Patienten- und qualitätsorientierte Versorgung Patient-Reported Outcomes: Sind sie die Revolution?

Um Behandlung, Vergütung und Forschung bestmöglich an der Patientenperpektive auszurichten, braucht es Instrumente: PROMs (Patient-Reported Outcome Measures). Sie machen die relevanten Behandlungsergebnisse messbar. An der Charité wird bereits damit gearbeitet. Die intersektorale Etablierung von PROMs kann dabei helfen, die Versorgungsqualität im Sinne der Patientinnen und Patienten zu optimieren. Wann genau der Wandel hin zu einer qualitäts- und patientenorientierten Gesundheitsversorgung begann, ist nicht leicht festzustellen. Klar ist hingegen der Ursprung: Es waren einzelne Medizinerinnen und Mediziner, die begannen, Behandlungsergebnisse transparent miteinander zu teilen, um voneinander zu lernen und die Versorgung zu verbessern. Es folgten erste Abteilungen und Kliniken, die sich der Ergebnismessung unter Einbezug der gesundheitsbezogenen Lebensqualität verschrieben – dem zentralen Behandlungsergebnis. Auf systemischer Ebene blieben entgegen den allseitigen Bekenntnissen zu Qualitätssteigerungen und Patientenzentrierung koordinierte und großflächige Initiativen aus. Innerhalb der grundlegenden finanziellen und organisatorischen Anreize des Fallpauschalen-Systems reduzierte sich der Spielraum sowohl des medizinischen und pflegenden Personals als auch des Krankenhausmanagements immer weiter. Es fehlte selten am Willen zur Veränderung hin zu mehr Qualität, sondern den erforderlichen finanziellen Mitteln oder einer belastbaren Datengrundlage über Prozess- und Volumenparameter hinaus. Drei Ursachen für den Wandel Die kurzfristige Beschleunigung des Wandels hat drei Ursachen: Patientinnen und Patienten fordern, transparent in Definition und Beurteilung der Behandlungsziele eingebunden zu werden. Digitale Hilfsmittel haben sich zur Marktreife entwickelt und stehen abteilungs-, häuser- und landesübergreifend zur Verfügung.Die gesellschaftlich bedingte Notwendigkeit der Krankenkassen, ressourcenverstärkt nach Behandlungsqualität, statt rein nach Volumen zu bemessen ist drängend. PROs und PROMs erfassen Lebensqualität Für das Management im Gesundheitsbereich bietet der Wandel hin zu einer Qualitäts- und Patientenorientierung medizinische, wettbewerbliche und wirtschaftliche Chancen. Um Behandlung, Vergütung und Forschung bestmöglich anhand der Patientenperspektive auszurichten, ist hierbei die Nutzung von Instrumenten notwendig, die diese Perspektive auf Gesundheit vollumfänglich, präzise und zuverlässig erfassen. Dies können Patient-Reported Outcomes (PROs) leisten, die zur Ergänzung bereits existierender Daten mithilfe von PRO-Instrumenten (PROMs) abgefragt werden. PROMs sind standardisierte und validierte Fragebögen, die es ermöglichen, alle Domänen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, die für das subjektive Gesundheitserleben der befragten Person relevant sind, über den gesamten Behandlungszyklus abzubilden. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität umfasst sowohl psychische, physische als auch soziale Aspekte. Standardisierte Outcome-Sets und moderne Frameworks wie PROMIS machen diese vergleichbar. Standardisierte Daten schaffen Vergleichbarkeit Um die für Patientinnen und Patienten relevante Behandlungsqualität bestimmen zu können und mit den aufgebrachten personellen und finanziellen Ressourcen zu verknüpfen, dienen als Basis standardisierte PRO-Daten. Dieses als Value-Based Healthcare (VBHC) bekannte Konzept findet auch in Deutschland immer mehr Fürsprecher. VBHC geht Hand in Hand mit einer Fokussierung auf die für Patientinnen und Patienten relevanten Behandlungsergebnisse statt auf reine Prozess- oder Volumenparameter. In diesem Sinne sollte sich jeder Wettbewerb im Gesundheitswesen entlang des gesamten Behandlungspfades um den Patientennutzen drehen. Eine zentrale Rolle in nutzenorientierten Systemen spielen insbesondere finanzielle Anreizsysteme, die sich an Qualität statt Quantität ausrichten. PROM-Nutzung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin Erste Abteilungen der Charité nutzen bereits seit 2016 patientenberichtete Ergebnismessungen (PROMs). Zukünftig soll in allen Hochschulambulanzen sowie bei der stationären Aufnahme eine standardisierte Befragung der Patientinnen und Patienten als Ergänzung zur Anamnese durchgeführt und mit automatischen Follow-ups ergänzt werden. Ab 2024 könnte in Folge die Patient Journey von bis zu 800.