Stellenausschreibung aus neuer Perspektive gestalten Personalsuche durch die ­Bewerberbrille

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Fachkräftemangel

Medizinisches Personal in Kliniken ist überlastet: Zunehmende, auch bürokratische Arbeit stemmen zu wenige Angestellte. Grund für Kündigungen – der Idealismus wird im Arbeitsalltag aufgerieben. Wie Personalabteilungen diese Herausforderung stemmen, passende und qualifizierte Fachkräfte zu finden.

Personalsuche
Der Fachkräftemangels im Pflegebereich stellt die Personalabteilungen in den Kliniken bei der Personalsuche vor große Herausforderungen. – © vegefox (stock.adobe.com)

Die Perspektive der Stellenangebote müsse dringend geändert werden, betont Recruiting-Expertin Pia Tischer. „Personalverantwortliche müssen die Bewerberbrille aufsetzen“, sagt sie. Denn Bewerberinnen und Bewerber fragen sich: Was ist mein Nutzen oder Vorteil, wenn ich für diese Einrichtung tätig werde? Eine Rolle spielten auch das Gehalt oder an­dere finanzielle Leistungen, viel wich-tiger seien allerdings gelebte Anerkennung und Wertschätzung, Weiterbildung oder etwa Dienstplansicherheit, betont die Geschäftsführerin von coveto, einem Anbieter von Recruiting-­Software. Krankenhäuser sollten freie Stellen potenziellen Bewerbern genauso verkaufen, wie ihre Dienstleistungen den Patientinnen und Patienten. „Von der Zielgruppe her denken und herausstellen, was in dieser Stelle wirklich steckt – dieser Blickwechsel ist entscheidend“, erklärt Tischer. Deshalb sollten Arbeitgeber in Stellenausschreibungen die Bewerberfrage beantworten: Was ist für mich drin?

Perspektivenwechsel führt zu mehr Bewerbungen

Andreas Dorow kann Tischers These bestätigen: „Seit wir diesen Perspektivenwechsel vorgenommen haben, bekommen wir mehr und qualitativ bessere Bewerbungen.“ Die Rückmeldung der Kandidatinnen und Kandidaten sei, betont der Chefarzt und Ärztliche Direktor der Dorow Clinic, dass sie in der Ausschreibung v.a. der Satz angesprochen habe: „Freu dich auf eine freundschaftliche und harmonische Arbeitsumgebung mit netten Kolleginnen und Kollegen sowie einer herzlichen und offenen Kommunikation auf Augenhöhe.“ Das sei kein leeres Versprechen, sondern werde gelebt, wie die sehr hohe Kununu-Bewertung von 4,7 belege. Dagegen seien erste Sätze wie „Unsere Klinik hat zwei Standorte mit 5.500 Betten und 7.000 Mitarbeitende“ für interessierte Pflegekräfte schlicht ein „Rausschmeißer“.

„Es geht darum, gleich in den ersten Schritten Vertrauen aufzubauen“, weiß Pia Tischer. Am besten durch ein Video, denn Bewerber spüren, ob die Aussagen authentisch sind. „Deshalb ist in diesem Fall ein hochpoliertes Image-Video einer Marketingagentur kontraproduktiv“, findet sie. Sie empfiehlt so genannte Recruiting-Selfies: Der künftige Vorgesetzte oder Chef nimmt ein Handy in die Hand, redet im Zweifelsfall in seinem Dialekt und nennt drei gute Gründe für eine Mitarbeit in seinem Unternehmen.

Personalsuche Tischer
Recruiting-Expertin Pia Tischer weiß, wie Arbeitgeber potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf sich aufmerksam machen können. – © coveto

„Stille Helden“ finden mit der passenden Akquise

Ideale Bewerber sind gut ausgebildete medizinisch-pflegerische Fachkräfte mit Berufserfahrung, die Vollzeit arbeiten wollen und am besten in allen Schichtmodellen einsetzbar sind. „Die sind aktuell extrem schwer zu finden“, sagt Heiko Baur, Geschäftsführer des Personaldienstleisters Human One. Deshalb sucht der Stuttgarter seine „Stillen Helden“ – die auf den ersten Blick oft nicht ins Schema passen – über Social Media: Von Jobstartern, Quereinsteigern oder Berufsrückkehrern über Alleinerziehenden, Elternzeitlern, Pflegeveteranen bis hin zu Fach- und Führungskräften des Gesundheitswesens – egal ob Voll- oder Teilzeithelden. „Viele Kliniken und Pflegeeinrichtungen finden keine Mitarbeitenden, da sie zu wenig Zeit und Geld in das Recruiting stecken“, findet Baur. „Angesichts des großen Bewerbermangels und dem einhergehenden demographischen Wandel, muss dem Anwerben des Personalstammes im Pflegeumfeld hohe Priorität eingeräumt werden.“ Ansprachemodus, Reaktionsgeschwindigkeit und die sogenannte Candidate Experience – die Wahrnehmungen und Erfahrungen, die ein Bewerber während der Bewerbungsphase mit einem Unternehmen sammelt – seien einige von mehreren erfolgskritischen Faktoren im Talentmanagement.

Personalsuche Dorow
Seit Andreas Dorow Stellenausschreibungen aus Bewerbersicht formuliert, erhält er mehr und bessere Bewerbungen. – © Dorow Clinic

Spezifisch werden statt sich in Einheitsfloskeln verlieren

80 Prozent der Begriffe in Stellenausschreibungen wiederholen sich. Es gibt immer Verantwortung und Vielseitigkeit, Vertrauen und gute Arbeitsatmosphäre oder tarifliche Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zum einen ist das ein Einheitsbrei, in dem die Kliniken oder Pflegeeinrichtungen untergehen. Zum anderen wissen die Bewerber immer noch nicht, was sie in der neuen Stelle genau tun sollen. Mehr Erfolg versprechen Ausschreibungen, die konkret beschreiben, was in der Stelle wirklich zu tun ist. So sucht die Dorow-Clinic einen Service-Coach mit der Arbeitsbeschreibung: Du coachst die Beschäftigten im Hin-blick auf Service sowie Kommunika­tion zu Kunden, Patientinnen und Patienten sowie Kolleginnen und Kol­legen. Dank Deiner Arbeit förderst Du die Teamverbundenheit innerhalb der Klinik. Durch das Führen von Einzel- und Teamgesprächen erhöhst Du unsere Wohlfühlkultur. „Duzen oder Siezen in einer Stellenbeschreibung muss jede Klinik selbst entscheiden, weil es viel über die tatsächliche Zusammenarbeit aussagt“, sagt Andreas Dorow, „wir sind sehr kollegial und familiär miteinander.“

Kontakt zur Autorin:

Silke Blumenröder, Kontakt: s.blumenroeder@gmail.com.