Interview mit Karin Maag „Noch näher an der Versorgung dran“

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seit 1. Juli 2021 ein neues unparteiisches Mitglied: Karin Maag. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion spricht mit HCM u.a. über die Herausforderungen der Selbstverwaltung.Karin Maag, Juristin aus Stuttgart und ehemalige Bundetagsabgeordnete, ist jetzt unparteiisches Mitglied im G-BA.Qualitätssicherung, Disease-Management-Programme (DMP) sowie die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV) sind die zentralen Arbeitsgebiete von Karin Maag in ihrer neuen Position als unparteiisches Mitglied im G-BA. Seit 1. Juli 2021 übernimmt sie in den beschlussvorbereitenden Unterausschüssen zu diesen Themen den Vorsitz. HCM hat mit der ehemaligen Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU vier Wochen nach ihrem Einstand u.a. über ihre neuen Aufgaben, Kritik an der Selbstverwaltung und ihre Wünsche an die künftige Gesundheitspolitik gesprochen. Dabei ging es auch um die Beteiligung der Pflege in Prozessen des G-BA. Frau Maag, wie fühlt es sich an, aus der Gesundheitspolitik in das oberste Gremium der Selbstverwaltung zu wechseln? Maag: Mit dem Angebot in den G-BA zu wechseln, hätte ich bis in den Anfang dieses Jahres nicht gerechnet, doch ich habe mich sehr darüber gefreut. Die zwölf Jahre im Bundestag waren eine schöne Zeit. Aber jetzt bin ich anstelle an der Rahmengesetzgebung des SGB V noch näher an der Versorgung dran. Damit habe ich deutlich mehr Möglichkeiten, Gesundheitsversorgung direkt zu gestalten und zu verbessern – mit einem neuen, großartigen Team. Wie sieht Ihre Arbeit als unparteiisches Mitglied im G-BA aus? Gibt es nach vier Wochen bereits einen typischen Arbeitstag? Maag: Ich habe noch keine normalen Arbeitstage seit 1. Juli erlebt (lacht). Die ersten von mir vorbereiteten Gremiensitzungen sind geschafft und nun arbeite ich mich sukzessive in meine Arbeitsbereiche ein. Im Moment ist einfach nichts typisch oder üblich. Ich lerne die neue Kolleginnen und Kollegen kennen, tausche mich mit den verschiedenen Interessenvertretungen aus und versuche so schnell wie möglich, in eine neue Routine zu kommen. In einem Interview mit dem GKV-Spitzenverband haben Sie von Prozessen berichtet, die Sie persönlich im Bundestag angestoßen haben und nun beim G-BA weiterbegleiten können. Welche sind das konkret? Maag: Dazu gehört z.B. der Komplex der ASV. Hier haben wir noch nicht die Anzahl an sektorenübergreifenden ASV-Teams, wie es wünschenswert wäre – deshalb müssen wir auch als G-BA schauen, an welchen Stellen es letztlich hakt. Diesen Prozess kann ich nun aus neuer Perspektive begleiten. Ein weiteres Beispiel ist das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), für das ich im Bundestag mitverantwortlich war. Für den G-BA ergeben sich daraus neue Aufgaben, die ich mitgestalten kann. Sind Sie denn damit zufrieden, wie diese Themen bisher im G-BA angegangen wurden? Maag: Es ist vielleicht noch ein bisschen zu früh für mich, das abschließend zu beurteilen. Meine Wahrnehmung ist allerdings, dass einige Prozesse sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Welche Detailfragen oder Entwicklungsschritte dafür verantwortlich sind, wird sich herausstellen. Ich denke aber, wir sind hier auf einem guten Weg. Zumal der letzte Fristenbericht des G-BA zeigt, dass fristgebundene Aufträge fast alle im gesetzten Rahmen erledigt werden. Stichwort Mindestmengen: Wie stehen Sie dazu? Sind sie der richtige Weg zur