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr die Erfassung digitaler PROMs beinhalten. Die Daten zu körperlicher, psychischer und sozialer Gesundheit werden direkt von den Patienten und Patientinnen vor Ort am Tablet oder einem eigenen Endgerät eingegeben. Das behandelnde Team bekommt die Daten in Echtzeit. Erfasst werden die Daten mithilfe zweier Fragebögen, einem standardisierten zur allgemeinen Gesundheits- und Lebensqualität sowie einem krankheitsspezifischen. Um die Daten vergleichbar erfassen und analysieren zu können, setzt die Charité u.a. auf das PROMIS-Messsystem. Erarbeitet von der Forschungsinitiative Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS), ermöglichen die PROMIS-Skalen eine standardisierte und miteinander vergleichbare Ergebnisanalyse. Den Zuschlag für die Charité-weite Ausstattung bis Ende 2024 erhielt Heartbeat Medical. Erfolgreiches Management mit standardisierten Ergebnisdaten Das aus Peter Druckers Management-Lehre stammende Prinzip „if you can’t measure it you can’t manage it” wird durch patientenberichtete Ergebnisdaten in den Gesundheitssektor übertragbar. Die zu messende und optimierende Zielgröße ist hierbei die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patientinnen und Patienten. Durch eine standardisierte und automatisierte Erhebung von PROMs entlang des Behandlungspfades werden Patientinnen und Patienten integraler Bestandteil der Erfolgsmessung. Sehr bald wird die transparente Differenzierung nach patientenberichteter Qualität ausschlaggebend für Wahl des Leistungserbringers werden, insbesondere bei elektiven Eingriffen. Die kontinuierlich erhobenen Informationen helfen nicht nur dem medizinischen Personal beim Monitoring und frühzeitigen Therapieanpassungen, sondern auch dem Qualitätsmanagment und der Versorgungssteuerung. Abteilungsübergreifend genutzt, ergänzen PROMs die Datengrundlage für medizinische und organisatorische Entscheidungen. Patientenberichtete und klinische Daten gemeinsam zu erfassen und zu nutzen war lange mit technologischen, wissenschaftlich-inhaltlichen und organisatorischen Herausforderungen verbunden. Seit diese weitestgehend überwunden sind, nimmt die Nutzung rapide zu: Monitoring des Therapiestatus auch zu Hause verbessert die Versorgungsqualität. Die Technologie zur digitalen Erhebung und Übermittlung an das medizinische Personal – auch über Abteilungsgrenzen hinweg – steht zur Verfügung. Datenschutz, IT-Sicherheit und Interoperabilität folgen etablierten Prozessen.Wissenschaftlich-inhaltliche Fragen der Validierung und Standardisierung der abgefragten Informationen sind in Abstimmung mit führenden Expertinnen aus der klinischen Routine und Methodenforschung weitestgehend gelöst. So bestehen für häufige Krankheitsbilder der Orthopädie, Onkologie und Inneren Medizin standardisierte PRO-Sets, inklusive der Zeitpunkte und Inhalte der patientenberichteten und klinischen Informationserfassung.Auf organisatorischer Ebene stehen die Einführung neuer Instrumente in enger Wechselwirkung mit der Kultur des Hauses und internen Abläufen. Aufbauend auf dem breiten Erfahrungsschatz des deutschsprachigen VBHC-Netzwerks müssen jedoch nicht mehr alle Wege neu beschritten werden – ob als regionale eigenständiger Leistungserbringer oder als überregionale Versorgergruppe. PROs, PROMs und VBHC Patient-Reported Outcomes (PROs): Als Patient-Reported Outcomes werden Ergebnisse definiert, die direkt von den Patientinnen und Patienten und ohne Interpretation einer dritten Person, bewertet werden. Dies geschieht durch Selbstauskunft, bevorzugt in Form digitaler Fragebögen. (European Medicines Agency EMA, 2016, Kirchberger V et al., 2022) Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) Die Instrumente zur strukturierten Messung von patientenberichteten Outcomes werden als Patient-Reported Outcome Measures bezeichnet. Diese sind in Studien validiert worden und legen sowohl Fragen als auch Befragungszeiträume und Auswertungsskalen fest. Es kann zwischen generischen, den Gesamtgesundheitszustand betreffenden, und krankheitsspezifischen