleichzeitig steigendem Pflegebedarf über den Arbeitsmarkt zu decken. Mit der Corona-Pandemie und dem Rückgang der stationären Fallzahlen um etwa 15 Prozent, dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, gestiegenen Energiekosten und einer hohen Inflation sind viele Kliniken in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Daher braucht es dringend eine grundlegende Reform für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Die Regierungskommission hat hierzu im Dezember 2022 eine Empfehlung vorgelegt, die primär die Krankenhausvergütung betrifft. Damit eng verknüpft ist aber auch eine Veränderung der sektorenübergreifenden ärztlichen und pflegerischen Versorgung, denn die ambulanten Potenziale der medizinischen und pflegerischen Versorgung seien bisher nicht ausgeschöpft (vgl. BMG, 2022). Voraussetzung ist jedoch eine bessere Abstimmung zwischen Krankenhausplanung und -vergütung. Die effiziente Verteilung von knappen Ressourcen ist notwendig, damit diese bedarfsgerecht verteilt und eingesetzt werden. Professionelle Pflege wird nach wie vor eher als Kostenfaktor gesehen, weniger als wertvolle Ressource, die zur Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit maßgeblich beiträgt. Professionelle Pflege wird unterschätzt und ihr Potenzial bei weitem nicht genutzt. Das ist volkswirtschaftlich betrachtet eine Verschwendung von knappen und teuren Ressourcen. Dass wir uns das in der aktuellen Situation noch leisten ist seitens der Politik verantwortungslos gegenüber den Menschen, die einer pflegerischen Versorgung bedürfen. Gerade der adäquate Einsatz von Pflegefachpersonal ist ein Schlüssel, um die pflegerische Versorgung trotz steigendem Pflegebedarf und mit weniger Fachkräften auch in Zukunft sicherzustellen. Bisherige Konzepte fortzuführen bringt nichts. Nicht nur bei der Vergütung braucht es grundlegende Reformen, auch bei der Pflege ist eine grundlegende Neuausrichtung notwendig. Mit der Reform soll u.a. Pflegepersonal im Krankenhaus entlastet werden, indem mehr Leistungen ambulant und damit weniger Patienten stationär versorgt werden. Die Grundprinzipien der Reform bestehen aus Krankenhaus-Versorgungsstufen (bzw. Leveln), aus Leistungsgruppen sowie aus einer Vergütung von Vorhaltung und DRGs. Die Vorhaltung umfasst dabei u.a. auch das Pflegebudget. Für Grundversorger des Levels 1 sind integrierte ambulant/stationäre Krankenhäuser angedacht, die mit „i“ gekennzeichnet sind und wo allgemeine und spezialisierte ambulante fachärztliche Leistungen mit Akutpflegebetten kombiniert werden sollen. Hier sollen Patienten und Patientinnen aufgenommen, stationär überwacht und gepflegt werden. Die Leitung dieser Einrichtung kann durch qualifizierte Pflegerachepersonen mit Zusatzweiterbildung, z.B. Community Health Nurse (CHN) oder Advanced Practice Nursing (APN), erfolgen. Pflege hat hier erstmals die Chance von mehr beruflicher Autonomie bei gleichzeitig höherer Verantwortung. Das muss man aber auch wollen und dafür braucht es einen rechtlichen Rahmen. Pflege kann den Versorgungsprozess steuern Die regionale Versorgung und Akutpflege erfordert eine enge Zusammenarbeit mit allen an der Versorgung beteiligten Disziplinen. Die Vernetzung der Akteure vor Ort ist daher eine wesentliche Aufgabe für eine bedarfsgerechte Versorgung und gleichzeitig ein Erfolgsfaktor. Pflege ist prädestiniert, den Versorgungsprozess zu steuern und die Vernetzung der Akteure zu organisieren. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen und Strukturen für die Level 1i Krankenhäuser noch erfolgt, muss die Pflege – analog der Strukturen der ärztlichen Selbstverwaltung – beteiligt und einbezogen werden. In Bundesländern mit einer Pflegekammer sind diese, in Bundesländern ohne Pflegekammer sind die Landespflegeräte zu beteiligen. Dies erfolgt nach wie vor nicht und wird daher seitens des Deutschen Pflegerats (DPR) zu Recht kritisiert, wie beispielsweise bei der Beteiligung an den Entscheidungen des G-BA (DPR 2022). Reform als Anstoß die Akademisierung zu forcieren Dies gilt gleichermaßen für die Reformen, die die anderen Level (Level 2, 3, 3U) betrifft. Die Ausschöpfung weiterer ambulanter Potenziale bedeutet für die Krankenhäuser und die Pflege keine Entlastung, sondern eine Arbeitsverdichtung. Die leichteren Fälle werden ambulant oder tagesstationär, die komplexen Fälle stationär versorgt. Damit steigt der Pflegeaufwand in den Kliniken und gleichzeitig die Anforderungen an die Qualifikation der Pflegefachpersonen und an den Betreuungsschlüssel. Hier könnte nun endlich die Empfehlung des Wissenschaftsrats greifen, der bereits 2012 eine Akademisierungsquote von zehn bis 20 Prozent für das Management komplexer