Ökonomische Aspekte beim Einsatz einer innovativen Sepsisdiagnostik NGS in der Abrechnung

Wenn es um die Behandlung von schwerer Sepsis geht, kommen in der bestmöglichen Patientenversorgung immer wieder innovative Diagnostikmethoden zum Einsatz. Diese müssen abrechenbar sein. Das DRG- und NUB-System darf dabei nicht zum „Bremsklotz“ werden. Etwa 20 Prozent aller Todesfälle weltweit können auf eine Sepsis zurückgeführt werden (Rudd et al. 2020, S. 207). Für die Diagnostik dieser lebensbedrohlichen Reaktion auf eine Infektion, die durch Viren, Pilze oder Parasiten, meist aber durch Bakterien hervorgerufen wird, gelten kulturbasierte Diagnoseverfahren (z.B. Blutkulturen) bislang als Goldstandard. Die hypothesenbasierten Verfahren weisen jedoch einige Schwächen auf. Beispielhaft zu nennen ist hier der hohe zeitliche Aufwand oder die vergleichsweise niedrige Sensitivität (Rhodes et al. 2017, S. 494 ff.). An dieser Stelle knüpft die Innovation in der Sepsisdiagnostik an: Die Next-Generation-Sequencing (NGS)-basierte Diagnostik detektiert mit nur einem hypothesenfreien Test verschiedenste Erreger aus einer Blutprobe des erkrankten Menschen. Innerhalb kurzer Zeit liegt das Ergebnis über das Vorliegen der Sepsis samt dem oder der verursachenden Erreger vor. Dies bedeutet für den Patienten/die Patientin eine Steigerung der Behandlungsqualität: Durch die rasche Diagnostik kann die Patientin/der Patient früher gezielt gegen den vorliegenden Erreger behandelt werden. Unnötige Antibiotikagaben, die häufig weitere Nebenwirkungen wie Nierenschädigungen hervorrufen können, werden somit verhindert (Brenner et al. 2021, S. 2 ff.). Eine schnellere Genesung und eine damit verbundene Verkürzung der Verweildauer (v.a. auf Intensivstation mit hohem Ressourcenverbrauch) können Kosten für das Gesundheitssystem einsparen (Grumaz et al. 2019, S. e396 ff.). Laut Expertenschaft führt diese innovative Diagnostik in Kombination mit der Detektion des Sepsiserregers zu einem medizinischen Mehrwert in der Behandlung schwerer Fälle, insbesondere in den Fachbereichen Hämatoonkologie, Kardiologie/Kardiochirurgie und Intensivmedizin. Aus diesem Grund ist die ökonomische Abbildung der Testung in den Vergütungs- und Kodierregeln mit dem Ziel einer adäquaten Erstattung der Leistungserbringer notwendig. Kodierbeispiel Hämatoonkologie. Im stationären Sektor in Deutschland liegt ein zweijähriger Verzug in der Entwicklung des DRG-Fallpauschalenkatalogs (Diagnosis Related Groups) vor. Dies bedeutet, dass der aktuelle DRG-Katalog für das Kalenderjahr 2022 auf Kosten- und Leistungsdaten aus dem Jahr 2020 beruht. Aufgrund der vergleichsweisen jungen Methode der NGS-basierten Diagnostik kann eine Kalkulation innerhalb der DRGs bisher nicht erfolgt sein. Auch ein Zusatzentgelt wurde bisher nicht definiert. Neben diesen beiden genannten Vergütungselementen im stationären Sektor in Deutschland besteht die Möglichkeit der Vergütung über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB). Krankenhäuser, die eine Innovation einsetzen möchten, haben die Möglichkeit, jährlich bis zum 31. Oktober einen NUB-Antrag an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu stellen. Das InEK entscheidet bis Februar des Folgejahres über die beantragte Maßnahme und vergibt einen Status für ebendiese. Wird durch das InEK der Status 1 vergeben, so hat das Krankenhaus die Möglichkeit, ein abrechenbares Entgelt mit den Kostenträgern zu vereinbaren (Bunzemeier & Ostermann 2021, S. 62 ff.). "Innovative