Nachhaltige Krankenhausbetriebsführung Ökologie, Ökonomie und Soziales im Einklang

Nachhaltigkeit gewinnt im Gesundheitswesen an Bedeutung. Krankenhäuser können einen erheblichen Beitrag zur Verringerung des „Carbon Footprint“ leisten. Welche Hürden eines auf Nachhaltigkeit gerichtetes Management dabei zu nehmen hat und wie klimaneutral gemanaget werden kann.Der Gesundheitssektor erzeugt 4,4 Prozent mehr Treibhausgase als Schifffahrt und Flugverkehr zusammen, dabei zählen Krankenhäuser zu den Unternehmen mit einem deutlichen ökologischen Fußabdruck: Ein Klinikbett verbraucht pro Jahr so viel Energie wie vier Einfamilienhäuser. Jeden Tag landen 460 Gramm energieaufwändig zubereitete Speisen im Müll, es fallen sechs Kilogramm Abfall pro Bett an. Jeden Tag verbraucht eine zu behandelnde Person im Krankenhaur 500 Liter Wasser; ihr täglicher Energieverbrauch liegt bei 110 Kilowatt in der Stunde. Bis zum Jahr 2030 soll gemäß Klimaschutzgesetz in der EU der CO2-Ausstoß um 55 Prozent reduziert werden und bis 2050 heißt die Zielstellung „Klimaneutralität“. Das Erreichen von Klimazielen stellt nicht nur eine technologische Herausforderung dar, sondern führt zumindest in einer Übergangszeit auch zu einer Verteuerung von CO2-Zertifikaten sowie zu einer Steigerung von Energiekosten (Strom, Benzin), wodurch Unternehmen, aber auch Haushalte kostenmäßig belastet werden. Auch Verzichtsszenarien stehen in der Diskussion um das weitere Vorgehen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Gerade in Zeiten gebremsten Wirtschaftswachstums und zunehmender Staatsverschuldung als Folge der Pandemie, spürbarer Lieferabrisse bei Schlüsseltechnologien (Halbleiter, Pharmabasisprodukte etc.) und politisch-gesellschaftlicher Neuorientierung nach den letzten Wahlen wird deutlich, dass Klimaziele nur dann ohne gesellschaftliche Disruption zu erreichen sind, wenn ökonomische, ökologische und soziale Aspekte bei jedem Eingriff in das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ausgewogen Berücksichtigung finden. Nachhaltigkeit als Führungs-herausforderung Führung, Unternehmensstrategie, Organisationsstruktur und Kompetenzrahmen für Mitarbeitende ebenso wie Grundsätze der Personalpolitik sind immer auch eingebettet in die ökonomische und kulturelle Entwicklung einer Gesellschaft. In diesem „magischen Dreieck“ zeigt sich die Herausforderung: Ökologische Ziele werden idealerweise über ökonomische Anreize erreicht. Dabei ist soziale Ausgewogenheit sicherzustellen, um Akzeptanz für ein Management der Nachhaltigkeit zu erreichen. Andererseits ist Unternehmensführung als Folge einer zunehmenden Abkehr vom Shareholder-Value-Prinzip auch gefordert, die gesellschaftlichen Ansprüche im Hinblick auf eine Gemeinwohlorientierung – zumindest bis zu einem ausgewogenen Grad – zu reflektieren. Diese Aspekte sollten ebenso wie die Art der Personalführung in die Unternehmensstrategie einfließen. Antrieb: Gesellschaftliche VerantwortungVon Unternehmen wird dem aktuellen Zeitgeist zufolge verlangt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, zum Gemeinwohl beizutragen, sich in der Gemeinde zu engagieren und damit nachhaltig und ganzheitlich zu agieren.Die in den letzten Jahren festzustellende schrittweise Umorientierung in der Philosophie der Unternehmensführung weg vom Shareholder Value (kurzfristige Marktkapitalisierung und Steigerung des Anlagewertes der Kapitalgeber als oberstes Unternehmensziel), hin zu einem Stakeholder-Value-Ansatz (Nutzenerbringung für die relevanten Bezugsgruppen des Unternehmens) hat laut dem Rat für nachhaltige Entwicklung auch die ökologische Entscheidungskomponente und damit das Kriterium der Nachhaltigkeit ins Spiel gebracht. Nachhaltigkeit: Was ist das genau?Der Nachhaltigkeitsbegriff wurde erstmals ausreichend präzise und operational im Brundland-Bericht 1987 definiert „as meeting the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their needs“ – zu Deutsch: als Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Aus der politischen Diskussion als Folge des Brundland-Berichts entwickelte sich das „Drei-Säulen-Modell“ nach Kenning bzw. das „Triple Bottom Line“ nach Elkington: Die ökologische Nachhaltigkeit zielt auf eine Lebens- und Wirtschaftsweise, die die natürlichen Ressourcen nur im Umfang ihrer Erneuerbarkeit belastet.