Transparenzverzeichnis +++aktualisiert+++ Orientierung für Patienten: Neues Online-Verzeichnis für Kliniken

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Wenn es um eine geplante Operation geht, überlegen viele schon einmal genauer, ob die Klinik in nächster Nähe immer die beste ist. Bei der Entscheidung soll ein neues Portal helfen – unumstritten ist es nicht.

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Für die Entscheidungsfindung, in welches Krankenhaus bei einer Operation, soll Patientinnen und Patienten bald ein Online-Verzeichnis helfen. Der Start wird für April 2024 angestrebt. – © Day Of Victory Stu. (stock.adobe.com)

Zur besseren Orientierung für Patientinnen und Patienten soll ein staatliches Online-Verzeichnis zu Leistungen und Behandlungsqualität der Krankenhäuser in Deutschland geschaffen werden. Das sehen Gesetzespläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor, die das Bundeskabinett am Mittwoch, 14. September auf den Weg brachte. Das „Transparenzverzeichnis“ soll in verständlicher, interaktiver Form über das Angebot am jeweiligen Klinikstandort informieren, wie das Ministerium erläuterte.

Das „Transparenzverzeichnis“ soll im April 2024 starten und als interaktives Portal verständlich über das jeweilige Angebot an bundesweit rund 1.700 Klinikstandorten informieren. Aus den Ländern und der Branche kam Kritik. Das Gesetz soll eine grundlegende Neuaufstellung der Kliniken mit Änderungen bei der Finanzierung ergänzen, an der Bund und Länder gemeinsam arbeiten.

Online-Verzeichnis soll Versorgungsqualität verbessern

Lauterbach sagte in Berlin: „Mehr Transparenz ist überfällig und hilft Krankenhäusern wie Patientinnen und Patienten gleichermaßen.“ Ärztinnen und Ärzte würden immer wieder gefragt: „Welches Krankenhaus ist wie gut für was?“ Überall in Deutschland leisteten Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte fantastische Arbeit. Trotzdem könne nicht jeder alles. „Wir haben noch immer die Situation, dass es Oberärztinnen sowie Oberärzte gibt, die am Montag eine Knie-Operation durchführen und am nächsten Tag eine Darm-Operation.“ Das sei natürlich nicht eine Versorgungsqualität, die man sich wünsche.

Dabei muss es in akuten Notfällen meist möglichst schnell ins nächste geeignete Krankenhaus gehen. Eine bessere Orientierung bieten soll der Klinik-Atlas zum Durchklicken aber bei planbaren Behandlungen, für die man auch einige Kilometer mehr zu einer Klinik fahren kann.

Expertise und Entfernung

Lauterbach machte klar, dass ein genauerer Blick auf die Behandlungsqualität im dichten Kliniknetz nicht gleich zu viel längeren Wegen führen muss. Er verwies auf die Analyse einer Regierungskommission, wonach jährlich knapp 5.000 Menschen mehr im ersten Jahr nach einem Schlaganfall überleben könnten – wenn alle Patientinnen und Patienten nur in Kliniken mit Spezialabteilungen (Stroke Unit) kämen. Die durchschnittliche Anfahrtszeit würde sich bei einer Konzentration auf die Spezialstandorte um zwei Minuten auf 23,4 Minuten verlängern.

Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützt Online-Verzeichnis

Die Verbraucherzentralen unterstützen die generelle Stoßrichtung zu mehr Klarheit. Der Gesundheitsexperte des Bundesverbands, Thomas Moormann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Transparenz ist bislang keine Stärke des Gesundheitssystems in Deutschland.“ Patientinnen und Patienten hätten es schwer, das für sie am besten geeignete Krankenhaus zu finden. „Es gibt einen Flickenteppich unterschiedlichster Krankenhaussuchportale.“ Man könne aber nicht erkennen, wie erfolgreich Behandlungen des jeweiligen Krankenhauses bei einem konkreten gesundheitlichen Problem sind.

„Mit einem gut gemachten Transparenzverzeichnis könnte sich das ändern“, sagte Moormann. Damit es einen Mehrwert habe, müsse aber auch die tatsächliche Ergebnisqualität der Behandlung bei Patientinnen und Patienten erfragt und in einem solchen Verzeichnis abgebildet werden. Außerdem bestimmten Arzt-Patienten-Gespräche die Entscheidung für ein Krankenhaus maßgeblich mit. Daher müssten Informationen zu

  • Leistungen und
  • Qualität der Häuser

bereits in den Praxen verfügbar sein und in die Gespräche einfließen können.

Klinik-Atlas für Deutschland

Das Gesetz soll eine geplante große Krankenhausreform ergänzen, auf deren Grundzüge sich Bund und Länder mehrheitlich verständigt hatten. Dabei geht um eine Art Klinik-Atlas für Deutschland:

  • „Patientinnen und Patienten sollen erkennen können, welches Krankenhaus in ihrer Nähe welche Leistungen anbietet, und wie diese Klinik im Hinblick auf Qualität sowie ärztliche und pflegerische Personalausstattung abschneidet“, erläuterte das Ministerium.
  • Dazu sollen die Kliniken künftig zusätzliche Daten melden müssen – u.a. zu Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten. Über zwei Institute sollen diese mit anderen Qualitätsdaten zusammengeführt, aufbereitet und auch aktualisiert werden. Lauterbach betonte, dass es um tiefergehende Infos als bei bestehenden Angeboten gehe. Auch die Verbraucherzentralen dringen auf mehr Transparenz..
  • Eingeordnet werden sollen die Kliniken im Verzeichnis auch nach Versorgungsstufen („Level“) – von der wohnortnahen Grundversorgung bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken. Den Stufen zugeteilt werden sollen sie auf Basis von 65 Leistungsgruppen, die medizinische Leistungen näher bezeichnen – etwa Infektiologie, Kinder- und Jugendchirurgie, Augenheilkunde, Urologie, Intensivmedizin.

