HCM-Kolumnist Eckhard Eyer beschäftigt sich in seiner neuen Kolumne mit dem New-Work-Konzept in der deutschen Gesundheitswirtschaft und erklärt, was uns die Erfahrungen aus den USA lehren.

Das Konzept „New Work“ wird als topaktuell in der Gesundheitswirtschaft diskutiert, dabei stammt das Konzept aus den 1970er Jahren in den USA. Was kann man aus den Erfahrungen lernen?
New Work: Was steckt nochmal dahinter?
Der Österreicher Fritjof Bergmann entwickelte in den USA, zusammen mit Automobilherstellern, im Zuge der zunehmenden Technisierung und Automatisierung der Arbeitswelt und der dadurch immer monotoner und kurzzyklischer werdenden Arbeitsaufgaben der Produktionsmitarbeiter, das Konzept von New Work. Bergmann fragte, wie eine motivierende Arbeit in der Zukunft aussehen könnte und formulierte fünf Ziele für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer:
- Selbstständigkeit
- Freiheit
- Teilhabe an der Gemeinschaft
- Freiräume für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit
- Im Ergebnis: Echte Handlungsfreiheit
Ein wichtiger Grund für die Unternehmen mit Bergmann zusammenzuarbeiten war der hohe Krankenstand in den Fabriken und die Fluktuation.
Parallel zu Bergmann entwickelte Volvo in Schweden die Teilautonome Gruppenarbeit (TAG), um die monotone und sinnentleerte Arbeit in der Automobilproduktion am Fließband wieder attraktiv zu machen und dadurch den Krankenstand und die Fluktuation zu senken.
Wie aktuell ist New Work eigentlich noch?
New Work ist nicht neu, sondern neu für die Gesundheitswirtschaft. Spannend ist die Frage, warum New Work jetzt in der Gesundheitswirtschaft attraktiv ist und aufgegriffen wird. Ist es der Wertewandel der Generation Y und der Generation Z? Ist es der geänderte Arbeitsmarkt, der – aufgrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels – zum Arbeitnehmermarkt wurde? Ist es die größere Gestaltungsfreiheit der Arbeit durch die Digitalisierung und die neuen Technologien? Oder ist es ein geändertes Statusdenken zwischen den Mitarbeitergruppen? Wahrscheinlich hat das Thema New Work in der Gesundheitswirtschaft viele Ursachen. Am wichtigsten ist meines Erachtens der Fachkräftemangel und damit der Arbeitsmarkt, der sich zum Arbeitnehmermarkt wandelte und die Unternehmen dazu veranlasst über New Work nachzudenken.
Der Mensch im Mittelpunkt durch New-Work-Konzepte
Das positive an New Work ist, dass der Mensch wieder in den Mittelpunkt rückt und bei den Arbeitsbedingungen seine Interessen und Bedürfnisse an Bedeutung gewinnen, was sich auch auf die Arbeitsergebnisse und Zufriedenheit der Kunden auswirkt. In Zeiten der Unterbeschäftigung und hohen Arbeitslosigkeit wurde den Beschäftigten eine Arbeit, verbunden mit einem Gehalt, angeboten und diese vor die Frage gestellt, ob sie das vom Arbeitgeber angebotene Paket annehmen oder es sein lassen. Das hat sich geändert.
In der Gesundheitswirtschaft haben die Mitarbeiter eine sinnvolle und sinnstiftende Arbeit, was von ihnen nicht selten als Grund genannt wird um in dieser Branche in ihrem Beruf zu arbeiten. Studien – wie die Bremer Studie „Ich pflege wieder, wenn …“ – zeigen, dass die Hürden zur Arbeitsaufnahme von qualifizierten Menschen an der Organisation der Arbeit, der Arbeitsgestaltung und den Rahmenbedingungen, wie Arbeitszeit und Vergütung, liegen. Die physischen und psychischen Belastungen sowie die Verantwortung gegenüber den anvertrauten Menschen werden auf Dauer, als belastend und zu hoch empfunden. New Work kann hier eine Antwort sein.
Erfolg mit New Work braucht Veränderungsbereitschaft
New Work bietet die Chance die Arbeitssituation und die Rahmenbedingungen zu verbessern, um so zum Wohl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Kundinnen und Kunden (Patienten, Patientinnen sowie Bewohnerinnen und Bewohner) und nicht zuletzt der Unternehmen zu wirken. Ob New Work in der Gesundheitswirtschaft eine Chance hat oder gar Mainstream wird hängt nicht zuletzt davon ab die Entscheidungsebene ausreichend veränderungsbereit sind und sich auch die Frage stellen „Was passiert, wenn nichts passiert?“