Pflege- und Versorgungssituationen gefordert hat. Die anstehende Reform könnte ein wichtiger Anstoß sein, die verloren gegangene Zeit schnellstmöglich aufzuholen und die Akademisierung der Pflege nun mit Nachdruck zu forcieren. Daher ist vielleicht gerade jetzt genau der richtige Zeitpunkt für ein Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG), das das Bundesministeriums für Gesundheit und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aktuell als Entwurf vorgelegt hat. Mit der akademischen Qualifizierung der Pflege einhergehend sollte der Pflege im Rahmen der Heilkundeübertragung ein erweitertes Rollen- und Aufgabenprofil zugeschrieben werden. Diese könnten dann u.a. weniger qualifiziertes Personal supervidieren. Parallel sind auch Aufgabenprofile für Pflegeassistenten mit einer zweijährigen Pflegeassistenzausbildung für den ambulanten Bereich sowie die integrierte und ambulant/stationäre Grundversorgung (Level 1i) zu erstellen und die entsprechenden Ausbildungsangebote auszubauen. Zweijährig ausgebildete Pflegeassistenten sind hervorragend geeignet, um in Kombination mit pflegenden Angehörigen, Betreuungskräften und der Laienpflege, ein solides und breites Fundament für die pflegerische Grundversorgung in der Zukunft zu bilden, wie es in der Abbildung 1 auf Seite 17 dargestellt ist. Der demografische Wandel, die Fachkräftesituation und finanzielle Situation der Krankenhäuser erfordert tiefgreifende Reformen und schnelles und zielgerichtetes Handel. Der Prozess ist mühsam und tut manchem weh. Er erfordert Mut und Weitsicht und eine Vision von unserem Gesundheitssystem in der Zukunft. Dazu gehört auch, der Pflege mehr Verantwortung und erweiterte Rollen zu übertragen und dafür jetzt die notwendige Weichen und den rechtlichen Rahmen zu schaffen, auch gegen den Widerstand der Ärzteschaft. Deren Argument, dass sie am Ende die Verantwortung tragen, ist nicht länger hinnehmbar. Verantwortung kann man rechtlich regeln, andere Länder zeigen was geht und wie es geht! Pflegemanagementkongress auf dem HSK Auf dem HSK-Pflegemanagementkongress 2023 auf dem kommenden Hauptstadtkongress (HSK) vom 14. bis zum 16. Juni 2023 in Berlin treffen sich Player der (Pflege-)Branche: Politik, Management, Unternehmen, Führung, Start-ups, Industrie, Selbstverwaltung und Kassen treffen aufeinander, um die Neuausrichtung der Versorgung zu diskutieren. Es darf gestritten, gefordert und kontrovers diskutiert werden, damit der beste Weg gefunden werden kann. Die Veranstalter und die wissenschaftliche Leiterin Vera Lux versprechen ein buntes Programm mit spannenden Sessions sowie namhaften Referentinnen und Referenten aus dem Pflegemanagement und der Pflegepolitik. Das ausführliche Programm steht in Kürze zur Verfügung und kann unter www.hauptstadtkongress.de/pflegemanagementkongress eingesehen werden. Literatur Amelung, V. E., 2020, Die Zukunft der Arbeit: im Gesundheitswesen, Berlin, 1. Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Hrsg. Bundesverband Mana: Fachkräfteengpassanalyse 2021: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Footer/Top-Produkte/Fachkraefteengpassanalyse-Nav.html [09.05.2023] Bibliomed Pflege, Deutscher Pflegerat (DPR), 2022: https://www.bibliomed-pflege.de/news/dpr-fordert-mehr-politischen-mut [09.05.2023] Bibliomed Pflege, Deutscher Pflegerat DPR, 2023:, Sektorenübergreifende Versorgung - DPR: Profession Pflege unbedingt miteinbeziehen (bibliomed-pflege.de) [07.05.2023] Bundesministerium für Gesundheit und Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Pflegestudiumstärkungsgesetz: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/pflegestudiumstaerkungsgesetz-pflstudstg.html [07.05.2023] Bschor T., Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Krankenhausreform/3te_Stellungnahme_Regierungskommission_Grundlegende_Reform_KH-Verguetung_6_Dez_2022_mit_Tab-anhang.pdf [08.05.2023] Klauber, J. et al, Krankenhaus-Report 2023, Schwerpunkt: Personal, 2023, Berlin, Springer Verlag, Hrsg. Jürgen Klauber, Jürgen Wasem. Andreas Beivers, Carina Mostert Vogler C: Deutscher Pflegerat fordert direkte Beteiligung an den Entscheidungen des G-BA https://www.kathpflegeverband.de/images/Deutscher_Pflegerat_fordert_direkte_Beteiligung_an_den_Entscheidungen_des_G-BA:pdf [08.05.2023] Vogler C, Deutscher Pflegerat: https://deutscher-pflegerat.de/2023/01/20/deutscher-pflegerat-heilkundeuebertragung-staerkt-das-gesundheitssystem/ [09.05.2023] https://www.dqr.de/dqr/shareddocs/downloads/media/content/deutscher_eqr_referenzierungsbericht.pdf [09.05.2023] Kontakt zur Autorin Vera Lux, Managementberatung Pflege und Health Care, luxvera@web.de

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