Ökonomische Nachhaltigkeit bezeichnet das Bestreben, Entscheidungen zu fällen, die mit einer dauerhaften Finanzierbarkeit verbunden sind und durch die gesellschaftspolitisch relevante Konsequenzen wie Arbeitslosigkeit, Altersarmut oder Bildungsnotstand vermieden oder zumindest abgemildert werden. Auch darf ein Staat nicht seine Verschuldung ausweiten, um parteipolitische Ziele (Wahlversprechen) oder andere ideologisch motivierte Ziele (sofortiger Atom- und Kohleausstieg ohne Rücksicht auf Arbeitslosigkeit und Versorgungssicherheit) zu erreichen.Soziale Nachhaltigkeit beachtet die Auswirkungen ökologisch und ökonomisch motivierter Entscheidungen auf die soziale Situation von Bezugsgruppen und der Gesellschaft insgesamt. Staat und Gesellschaft sollen in einer Form organisiert werden, dass soziale Spannungen aufgrund divergierender Meinungen oder ungleicher Einkommens- und Vermögensverteilung vermieden werden und Konflikte auf friedlichem Weg ausgetragen werden.Nachhaltigkeitsdimensionen ins Management überführenHeruntergebrochen auf die operative Ebene des Managements bedeutet dies, konkrete Handlungsschwerpunkte zu identifizieren, die sich für ein Nachhaltigkeitsmanagement anbieten, und es sind Entscheidungsprinzipien festzulegen, mit deren Hilfe insbesondere Beschaffungs- und Investitionsentscheidungen auf den Prüfstand der Wertorientierung sowie des „Carbon Footprint Effect“ gelegt werden (siehe Grafik S. 29). Corporate Social Responsability und Carbon FootprintEin zweiter Begriff, der oft im Zusammenhang mit dem Ansatz ökologischer Wirtschaftsführung auftaucht, ist das Konzept „Corporate Social Responsibility“. Aus der Weiterentwicklung des CSR-Konzepts entstand der Ansatz des Nachhaltigkeitsmanagements (nachzulesen in Meffert/Hensmann, 2014). Nachhaltigkeitsmanagement im Sinne von „Sustainable Leadership“ ist die Weiterentwicklung von der Macht- und Wettbewerbsorientierung zur Gesellschaftsorientierung. Im Idealfall werden alle Entscheidungen in einem Unternehmen orientiert an der ausgewogenen Berücksichtigung der drei Zielbereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales getroffen. Sichtbaren Niederschlag fand dieser neue Ansatz bislang in zwei Bereichen: Das Management der Markenführung wurde im Sinne eines „sustainable branding“ erweitert um die Gesellschaft als Anspruchsgruppe („society at large“).In der Personalführung sind mittlerweile erste Schritte eines Umdenkens zu erkennen: Der Nachweis einer nachhaltigen Unternehmensführung soll demonstrieren, dass das Unternehmen bereit ist, auf die Bedürfnisse einer Generation einzugehen, die durch Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder „Green-peace“ repräsentiert wird. Wie ein Krankenhaus „grün“ werden kann?Das Ziel des emissionsarmen „Grünen Krankenhauses“ ist nur zu erreichen auf Basis einer nachhaltigen Beschaffungs-, Gebrauchs-, Verbrauchs- und Entsorgungspolitik, die auf intelligente Standardisierung des Produktportfolios setzt sowie das Ge- und Verbrauchsverhalten im Klinikalltag verschwendungsfrei gestaltet. Dies ist wiederum nur zu leisten durch konsequente Realisierung kreislauforientierter Systeme bei Produktion, Gebrauch, Verbrauch und Entsorgung. Solche „Cradle-to-Cradle-Produkte“ wie die Verwendung von Mehrwegtextilien auf Basis biologisch abbaubarer Polymer-Fasern sind derzeit aber etwa 30 Prozent teurer als funktionsgleiche Produkte herkömmlicher Herstellungsweise. Für die Krankenhäuser ist dies im aktuellen Vergütungssystem nicht finanzierbar. Hier ist der Staat weniger mit Gesetzen und Vorschriften gefragt, sondern mit „grünen Preisen“ für ausgewählte Produkte und Pilotprojekten mit Anschubfinanzierung und wissenschaftlicher Begleitung. Andererseits sind die Krankenhäuser gefordert, Beschaffungs- und Investitionsentscheidungen auf Basis eines Kriterienkatalogs zu treffen, der ökonomische (z.B. Betriebskosten), ökologische (z.B. Müllaufkommen) und betrieblich-soziale (d.h. patienten- und mitarbeiterbezogene) Effekte abgreift. Hier geht es um die Bewertung von Prozess- und CO2-Effekten eines Medizinprodukts über dessen Lebenszyklus. Nachhaltigkeit in Einkauf und LogistikDas Thema „Nachhaltigkeit in Einkauf und Logistik“ wird auch ein Schwerpunkt auf dem Beschaffungskongress der Krankenhäuser, der unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff am 1. und 2. Juni 2022 in Berlin stattfinden wird. Es wird z.B. die Frage behandelt, wie Logistik und Beschaffung den CO₂-Fußabdruck von Krankenhäusern und anderen Healthcare-Einrichtungen verbessern können. Mehr zum Kongress unter www.beschaffungskongress.de .

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