Online-Verzeichnis: Transparenz und einheitliche Vorgaben

Um das Vorhaben hatte es im Ringen um eine generelle Neuaufstellung der Kliniken in Deutschland schon einigen Wirbel gegeben. Die Länder bremsten eine stärker steuernde Funktion dieser „Level“ in der Reform selbst aus. Lauterbach pochte aber auf Transparenz und einheitliche Vorgaben zur Behandlungsqualität. Das Gesetz zur Krankenhausreform wollen Bund und Länder gemeinsam angehen, nachdem sie Eckpunkte dafür vereinbart haben. Das Verzeichnis macht der Bund nun in Eigenregie.

Dabei zielt das künftige Info-Portal auf planbare Operationen und Behandlungen, für die Patientinnen und Patienten auch zu entfernteren Kliniken fahren. In Notfällen muss es meistens möglichst schnell ins nächste geeignete Haus gehen. Das Ministerium verspricht sich von mehr Vergleichbarkeit auch Motivation für die Kliniken zu Qualitätsverbesserungen.

Level-Zuordnung gefährde Akzeptanz kleinerer Gesundheitseinrichtungen

Um das Vorhaben hatte es im Ringen um die geplante generelle Neuaufstellung der Kliniken schon Wirbel gegeben. Die Länder bremsten eine stärker steuernde Funktion der „Level“ in dieser Reform aus und pochen auf ihre Planungshoheit. Der Bund macht das Transparenzgesetz daher in Eigenregie – und im Bundesrat ist es nicht zustimmungspflichtig, wie Lauterbach gleich dazusagte. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warnte vor Verunsicherung und einer Gefährdung für die Akzeptanz insbesondere kleinerer Häuser. Außerdem drohe auch eine Überlastung größerer Spezialkliniken durch leichte Fälle. Der Vorsitzende der Länder-Ressortchefs, Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg, warnte vor weiterem Bürokratieaufwand.

Protest gegen Level-Einordnung

Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kam Protest gegen eine Einordnung der Kliniken nach Stufen („Level“) – von der wohnortnahen Grundversorgung bis zu Maximalversorgern wie Uni-Kliniken. Basis sollen die 65 Leistungsgruppen sein. Habe eine Klinik wenige davon, aber viel Erfahrung in bestimmten Behandlungen, werde sie einem niedrigen „Level» zugeordnet, monierte die DKG – und die Botschaft für Patientinnen und Patienten wäre, besser in eine Klinik mit höherem „Level“ zu gehen, obwohl die Qualität hervorragend wäre. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nannte es richtig, auch die Häufigkeit von Komplikationen anzuzeigen. Es gelte aber zu verhindern, dass jüngere, erfolgversprechende Patientinnen und Patienten bevorzugt behandelt werden. Das wäre Diskriminierung Älterer, chronisch Kranker und Pflegebedürftiger.

Sozialverband Deutschland spricht sich für eine stärkere Patientenbeteiligung aus

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert eine stärkere Beteiligung der Patientinnen und Patienten. „Eine patientenorientierte Qualitätsinformation kann es nicht ohne eine umfassende Patientenbeteiligung geben“, sagte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier der ‚Augsburger Allgemeinen‘ (Dienstag, 12. September 2023). Der SoVD fordert außerdem, dass das Transparenzverzeichnis „von einer unabhängigen, staatsfernen und sich allein dem Patienteninteresse verpflichteten Stelle“ veröffentlicht wird und nicht durch eine staatliche Behörde.

Universitätsklinika zum Transparenzgesetz

Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD) begrüßt den Kabinettsbeschluss zum Krankenhaustransparenzgesetz als ersten wichtigen Schritt einer konsequenten Umsetzung der Krankenhausreform. Mit dem Transparenzverzeichnis auch Informationen über die Qualität der Versorgung zur Verfügung zu stellen sei richtig, aber auch anspruchsvoll. Die Darstellung von Ergebnisqualität müsse auf einer wissenschaftlich entwickelten, risikoadjustierten Bewertung der Qualität beruhen.

„Das Krankenhaustransparenzgesetz ist der Startschuss zur Umsetzung des Eckpunktepapiers. Das Bundesgesundheitsministerium hat den ersten Teil geliefert. Bei den weiteren Schritten sind nun wieder Bund und Länder gemeinsam gefordert, um die dringend notwendigen strukturellen Veränderungen auf den Weg zu bringen, betont Jens Bussmann, VUD-Generalsekretär.

Lauterbach Krankenhausreform
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. – © BMG/Thomas Ecke

Die Zukunft der Kliniken

Lauterbach ließ erkennen, dass er dennoch auf die weitere gemeinsame Arbeit mit den Ländern an der eigentlichen Krankenhausreform baut. Dazu soll ein Gesetzentwurf kommen. Der Kern ist, die Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern, um Kliniken von Finanzdruck zu immer mehr Fällen zu lösen. Stattdessen sollen sie einen großen Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Angeboten bekommen. Das sichere auch kleine Häuser, betonte Lauterbach. Und nicht vertretbar wäre es zu sagen: Damit eine Klinik auf jeden Fall überlebe, müsse es intransparent bleiben, um weiterhin auch schlechte Qualität abrechnen zu können.