Studie Fachkräftemangel in der Pflege verschärft sich

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Pflegekräfte spüren die Auswirkungen des Personalmangels auf ihren Arbeitsalltag bereits deutlich. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Jobportals meinestadt.de. Hohe Gesundheitsbelastung und Ansteigen der Überstunden sind die Folgen.

Studie Belastungsfaktorenj in der Pflege
Studie: Die drei größten Belastungsfaktoren der Mitarbeitenden in der Pflege. – © Quelle: meinestadt.de/Grafik HCM

Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf den Arbeitsalltag von Fachkräften mit Berufsausbildung aus? Dazu hat das Jobportal meinestadt.de über das Marktforschungsinstitut respondi im Juli 2022 insgesamt 3.000 Fachkräfte mit Berufsausbildung zwischen 18 und 65 Jahren befragt, darunter 250 Krankenpflegerinnen und -pfleger sowie Altenpflegerinnen und -pfleger. Die Belastung für die Pflege ist im Vergleich zu anderen Branchen doppelt so hoch und kündigt eine neue Dynamik an.

Studie: Mehrbelastung durch Überstunden doppelt so hoch als in anderen Branchen

91,6 Prozent der befragten Pflegekräfte bestätigen, dass sich der Fachkräftemangel mittlerweile erheblich auf ihren Arbeitsalltag auswirkt. 65,2 Prozent von ihnen müssen aufgrund des Personalmangels Überstunden machen. Bei 18 Prozent hat sich die Arbeitszeit verdichtet: Die Pflegerinnen und Pfleger müssen mehr Aufgaben in der gleichen Zeit erledigen, was ebenfalls Stress und höhere Gesundheitsbelastungen bedeutet. 8,4 Prozent der Pflegekräfte sagen, sie können bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten, weil Personal fehlt. Ein Vergleich mit Fachkräften aus anderen Branchen (Handwerk, Einzelhandel, Logistik) zeigt: Hier müssen im Durchschnitt nur 31,5 Prozent der Fachkräfte aufgrund von Personalmangel Überstunden machen, d.h. die Belastung durch Überstunden ist bei Pflegekräften mehr als doppelt so hoch wie in den anderen Branchen.

Gesundheitszustand – nur bei einer Minderheit gut

Ein Job in der Pflege brachte schon immer besondere Belastungen mit sich: Die körperlich anstrengende Arbeit führt oft zu Rückenproblemen, der Schichtdienst und die Fülle der zu erledigenden Aufgaben bedeuten Stress und erhöhen das Risiko für psychische Erkrankungen.

Wie schätzen Pflegekräfte vor diesem Hintergrund ihren Gesundheitszustand ein? Die Antworten hierauf:

  • 66,8 Prozent fühlen sich durch den Job belastet.
  • Nur 39,6 Prozent schätzen den eigenen allgemeinen Gesundheitszustand als „gut“ oder „sehr gut“ ein. Eine Ursache dafür liegt neben dem Fachkräftemangel auch in der Corona-Pandemie.
  • 72,8 Prozent der Pflegekräfte geben an, dass sich ihre gesundheitliche Belastung durch die Arbeitssituation seit der Pandemie Anfang 2020 erhöht hat.

Doppelbelastung in der Pflege: Körperliche und psychische Anstrengung

Mit 70,1 Prozent steht die körperliche Anstrengung an der Spitze der Belastungsfaktoren in der Pflege. Die psychische Anstrengung kommt mit 64,1 Prozent auf Platz zwei. Damit nimmt die Pflege eine Sonderstellung ein: In keiner anderen Branche gibt eine deutliche Mehrheit der Fachkräfte auch psychische Anstrengung als eine der höchsten gesundheitlichen Belastungen an. 67,2 Prozent der Pflegekräfte nehmen Angelegenheiten und Probleme der Arbeit auch nach Feierabend mit nach Hause. Auch diese Zahl ist im Vergleich besonders hoch: Im Verkauf sind es 57,7 Prozent, im Handwerk 40,4 Prozent.

Wie verhalten sich die Arbeitgeber in der Pflege zum Thema Gesundheit? Die Antworten hierauf:

  • 66,8 Prozent der Pflegekräfte machen derzeit die Erfahrung, dass ihre Arbeitgeber die Gesundheit von Pflegemitarbeitenden nicht gezielt fördern – etwa durch Sport- oder Entspannungsangebote.
  • 73,7 Prozent der Pflegerinnen und Pfleger würden sich solche Gesundheitsangebote aber wünschen.

Studie belegt abnehmende Attraktivität und Bindungskraft des Pflegeberufs

Unter dem doppelten Druck von zunehmender Arbeitsbelastung und abnehmender Gesundheit schwindet die Attraktivität und Bindungskraft des Berufs. Pflegefachkräfte gelten bislang als in besonderem Maße intrinsisch motiviert, sie empfinden ihre Arbeit als besonders sinnstiftend.

Alarmierend sei vor diesem Hintergrund, dass eine Mehrheit der Pflegekräfte jenseits der monetären Vergütung keinen Sinn mehr in ihrer Tätigkeit sieht. Die Frage „Wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, würdest du dann deinen Job aufgeben und etwas machen, was dich wirklich glücklich macht?“ wurde wie folgt beantwortet:

  • 52,8 Prozent beantworten die Frage mit „Ja“.
  • Zwar sind 92,2 Prozent der Pflegekräfte nach wie vor stolz auf das, was sie beruflich leisten, aber
  • für 47,2 Prozent von ihnen überwiegen die „Schattenseiten“ mittlerweile die „schönen Seiten“ des Berufs.

Gesunde Arbeit als Wettbewerbsvorteil

Keine andere Branche bekommt die Folgen des Fachkräftemangels so direkt zu spüren wie die Pflege. Die aktuellen Mehr- und Gesundheitsbelastungen lassen kurz- bis mittelfristig eine höhere Dynamik auf den entsprechenden Arbeitsmärkten erwarten – der Fachkräftemangel werde sich weiter verschärfen. Laut Statistischem Bundesamt haben zwar 2021 insgesamt 7 Prozent mehr Azubis eine Pflegeausbildung begonnen als im Vorjahr, entscheidender wird aber sein, wie viele Pflegekräfte dem Beruf langfristig erhalten bleiben. Der Pflegeberuf muss attraktiver und gesünder werden.

Gesundheit gehört eigentlich in den Leistungskatalog aller Arbeitgeber für Pflegekräfte, auch Angebote für die psychische Gesundheit. Sie bieten ein gutes Mittel, um die weitere Eskalation des Personalmangels einzudämmen und stellen zugleich eine Chance dar, im Employer Branding positiv aufzufallen.

Kontakt zum Autor

Mark Hoffmann, CEO des Regionalportals meinestadt.de., Kontakt: mark.hoffmann@meinestadt.de.