Führungspositionen im Gesundheitswesen Nachholbedarf auf Führungsebene: Frauen fehlen

PwC führte in diesem Jahr zum zweiten Mal die Erhebung „Frauen in der Gesundheitswirtschaft“ durch und erhält im Vergleich zum Jahr 2015 ein ernüchterndes Ergebnis: Die Quote von Frauen in Führungspositionen ist um vier Prozent zurückgegangen. Eine Einschätzung der Studienergebnisse geben Sevilay Huesman-Koecke und Corinna Friedl im Gespräch mit HCM ab.Frauen stoßen auch in der Gesundheitswirtschaft immer noch an die gläserne Decke“, so lautet die zentrale Erkenntnis einer aktullen Erhebung von Pricewaterhouse Coopers (PwC), die 2020 nach fünf Jahren zum zweiten Mal durchgeführt wurde. In Zahlen zusammengefasst lauten die zentralen Ergebnise wie folgt: 29 Prozent der Führungspositionen in der Gesundheitswirtschaft sind in weiblicher Hand (2015: 33 Prozent). 17 Prozent der Chefsessel im Topmanagement werden von Frauen besetzt (jede sechste Stelle). 31 Prozent beträgt die Quote weiblicher Führungskräfte in Politik und Verwaltung (2015 waren es 44 Prozent)55 Prozent beträgt der Frauenanteil auf der mittleren Führungssebene der Pharmaindustrie. Seit dem Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen zeichnete sich im Gesundheitwesen damit ein Rückwärtstrend ab – obwohl mehr als drei Viertel der Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft weiblich sind. In den aktuellen Erhebungen zeigen sich aber auch andere Entwicklungen: In den Führungsetagen im mittleren Management von Krankenhäusern bilden Frauen einen Anteil von 49 Prozent (2015: 40 Prozent). Auch im Pharmabereich gibt es mehr Frauen an der Spitze. Im Top-Management ist laut den Erhebungen jede fünfte Stelle mit einer Frau besetzt (2015: 15 Prozent). Und auch im Vorstand gibt es hier mit einem Anteil von 21 Prozent (2015: 5 Prozent) vier Mal mehr Frauen. Hintergrund ist laut PwC, dass im mittleren Management des Pharmabereichs mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Führungspositionen von Frauen besetzt sind. In der Wissenschaft sowie in Verbänden und Interessenvertretungen der Gesundheitsbranche sind Frauen ebenfalls vergleichsweise gut in Führungspositionen vertreten: In wissenschaftlichen Instituten liegt ihr Anteil bei 35 Prozent (2015: 32 Prozent), in Verbänden bei 36 Prozent (2015: 32 Prozent). Als typische Frauendomäne erweist sich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Diese Aufgabe verantworten in wissenschaftlichen Instituten weibliche Angestellte zu 69 Prozent, in Interessenvertretungen und bei Verbänden zu 56 Prozent. Ein weiteres Tätigkeitsfeld, in dem Frauen Karriere machen, ist das Personalwesen. Bei Krankenversicherungen werde dieser Bereich zu 51 Prozent von Frauen verantwortet. In der Medizintechnik sind leitende Verwaltungsaufgaben zu 48 Prozent in weiblicher Hand, im Personalwesen 42 Prozent, in der Buchhaltung 40 Prozent. In Ministerien und Behörden, die mit Gesundheitsthemen befasst sind, ist der Anteil an Frauen an der Spitze eingebrochen. Hatten Frauen vor fünf Jahren 44 Prozent der Leitungspositionen inne, ist diese Zahl auf 31 Prozent gesunken. Überraschend sei auch, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Politik und Verwaltung nur noch zu 28 Prozent von Frauen geleitet wird (2015: 46 Prozent). Was sagen die Expertinnen zu diesen Entwicklungen?HCM hat mit den beiden Initiatorinnen des PwC-Netzwerkes women&healthcare Sevilay Huesman-Koecke, International Director und Head of Business Development im Bereich Gesundheitswirtschaft bei PwC, und Corinna Friedl, Director Assurance Healthcare Services bei PwC, über