Pflegeimmobilienmarkt in Deutschland Neu bauen oder sanieren?

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Höhere Zinsen, gekürzte Fördermittel, Bau- und Betriebskosten auf hohem Niveau: Selten war die Situation für Entwickler, Betreiber und Bewohner von Pflegeheimen so prekär. Unter diesen Umständen nachhaltig und doch wirtschaftlich neue Pflegeimmobilien zu entwickeln, ist eine Herausforderung.

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Pflegeimmobilie im Bau. – © Martin Rohrmann

Neueste Marktdaten der Pflegevorausberechnung und die Analysen von Bulwiengesa (unabhängiges Beratungs-, Analyse- und Bewertungsunternehmen für die Immobilienbranche in Deutschland) zeigen: Die Bundesrepublik braucht bis zum Jahr 2040 bis zu 600.000 neue Pflegeplätze – u.a. auch deshalb, weil viele bestehende Pflegeimmobilien technisch nicht mehr den Vorschriften entsprechen. Diese Zahl verdeutlicht die Pflegelücke in Deutschland. Für viele Investoren und Betreiber stellt sich also die Frage: Sollen bestehende Pflegeheime saniert oder neue gebaut werden? So manchem wird mulmig bei dem Gedanken, seine Einrichtung abreißen und neu bauen zu müssen. Wo sollen Personal sowie Bewohnerinnen und Bewohner zwischenzeitlich unterkommen? Von den Kosten ganz zu schweigen.

Energetische Sanierung nicht günstiger als Neubau

Natürlich ist Neubau auch nicht für jeden finanziell tragbar. Wer sich dennoch für die Zukunft sicher aufstellen will, kann auf eine umfassende energetische Sanierung setzen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, wie überaltert der Gebäudebestand ist: Ein Drittel der Bestandsimmobilien ist 40 Jahre alt oder sogar noch älter. Das macht auch Sanierungsmaßnahmen weniger wirtschaftlich.

Unter diesen Umständen ist eine Sanierung im Bestand zwar möglich und auch finanziell förderfähig, aber extrem aufwendig und bei Weitem nicht günstiger als ein Neu-bau, der weitere Vorteile mit sich bringt. Denn mit Sanierungsmaßnahmen lassen sich bestehende Plätze nur erhalten, eine neue Einrichtung kann das Angebot indes erweitern. Auch ist eine Sanierung nicht zwingend nachhaltiger als neu zu bauen. Zum einen bieten Neubauten die Chance zum Einsatz klimafreundlicher Baustoffe, zum anderen sind moderne Gebäude energieeffizienter als Bestandsbauten – selbst nach der besten energetischen Sanierung.

Politik und Kapitalgeber gefragt

Die Aufgabe, den enormen Bedarf an Pflegeplätzen zu decken, lastet fast ausschließlich auf freigemeinnützigen und privaten Bauherren. Die Politik könnte so manches tun, um Entwicklern von Pflegeimmobilien die Arbeit zu erleichtern und das Marktsegment für Investoren attraktiver zu gestalten. Das fängt bei Regulierungen an, die vereinfacht und v.a. bundesweit vereinheitlicht werden müssten. Ebenfalls müssen Betreiber über Investitions­kosten- und Pflegesätze ihre Wirtschaftlichkeit sicherstellen können. Zudem braucht die Branche mehr Unterstützung von Kapitalgebern. Viele überregionale Banken finanzieren Pflegeimmobilien ungern – für sie ist das Geschäft zu kleinteilig und das Risiko einer Betreiberimmobilie schwer zu kalkulieren. Dabei lässt sich dieses ­Risiko durch eine langjährige Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern geringhalten.