Diagnostik bei der Behandlung schwerer Sepsisfälle erfordert schnelle Wege in die Erstattung."Prof. Dr. Florian Kron NGS noch ohne NUB-Antrag Für die NGS-basierte Erregerdiagnostik wurde bisher kein NUB-Antrag gestellt. Da die nötigen Voraussetzungen (z.B. Zulassung, Preis, Evidenz etc.) bereits vorliegen, sollten NUB-Anträge gestellt werden. Eine Refinanzierung der Diagnostik über NUB-Entgelte würde den Zugang weiter beschleunigen. Doch auch unter den aktuell geltenden Vergütungsmöglichkeiten (v.a. im stationären Setting) kann sich ein Effekt bei der DRG-Kodierung durch die gezielte Erregerdetektion durch das neuartige Verfahren ergeben. Häufig bleiben Erreger bei der Testung mittels Blutkulturen unentdeckt (Grumaz et al. 2019, S. e396 f.). Aufgrund der höheren Sensitivität der NGS-basierten Diagnostik im Vergleich zu kulturbasierten Diagnoseverfahren wird in einer höheren Zahl der Patientenfälle ein spezifischer Erreger detektiert (Wolf et al. 2022). Dies spielt im Kontext der medizinischen Kodierung der DRG-Fälle eine wichtige Rolle. Es darf nach geltenden Kodierrichtlinien nur kodiert werden, was auch diagnostiziert wurde. Durch die höhere Sensitivität der NGS-basierten Diagnostik kann auch bei Patientinnen und Patienten, bei denen die kulturbasierte Diagnostik ergebnislos bleibt, der detektierte spezifische Erreger kodiert werden. Dies kann je nach weiteren vorliegenden Nebendiagnosen und Faktoren der erkrankten Menschen zu einem anderen Kodierergebnis führen als die Kodierung ohne spezifischen Erreger. Die Abbildung oben stellt beispielhaft einen Fall der Hämatoonkologie in gekürzter Form dar. Die Kodierung eines spezifischen Sepsiserregers bei sonst gleichbleibenden Diagnosen, Prozeduren und Patienteneigenschaften führt zu der DRG R61D mit einer Bewertungsrelation von 1,742 Punkten (ohne Kodierung des spezifischen Erregers: R61H mit 0,531 Punkten). Kodiereffekte bis zu 15 Prozent Erste DRG-Analysen aus den Fachbereichen Hämatoonkologie, Intensiv-medizin, Neurologie, Nephrologie, Gastroenterologie, Neonatologie, Kardiologie und Herzchirurgie zeigen, dass Kodiereffekte in bis zu 15 Prozent der DRGs im Mittel über alle Fachbereiche möglich sind. Die Kodiereffekte und die damit verbundene Erhöhung der Casemixpunkte zieht sich durch ein breites DRG-Spektrum, wobei speziell im Bereich der mittleren Fallgewichte eine Häufung erkennbar ist. Im Vergleich zu dem aktuellen Goldstandard „Blutkultur“ handelt es sich bei der NGS-basierten Diagnostik um eine ressourcenintensivere Testung, die im derzeit gültigen Fallpauschalenkatalog nicht abgebildet ist. Auch wenn die medizinische Perspektive schon aufgrund des zeitlichen Vorteils und der höheren Sensitivität durchaus überzeugend ist, ist eine zusätzliche Vergütung zur DRG-Fallpauschale durch ein NUB-Entgelt ebenfalls in jedem Fall angezeigt. Kontakt zu den Autoren: Prof. Dr. Florian Kron, CEO, Managing Director, Vitis Healthcare Group, f.kron@vitis-healthcare.com Viola Osterkamp, Consultant, Vitis Healthcare Group, v.osterkamp@vitis-healthcare.com Amelie Wickmann, Junior Consultant, Junior Consultant, Vitis Healthcare Group, a.wickmann@vitis-healthcare.com Literatur Sämtliche im Text genannte Literatur liegt beim Autor/den Autorinnen und ist auf Anfrage bei HCM erhältlich.

Ökonomische Aspekte beim Einsatz einer innovativen Sepsisdiagnostik NGS in der Abrechnung

Reimbursement im Überblick

Digitale Gesundheit von A bis Z

Themenwelt Pflege: Alles im Blick

Kostenloser Newsletter