die Bedeutung der Studienergebnisse, Konsquenzen und Ansatzpunkte gesprochen. Steht der Rückgang von Frauen an der Spitze in der Gesundheitswirtschaft für geringe Karriereperspektiven für Frauen oder dafür, dass Frauen bestehende Optionen nicht wahrnehmen? Huesman-Koecke: Es ist an beidem etwas Wahres. Unternehmen müssen sich stärker einsetzen und mehr Chancen bieten. Andererseits müssen Frauen auch strategischer bei der Karriereplanung vorgehen. Eine definitiv falsche Annahme aber ist die oft angebrachte Aussage, dass Frauen Karrieremöglichkeiten nicht wahrnehmen möchten. Warum kam es zu dem Rückgang von vier Prozent in den letzten fünf Jahren? Gerade jetzt, wo das Thema Women Empowerment immer mehr in den gesellschaftlichen Diskurs rückt? Friedl: Ein Thema sind immer fehlende Role Models bzw. Vorbilder. Das zeigt auch unsere Studie. Seit den letzten fünf Jahren gibt es weniger Vorbilder, v.a. in Politik und Behörden im Gesundheitswesen. Wir reden viel über Quoten und die sind ein Muss, aber die Politik hätte die Möglichkeit, ohne Quoten ein Exempel zu schaffen. Es muss ein Störgefühl aufkommen, wenn z.B. nur Männer auf einem Podium auftreten – und zwar überall. Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Fachkräftemangel in der Pflege und der Attraktivität der Gesundheitswirtschafschaft für Frauen? Friedl: Der Fachkräftemangel in der Pflege – ein Bereich in dem überwiegend Frauen arbeiten – ist ein gutes Beispiel dafür, dass die veralteten Strukturen für Frauen wenig attraktiv sind. Exemplarisch dafür sind die frauenfeindlichen Workflows im Tagesablauf, das beginnt schon bei der Aufgabenverteilung bei der Visite – welche Aufgaben übernimmt der Mann, welche die Frau? Huesman-Koecke: Und dennoch: Gerade in der Pflege bieten sich gute Karrieremöglichkeiten für Frauen. Ensteht der Gesundheitswirschaft mit dem geringen Frauenanteil im Topmanagement ein Nachteil? Huesman-Koecke: Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Der größte Nachteil entsteht sicherlich durch die selbst geschaffene Homogenität in der Führungsetage, die zu weniger Innovationsverhalten führen kann. In Zeiten den Wandels durch die Digitalisierung braucht es mehr Diversity und viele verschiedene Facetten und Meinungen. Friedl: Ein weiterer wesentlicher Nachteil ist der Fachkräftemangel, der sich durch für Frauen unattraktive Strukturen bedingt. Wo empfehlen Sie anzusetzen? Bei den Frauen selbst, auf Seite der Unternehmen, an den Strukturen oder am gesellschaftlichen Mindset? Huesman-Koecke: Alle genannten Komponenten sind wichtig. Am wichtigsten ist aber das Thema Netzwerk, da brauchen wir uns nicht vorzumachen. Wenn es um die Besetzung einer Position geht, entscheidet natürlich die Kompetenz, aber es sind gute Kontakte und Gespräche, die einen Menschen erst ins Gespräch bringen. Deshalb sollten Frauen mutiger werden und Netzwerke nutzen Friedl: Deshalb haben wir auch das Netzwerk women&healthcare gegründet. Wir möchten Frauen dabei helfen, einen Wissensvorsprung zu generieren und dabei helfen, strategisches Netzwerken effizienter einzusetzen. Das Interview führte Bianca Flachenecker. Der Wandel im Gesundheitswesen ist oft stark durch Homogenität in der Führungsetage betroffen. Diversity dagegen schafft eine größere Facettenvielfalt, die wir bei großen Herausforderungen wir der Digitalisierung dringend brauchen. Sevilay Huesman-KoeckeEs braucht weibliche Role Models an Top-Positionen im deutschen Gesundheitswesen. Wenn hier nur Männer auftreten sollte ein Störgefühl aufkommen. Corinna Friedl

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