Update nach der Bundestagswahl 2021 Notwendige Reformen nach der Regierungsbildung

Zum Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe Mitte Oktober drehte sich das Koalitionskarussell noch. In dieser Phase waren zahlreiche Forderungen aus dem Gesundheitsmarkt zu hören. Die HCM-Redaktion hat die drängendsten Positionen zusammengestellt.Ampel, Jamaika oder doch eine andere Parteienkonstellation? Kurz vor dem Druck dieser Ausgabe sind die Sondierungsgespräche wie es scheint noch länger nicht abgeschlossen. Gewisse Zusammenstellungen sind wohl wahrscheinlicher als andere, aber letztendlich muss Deutschland schlichtweg abwarten, an welchen Stellen sich die Parteien zusammenraufen können und wollen. Hinsichtlich der künftigen Gesundheitspolitik bleibt es damit ebenfalls spannend. An unterschiedlichen Stellen werden bestimmte Forderungen fast noch lauter als vor der Bundestagswahl. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte die neue Bundesregierung zu umgehenden Reformen auf: „Bund und Länder müssen jetzt gemeinsam handeln.“ Kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der Krankenhausversorgung seien zu ergreifen, ein nachhaltiger Reformprozess für die Veränderung der Kliniklandschaft dürfte nicht gefährdet werden. Der Hintergrund laut DKG: Unabhängige ökonomische Studien wie der Krankenhaus-Rating-Report des RWI zeigen, dass die Krankenhauslandschaft 2022 massiv von Klinikinsolvenzen bedroht ist, wenn die Politik nicht handelt. Jedes achte Krankenhaus sei akut insolvenzgefährdet – und Krankenhäuser sollten nicht aus wirtschaftlicher Not im Vorfeld einer echten Strukturreform schließen müssen. Das Defizit der Investitionsfinanzierung durch die Länder, betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gaß, sei seit vielen Jahren ein schweres Versäumnis, das zu Lasten der Patienten geht. „Dringend notwendige Finanzmittel für Personal in der Patientenversorgung müssen von den Krankenhäusern in Investitionen umgeschichtet werden, um diese Lücken auszugleichen. Das ist ein Umstand, den die Bundesländer kennen und dennoch nicht handeln.“ Personal: Pflege oben auf die Agenda setzenSo zeige die Pandemie nachdrücklich, dass die Pflege umgehend ein starkes Signal von der Politik erwartet. „Wir fordern eine neue Bundesregierung auf, die bundesweite Pflegepersonalbedarfsbemessung einzuführen, die der Deutsche Pflegerat, ver.di und die DKG gemeinsam entwickelt haben. Wir brauchen ein klares Zeichen an die Pflegenden, dass ihre Arbeitsbelastung wahr- und ernstgenommen wird und die Politik konkret und kurzfristig Schritte ergreift, um dem Personalmangel entgegenzuwirken“, erklärte DKG-Präsident Ingo Morell. Auch der Deutsche Pflegerat meldet sich im Kontext des Wechsels in Berlin zu Wort. „Das Pflegesystem krankt seit langem an massiven Problemen und dem Pflegenotstand“, betont sein aktuelles Forderungspapier. Deshalb kommt von ihm der Aufruf an die neue Bundesregierung, mehr für eine gute pflegerische Versorgung zu tun als die Vorgängerregierung. Zu den Forderungen zählen Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen: Die Personalausstattung soll verbessert, die erwähnte Pflegepersonal-Regelung (PPR) 2.0 nach der Warteschleife seit 2019 endlich umgesetzt werden. Ein Mehrbedarf an 80.000 Stellen wird sich hieraus ergeben, die auch in den kommenden drei Jahren finanziert werden müssen. Die resultierende ausreichende Personaldecke sorge im Übrigen für sichere und qualitative Versorgung. Fortschritte bei der verantwortlichen Übertragung von Aufgaben an fort- und weitergebildete bzw. akademisch ausgebildete Pflegekräfte stehen ebenfalls auf der Liste an Forderungen. „Hier erwarten wir – anstelle von Modellprojekten – mutigere und klarere gesetzliche Festlegungen“, sagt Irene Maier, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, auf dem Deutschen Pflegetag. „Diese zwei elementaren Punkte kommen der Versorgungsqualität zugute; sie steigern ferner nachhaltig die Berufszufriedenheit und helfen, Berufsflucht zu vermeiden.“ Aufgrund des Finanzierungsbedarfs bzw. der Budgetverschiebung stehen die Positionen der Kassen bzw. der Ärzte diesen Ansätzen entgegen. Digitalisierung und AmbulantisierungNeben dem Personalmangel sind die Digitalisierung und Ambulantisierung die Kernthemen der nächsten Jahre, unterstrich VKD-Präsident Dr. Josef Düllings. „Bessere Gesetze sind nötig im Kampf gegen den Personalmangel bei Ärzten und Pflegenden – das PPSG ist unbrauchbar. Die Digitalisierung erfordert nach dem Anschub durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) eine Verstetigung der Finanzierung. Und ambulante Versorgung lässt sich aufgrund der demografischen Entwicklung und mit Qualität nur an Krankenhäusern erbringen.“ Eine oktroyierte Strukturbereinigung würden die Länder ohnehin nicht mitmachen, urteilt Dr. Düllings; diese führe tatsächlich eher Personalmangel herbei – so, wie sich das bereits bei der Geburtshilfe zeige. Für 2022 fehlen der GKV sieben Milliarden EuroBei vielen der hier ausgewählten Forderungen ist Geld im Spiel. Und zu diesem Thema meldete sich auch die GKV-Seite zu Wort: So hat der GKV-Schätzerkreis – aus Experten von Bundesgesundheitsministerium, Bundesamt für Soziale Sicherung und GKV-Spitzenverband – allein für das nächste Jahr einen zusätzlichen Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung von sieben Milliarden Euro prognostiziert. Hintergrund hierfür ist die Erwartung höherer Ausgaben 2022. „Um den für das kommende Jahr gesetzlich vorgegebenen rechnerischen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,3 Prozent nicht zu überschreiten, muss die Bundesregierung nun eine Rechtsverordnung auf den Weg bringen, die den Bundeszuschuss um das festgestellte Finanzdefizit erhöht“, forderte der Spitzenverband. Was lesen wir aus diesen Äußerungen heraus? Es gibt zahlreiche Wegmarken für die Person, die die Führung des Bundesgesundheitsministeriums übernimmt. Ob die gesundheitspolitischen Anforderungen der Selbstverwaltung die nötige Aufmerksamkeit finden werden, wird sich zeigen. In jedem Fall wird es die kommenden Jahre um Kompromisse unter den Stakeholdern und der Koalition gehen müssen.

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