Eigene Bäder für alle Patientinnen und Patienten, fugenlose und leicht zu reinigende Nachttische mit schmutzabweisenden Oberflächen, automatisierte Reinigungskonzepte, Desinfektionsmittelspender, die bei Benutzung einen Smiley zeigen: So könnte das „Patientenzimmer der Zukunft“ aussehen.

Der begehbare Demonstrator (Zweibettzimmer) eines solchen „Patientenzimmer der Zukunft“ wurde am 31. August 2022 auf dem Gelände des Städtischen Klinikums Braunschweig eröffnet. In dem Forschungs- und Studienlabor entwickeln Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Materialforschung und Medizin praxistaugliche Musterlösungen für die Krankenhausarchitektur.
Direktes Feedback aus der Praxis für das „Patientenzimmer der Zukunft“
Dass das begehbare Modell auf dem Gelände des Städtischen Klinikums Braunschweig an der Naumburgstraße errichtet wurde, hat große Vorteile:
- Es ermöglicht dem medizinischen Personal den Zugang für praxisnahe Untersuchungen und
- die Forschenden erhalten direktes Feedback von Ärzteschaft, Pflegefachkräften und Auszubildenden.
„Wir betreiben gemeinsam Versorgungsforschung“, betont Dr. Thomas Bartkiewicz, Ärztlicher Direktor des Klinikums Braunschweig. Wichtig ist für uns z.B. die Frage: Wie können wir ein normales Zimmer in ein Intensivzimmer umwandeln? Im Forschungs- und Studienlabor ist es möglich den Klinikalltag nachzustellen und durch den Einsatz von Augmented Reality verschiedene Fallkonstellationen zu trainieren.
„Zukunftsweisend und nachhaltig wollen wir translationale Forschung voranbringen und damit Voraussetzungen für weitere Aktivitäten der Ausbildung und Qualifizierung von medizinischem Personal setzen.“
Dr. Thomas Bartkiewicz
Mit kluger Raumplanung Infektionen vermeiden im „Patientenzimmer der Zukunft“
Auch wenn das Patientenzimmer schon immer im Zentrum des Krankenhausbaus und der Hygiene gestanden hat, ist seine Bedeutung in den vergangenen Jahren in den Vordergrund gerückt – durch die Zunahme von Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Erregern und nicht zuletzt durch SARS-CoV-2. Hier soll kluge Raumplanung helfen, die Übertragung gefährlicher Keime zu verhindern.
Das neue Forschungslabor sieht nur auf den ersten Blick aus wie ein ganz normales Zweibettzimmer im Krankenhaus: Denn im Patientenzimmer der Zukunft stehen die Betten gegenüber statt nebeneinander und es gibt zwei Bäder. Diese Aufteilung soll Kreuzkontaminationen und Kontaktinfektionen vermeiden – dies kann passieren, wenn zwei Personen dieselbe Nasszelle nutzen. Entlang der Arbeitsrouten des Pflegepersonals haben die Forschenden außerdem sechs Desinfektionsmittelspender platziert. Auch an eine besondere Lichtgestaltung wurde gedacht – von ganz hell bei der Visite, über warme Farben in Ruhezeiten bis hin zu einer Lichtleiste, die sensorgesteuert aktiviert wird, wenn die Patientinnen und Patienten nachts aufstehen.
„In Zukunft werden sich Architektinnen und Architekten bei der Planung von Gesundheitsbauten mit der zentralen Frage beschäftigen, wie optimale Bedingungen für Patientinnen und Patienten sowie das Krankenhauspersonal geschaffen werden können und gleichzeitig Flexibilität im Betrieb gewährleistet werden kann.“
Dr. Wolfgang Sunder

Relevante Themen wie Infektionsprävention, Komfort oder Digitalisierung müssten interdisziplinär betrachtet werden. Dr. Sunder, Projektleiter vom Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig betont: „Es reicht bei weitem nicht aus, dass medizinisches Fachpersonal das Thema nur aus seiner Perspektive oder wir es nur aus dem architektonischen Blickwinkel beleuchten.“
„Patientenzimmer der Zukunft“ mit automatisierten Reinigungsprozessen
Neben der Architektur stehen im Forschungslabor funktionelle Oberflächen und Materialien im Fokus. Biobasierte Oberflächen, die leicht zu reinigen sind, minimieren das Risiko einer hohen Keimbelastung. Eingesetzt werden könnten auch Oberflächen, die sich verfärben, sobald sie mit Keimen belastet sind. „Analyse, Anpassung und Optimierung von Oberflächen sowie Einsatz und Entwicklung neuer nachhaltiger Materialien sind zentrale Ansatzpunkte, um die Übertragung von Keimen im Krankenhaus zu verhindern und die Patientinnen und Patienten vor Infektionen zu schützen“, erklärt Dr. Kristina Lachmann, Projektleiterin vom Fraunhofer IST.
„Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, indem wir z.B. Hotspots identifizieren und unter Einsatz digitaler Methoden effiziente umweltfreundliche Reinigungsprozesse entwickeln und anpassen.“
Dr. Kristina Lachmann
Durch Automatisierung und die Integration moderner Sensorik sollen Abläufe und Prozesse effektiver und wirtschaftlicher gestaltet und das Personal entlastet werden.
Das Projekt ist auf drei Jahre mit Option auf Verlängerung angelegt und wird dem stetigen Wandel in der medizinischen Versorgung Rechnung tragen. Eingebunden in die Entwicklung des Patientenzimmers sind auch Partnerinnen und Partner der Industrie aus dem Gesundheitsbereich. So können die Erkenntnisse aus dem Forschungs- und Studienlabor direkt in Planungs- und Bauprozesse von Gesundheitsbauten einfließen, in die Berufspraxis von Kliniken transferiert sowie in die Entwicklung von entsprechenden Produkten übertragen werden.

Patientenzimmer der Zukunft
Der Prototyp des Patientenzimmers wurde im Projekt KARMIN entwickelt und auf dem Gelände der Charité im Rahmen des World Health Summit 2020 in Berlin ausgestellt. Jetzt wird der Demonstrator in ein neues anwendungsorientiertes Forschungs- und Studienlabor überführt.
Die Kooperationspartnerinnen und -partner – das Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig, das Fraunhofer IST und das Städtische Klinikum Braunschweig – können damit Forschungsergebnisse in realer Umgebung direkt einbinden und unmittelbar erproben.