Der internationale Tag der seltenen Erkrankungen am 28. Februar 2022 ist der offizielle Auftakt eines neuen Zentrums zur Entwicklung personalisierter Präzisionsmedizin bei seltenen Erkrankungen. Außerdem müsse eine bessere Studiengrundlage die Therapiequalität von Orphan Diseases verbessern, fordert der AOK-Bundesverband.

Dank einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 7,5 Millionen Euro kann die Care-for-Rare Foundation neue Wege der personalisierten Medizin für die „Waisen der Medizin“ entwickeln. Das neue Zentrum wird zunächst in den bestehenden Räumlichkeiten des Hauner Comprehensive Childhood Research Centers beheimatet sein und soll Kindern aus München, Bayern und der ganzen Welt dienen. Passend zum Motto „Share your Colours!“ – Farbe bekennen des diesjährigen internationalen Tages der seltenen Erkrankungen am 28. Februar 2022 ist das Dr. von Haunersche Kinderspital des LMU Klinikums Teil der „Global Chain of Lights“. Im Rahmen dieser weltweiten Aktion werden auch in Deutschland verschiedene Wahrzeichen und Gebäude in den Farben Blau, Grün, Pink und Lila des Rare Disease Day beleuchtet.
„Auch, wenn Kinder mit seltenen Erkrankungen immer noch die ‚Waisen der Medizin‘ und unseres Sozialsystems sind, so dienen Aktionen wie diese dazu, das Licht der Öffentlichkeit auf das Schicksal der Schwächsten der Schwachen zu richten. Die Fortschritte in Wissenschaft und Medizin geben uns durchaus Grund zur Hoffnung. Gerade hier in München sehen wir, wie sich Diagnostik und Therapie für viele Kinder und Erwachsene stetig verbessern“, sagt Prof. Dr. Christoph Klein, Direktor der Haunerschen Kinderklinik des LMU Klinikums München. Man setze sich dafür ein, dass Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen von einer Ära personalisierter Medizin profitieren. Leider könne immer noch zu vielen Patientinnen und Patienten mit einer seltenen Erkrankung nicht geholfen werden, da Diagnosen komplex und geeignete Therapien nicht zur Verfügung stünden.
Weltweit rund 300 Millionen Menschen betroffen
Aufgrund der Vielfalt der seltenen Erkrankungen ist die Gesamtzahl der Betroffenen trotz der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen hoch. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass etwa jeder 15. Mensch von einer seltenen Erkrankung betroffen ist. Weltweit sind rund 300 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland etwa vier Millionen. Alleine in Bayern leiden in etwa rund 630.000 Menschen an einer Seltenen Erkrankung. In der EU ist eine Erkrankung als selten definiert, wenn maximal fünf von 10.000 Menschen daran leiden. Bislang sind etwa 8.000 dieser sogenannten Orphan Diseases bekannt.
Ausnahmeregelung für Orphan Drugs abschaffen
Anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen sagt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK Bundesverbandes: „Viele Menschen, die an einer seltenen Krankheit leiden, haben auf dem Weg zur Diagnose schon viel Leid erfahren. Deshalb brauchen sie die Gewissheit, dass der Nutzen der vom Arzt/der Ärztin verordneten Medikamente auch nachgewiesen ist. Wie eine aktuelle Analyse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zeigt, ist das bei den Medikamenten gegen seltene Erkrankungen, den sogenannten Orphan Drugs, leider nur bei jedem zweiten Medikament der Fall. Deshalb gehören die Ausnahmeregelungen für Orphan Drugs abgeschafft. Arzneimittel gegen seltene Krankheiten werden wegen des hohen Therapiebedarfs meist auf der Grundlage kleiner oder unvollständiger Studien beschleunigt zugelassen – und das, obwohl auch bei solchen Medikamenten qualitativ hochwertige Studien nicht immer ausgeschlossen sind. Außerdem sind diese von der Nutzenbewertung im AMNOG-Verfahren zunächst befreit, es sei denn, die Jahreskosten in Deutschland übersteigen 50 Millionen Euro. Die beschleunigte Zulassung führt jedoch dazu, dass wir wenig über die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Wirkstoffe wissen.“
Dieser Sonderstatus gelte darüber hinaus für alle Arzneimittel gegen seltene Krankheiten, also auch dann, wenn es mehrere Therapiealternativen gebe. Die Fehlsteuerung wirke sich zum einen negativ auf Patientenversorgung und Patientensicherheit aus und sorge zum anderen für erhebliche Mehrausgaben. Denn diese hochpreisigen Arzneimittel für seltene Erkrankungen würden nicht selten eingesetzt, sondern immer häufiger und belasteten die Solidargemeinschaft. Das müsse sich ändern, denn faire Arzneimittelpreise seien eine grundlegende Voraussetzung für ein nachhaltiges Gesundheitssystem.