Investment in soziale ­Projekte kann sich lohnen

Eine Studie von Bulwiengesa hat festgestellt, dass Investitionen in gefördertes Wohnen ertragreicher sind als in frei finanziertes Wohnen – Grund sind die gestiegenen Bauzinsen. Durch eine Kombination von Zuschüssen und zinsvergünstigten Darlehen können geförderte Wohnprojekte Renditen von bis zu vier Prozent ausschütten. Sollte der Bund das Bauen von sozialer Infrastruktur, wie Pflegeeinrichtungen, ebenso fördern, könnten weitere Player auf dem Pflegemarkt aktiv werden und dem Sektor frischen Wind verleihen.

Eine Lösung – Pflegeimmobilien mit System

Unter den aktuell schwierigen Marktbedingungen ­Pflegeimmobilien effi­zient und nachhaltig zu entwickeln, ist z.B. mit einem Systemansatz möglich. Dank konstant zusammenarbeitender Partner, standardisierter Prozesse und einheitlicher Baustandards lassen sich Skaleneffekte nutzen und Kosten einsparen. Materialien werden pro­jektübergreifend gekauft und Verträge gebäudeüber­greifend geschlossen. Die Standardisierung spart auch Zeit: Projekte können bis zu zwölf Monate schneller als ­üblich fertiggestellt werden.Und wenn der Entwickler spart, profitieren auch Betreiber sowie die Bewohnerinnen und Bewohner: Eine nach modernsten energetischen ­Standards errichtete Immobilie senkt die Energiekosten und Emissionswerte. Nicht zuletzt schafft eine solch moderne Einrichtung für Pflegekräfte bessere Arbeits­bedingungen. Nach Systemansatz errichtete Gebäude bieten etwa kürzere Wege dank effizient geschnittener Grundrisse und erhöhen den Wohnkomfort und damit das Wohlbefinden.

Weniger Transaktionsvolumen, mehr Rendite

Ein Blick auf den Investmentmarkt für Gesundheitsimmobilien zeigt einen deutlichen Abwärtstrend bei den Transaktionsvolumina: Im ersten Quartal 2023 sind nach Angaben des Immobiliendienstleisters CBRE insgesamt 407 Millionen Euro in Deutschland umgesetzt worden, im ersten Quartal 2022 waren es noch 671,5 Millionen – ein Rückgang von 39 Prozent.

Für den Pflegeimmobiliensektor verzeichnen die Analysten einen Rückgang von sechs Prozent: Im ersten Quartal 2022 wurden 204 Millionen Euro in diesen Sektor investiert, im ersten Quartal 2023 waren es nur 192 Millionen. Dabei machten Pflegeheime in den ersten drei ­Monaten 2023 einen größeren Anteil der Investitionen in Gesundheitsimmobilien aus: Gemäß CBRE betrug ­dieser mit 47,1 Prozent beinahe die Hälfte, während es ein Jahr zuvor mit 30,4 Prozent etwas weniger als ein Drittel war.

Der Anteil ausländischer Investoren ist von 36 Prozent (Q1/2022) auf 15 Prozent (Q1/2023) zurückgegangen. Der Anteil an Portfolio-Transaktionen hat sich hingegen im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt: von 21 auf 38 Prozent. Ebenfalls gestiegen ist nach CBRE-Angaben die Spitzenrendite für Pflegeheime von 3,9 auf 4,6 Prozent.

Investition in die Pflege – wichtig und richtig

Die Investition in Pflegeimmobilien ist langfristig lohnend, die Überalterung unserer Gesellschaft stellt den künftigen Bedarf sicher. Mit einer auf die aktuellen Rahmenbedin­gungen abgestimmten Strategie lassen sich auch im Marktumfeld hochwertige Pflegeimmobilien schaffen. Letztlich müssen auch die Marktakteure, wie Politik, Verwaltung sowie Fördermittel- und Kreditgeber, die Brisanz in der aktuellen Situation erkennen und zukunftsorientiert handeln.

Kontakt zum Autor

Gerald Klinck, CEO der Cureus GmbH, geschaeftsfuehrung@cureus.de