Qualitätssicherung? Maag: Für Qualitätssicherung gibt es unterschiedliche Instrumente. Die Mindestmengen gehören dazu, ebenso wie Anforderungen an die personelle oder strukturelle Ausstattung eines Krankenhauses, Qualitätsmessungen und das Zweitmeinungsverfahren. Alle diese Instrumente haben – wenn sie klug gemacht sind – ihr eigenes Potenzial, die Versorgung weiterzuentwickeln. Es geht darum, dass die Beitragsmittel nicht für suboptimale Leistungen ausgegeben und Patientinnen und Patienten gut versorgt werden. Es wäre zudem wünschenswert, dass Letztere die vorhandenen Informationsangebote viel stärker nutzen. Dazu bräuchte es vermutlich noch etwas mehr Marketing rund um Qualitätsberichte und Co, oder? Maag: Ganz klar liegt hier ein Informationsdefiziet vor. Allein wie oft ich in der letzten Zeit gefragt wurde, was ein G-BA ist und was der macht, zeigt, dass wir uns und den Mehrwert unserer Arbeit künftig stärker medial präsentieren sollten, z.B. auch in den sozialen Medien. Kritiker der Selbtsverwaltung werfen ihr vor, ein zu komplexes Konstrukt zu sein, in dem echtes Expertenwissen kaum gehört wird und Lobbyismus zu viel Platz bekommt. Wie stehen Sie dazu? Maag: Stellen Sie sich vor, das BMG müsste selbst die nachgeordneten Behörden aufbauen, um die Prozesse des G-BA wie die Nutzenbewertung abzubilden. Diese wären mit Sicherheit nicht besser oder schneller oder neutraler. Die Selbstverwaltung hat sich wirklich bewährt, wir werden von vielen anderen Ländern um diese historisch gewachsene Aufgabenwahrnehmung beneidet. Natürlich vertreten die Bänke ihre Interessen, aber sie treiben auch den Fortschritt voran. Ich bin ein Fan der Selbstverwaltung. Sehen Sie dennoch Stellen, an denen sich die Selbstverwaltung optimieren müsste? Maag: Mein erster Eindruck aus der Innenperspektive ist sehr positiv, was nicht bedeutet, dass es nicht besser werden kann. Aber Nachjustierungen an den Prozessen ist im G-BA ein geübtes Geschäft, dem verwehrt man sich auch nicht. Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung hinsichtlich der Zusammenarbeit? Maag: Eine Rechtsaufsicht, mit der wir im gegenseitigen Respekt – auch bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen – gangbare Wege im Sinne der Patientinnen und Patienten suchen können. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Pflegemanagement, Peter Bechtel, hat kürzlich kritisiert, dass die Pflege im G-BA begrenzt ist. Wie sehen Sie das? Maag: Da muss man zurückfragen: Wer ist die Pflege?Es gibt viele unterschiedliche Stimmen der Pflege, da sie in ihrer Organisation sehr zersplittert ist. Aktuell ist der Deutsche Pflegerat unser Ansprechpartner. Bei Fragen, von denen die Pflege betroffen ist, wird er gehört und kann sie sich gut einbringen. Ein fester Sitz vergleichbar mit der Ärzteschaft ist im Moment kaum darstellbar, weil die Pfelgeorganisation uneinheitlich ist. Eine Pflegekammer wäre wichtig. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Maag: Als unparteiisches Mitglied ist es mein Ziel in den mir zugeordneten drei Unterausschüssen, zu guten Ergebnissen zu kommen, die die Versorgung verbessern. Was dürfen wir vom G-BA in Ihrer Amtszeit erwarten? Maag: In meinem Arbeitsgebiet ist die Entwicklung des neuen DMP Adipositas von besonderer Bedeutung. Bei der Qualitätssicherung muss besser transportiert werden, was wir hier fordern und warum wir das tun. Das ist für die Akzeptanz der Qualitätssicherung unerlässlich. Das Interview führte Bianca Flachenecker.

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