PROMs unterschieden werden. (Food and Drug Administration, 2009) Value-based Healthcare (VBHC) Gesundheitsverständnis, das die gerechte, nachhaltige und transparente Nutzung der verfügbaren Ressourcen zur Erreichung besserer Ergebnisse und Erfahrungen für jeden Menschen ins Zentrum rückt. Als Gleichung vereinfacht „Wert (Value) = bestmögliche für den Patienten relevante Behandlungsergebnisse im Verhältnis zu den Kosten“ (Hurst L et al., 2019; Porter M. et al., 2006) Patientenzentriert von der Behandlung zur Forschung Value-based Healthcare, das ganzheitliche und nutzenorientierte Verständnis von Gesundheit, fordert die aktive Einbindung von Patientinnen und Patienten über analoge und digitale Wege. Nachzufragen, zuzuhören und Informationen in die digitale Gesundheitswelt einzubetten reicht jedoch nicht aus: Die patientenberichtete Versorgungsqualität muss spürbare Auswirkungen auf Versorgungssteuerung, Vergütung und Forschung entwickeln. Im Bereich der Versorgungssteuerung hat dieses Verständnis von Patientenzentrierung als systemveränderndes Moment konkrete Auswirkungen. Patientinnen und Patienten erwarten, direkter und transparenter in die Festlegung und Überprüfung der für sie relevanten Behandlungsziele eingebunden zu werden. Das Bedürfnis des medizinischen Fachpersonals, voneinander zu lernen, um Lebensqualität zu erhalten oder zu erhöhen, ist zudem tief im medizinischen Selbstverständnis verwurzelt. Kontinuierliches und standardisiertes PRO-Monitoring kann zur Verbesserung in beiden Bereichen beitragen. Mit steigendem Bewusstsein für die Bedeutung finanzieller Anreizsysteme, wandelt sich die Rolle patientenberichteter Daten in der Vergütung. Erstmals formen sich kassenübergreifende Kooperationen mit Leistungserbringern, um auf routinemäßiges PRO-Monitoring qualitätsorientierte Zusatzvergütungen aufzusetzen. Die Beantwortung patientenrelevanter Fragen aus Forschung und Medizinproduktenwicklung schließt sich logisch an. Immer mehr öffentliche und private Initiativen setzen sich für die verantwortungsvolle Nutzung von Lebensqualitätsdaten ein. Besonders für Therapieverbesserung bei seltenen Erkrankungen werden Daten aus dem Versorgungsalltag eine zentrale Rolle spielen. Die positiven Auswirkungen einer qualitätsorientierten Versorgung betreffen dabei immer in erster Linie die Patientinnen und Patienten selbst. Beispielsweise können Therapien basierend auf einer Verschlechterung einzelner PRO-Werte angepasst werden, um einem unvorteilhaften Heilungsverlauf entgegenzutreten. Zugleich können die Erkenntnisse aus vielen individuellen Behandlungspfaden eines Krankheitsbildes genutzt werden, um valide Vergleichswerte zu erstellen und zukünftig bereits optimierte Behandlungspfade zugänglich zu machen. Dieses Potenzial auszuschöpfen und einen wirtschaftlich sinnvollen Wettbewerb um Qualität statt um reines Volumen zu führen, wird die Versorgung nachhaltig verbessern. Kontakt zu den Autoren: Yannik Schreckenberger, Geschäftsführer, Heartbeat Medical, schreckenberger@heartbeat-med.de Moritz Neubauer Kommunikation, Heartbeat Medical, neubauer@heartbeat-med.de Literatur European Medicines Agency EMA: Appendix 2 to the guideline on the evaluation of anticancer medicinal products in man: The use of patientreported outcome (PRO) measures in oncology studies. https://www.ema.europa.eu/en/news/integrating-patients-views-clinical-studies-anticancer-medicines.[13.09.2022]Food and Drug Administration. Patient-Reported Outcome Measures: Use in Medical Product Development to Support Labeling Claims.Guidance for Industry. https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/patient-reported-outcome-measures-use-medical-product-development-support-labeling-claims.[13.09.2022]-Hurst L et al. (2019) Defining Value-based Healthcare in the NHS. Centre for Evidence-Based Medicine Report, 4 (4), 1-13.Kirchberger V. et al. (2022) Value-Based Healthcare für Krankenhausmanager – gute Versorgungsqualität messbar machen. In: Debatin J. F. (Hrsg.) Krankenhausmanagement. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.Porter M. E., Teisberg E. O. (2006) Redefining health care: Creating value-based competition on results. Boston: Harvard Business School Press.

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