HCM Academy Nachhaltigkeit in der stationären Pflege

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Nachhaltigkeit

Wie kann die stationäre Pflege zum Klimaschutz beitragen? Einblicke in das betriebliche Klimaschutzmanagement der AWO – Praxisbeispiele aus Pflege und Hauswirtschaft. Thomas Diekamp gibt Tipps für die praktische Umsetzung.

Nachhaltigkeit in der stationären Pflege: Tipps für die praktische Umsetzung. Praxisbeispiele aus Pflege und Hauswirtschaft im Webinar der HCM Academy. – © sdecoret (stock.adobe.com)

Wie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Umsetzung angegangen ist, erläutert Projektleiter Thomas Diekamp im Webinar der HCM Academy bei den digitalen Impulswochen Fokus Management & Zukunft.

Bei der Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Juni 2021 wurde als zentrales Ziel Klimaneutralität vor 2040 festgelegt. Wie das gelingen kann, wurde in einem Ziel- und Maßnahmenkatalog definiert.

Das Projekt „klimafreundlich pflegen – überall!“ ist nach dem vorangegangenen Pilotprojekt von 2018 bis 2020 ein weiterer Schritt in Richtung Klimaneutralität. Über einen Zeitraum von drei Jahren wird das Vorhaben im Zuge der ‚Nationalen Klimaschutzinitiative‘ des Bundesumweltministeriums gefördert.

Nachhaltiger CO2-Fußabdruck als Ziel

Im ersten Schritt wird der CO2-Fußabdruck aller 90 am Projekt beteiligten Einrichtungen erhoben. Mit Hilfe des gesammelten Datenmaterials werden in Abstimmung mit Mitarbeitenden sowie Bewohnerinnen und Bewohnern gezielte Klimaschutzstrategien und Maßnahmen entwickelt, sodass die bisherigen Emissionen um einen wesentlichen Anteil verringert werden. Unterstützt werden die teilnehmenden Häuser nicht nur durch die jeweiligen Regionalstellen, sondern pro Region auch durch zwei „Mentoren-Einrichtungen“ aus dem Pilotvorhaben sowie verschiedene Schulungsangebote.

Die Erkenntnisse, die durch das Vorhaben gesammelt werden, sollen dabei sowohl in andere Einrichtungen innerhalb als auch außerhalb der AWO getragen werden. Im Projekt wird jedoch nicht nur intensiv mit den projektinternen Einrichtungen zusammengearbeitet. Ein jährlich stattfindender Fachtag bietet die Möglichkeit für Austausch zwischen Projektteilnehmenden und Akteuren der breiten Öffentlichkeit sowie politischen Gremien. Ziel ist es, über den Projektzeitraum hinaus Klimaschutz in der Pflege zu etablieren.

Senkung der CO2-Emissionen für den Klimaschutz

Wo stehen wir aktuell, wo müssen wir hin und wie kann das gelingen? Die durchschnittlichen Emissionen pro Pflegeplatz und Jahr liegen bei 6,5 bis 7 Tonnen CO2. Wir müssen alle auf eine Tonne CO2-Emission pro Jahr runter, das gilt insbesondere auch für die stationäre Pflege.

Dies könne nur gelingen durch einen kontinuierlichen Veränderungsprozess. Über das Qualitätsmanagement-System könnten Umweltaspekte mitgesteuert werden:

  • Ziele und Maßnahmen festlegen,
  • Umsetzung der Maßnahmen,
  • Überprüfung der Maßnahmen (z.B. Wirksamkeit),
  • entsprechend dann neue Maßnahmen finden.

Welche Bereiche wurden erhoben?

Im Maßnahmenkatalog wurden folgende Bereiche erhoben und bewertet:

  • Verpflegung
  • Heizenergie
  • Strom
  • Mobilität (z.B. An- und Abreise der Mitarbeitenden, Besorgungsfahrten)
  • Reinigung/Wäsche
  • Sonstige (Abfälle, Verbrauchsmaterialien)

Auf Grundlage der eingereichten Verbrauchsdaten wurde der CO2-Fußabdruck der Einrichtungen berechnet und im Vergleich mit anderen stationären Pflegeeinrichtungen eingestuft. Ein erstes Bewusstsein wurde geschaffen. Es wurde festgestellt, dass die Verpflegung die Hälfte der Emissionen ausmacht. Das entspricht ca. 3 Tonnen CO2 je Bewohnerin und Bewohner im Jahr.

Die Grafik zeigt die gesamten CO2-Emissionen der Einrichtung. – © Quelle: Nachhaltigkeit in der Pflege/Thomas Diekamp

Wie kann es gelingen, den CO2-Fußabdruck zu verbessern?

Die AWO hat hierzu Workshops mit allen Bereichen durchgeführt in Form von Entwicklungswerkstätten, Schulungen und regionalen Fachtagen. Die Auswertungen wurden gemeinsam genau angeschaut und ausgewertet:

  • Was ist passiert in der Einrichtung?
  • Was können wir uns für die nächste Zeit vornehmen?
  • Es wurden Ziele formuliert und
  • Maßnahmen festgelegt.

Die AWO hat auch die Politik auf den Klimaschutz aufmerksam gemacht, die Rahmenbedingungen in der Pflege anzupassen, damit Klimaschutz dort auch umgesetzt werden kann. Alle Akteure in den Einrichtungen müssen Klimaschutz betreiben.

Handlungsfelder klimafreundlicher Pflege

Diese drei Handlungsfelder sind definiert:

  • Verpflegung
  • Energie
  • Ressourcen
Handlungsfelder für klimafreundliche Pflege: Verpflegung, Energie und Ressourcen. – © Quelle: Nachhaltigkeit in der Pflege/Thomas Diekamp

In der Verpflegung verbirgt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht ein enormes Potenzial, z.B. beim Speiseabfall. Im ersten Schritt wurden Messungen über einen Zeitraum von etwa vier Wochen erhoben. Was kommt zurück an Speiseabfall? Wie können wir das reduzieren? Auf Basis dieser Messungen dann Maßnahmen ableiten, gemeinsam mit dem Küchen- und dem Pflegeteam. Gerade die Pflegekräfte sind ja auch an der Essensverteilung beteiligt und sehen beispielsweise, was zurückkommt und weggeschmissen wird. Diese Schnittstelle zwischen Küche und Pflege ist enorm wichtig, um entsprechend Gegenmaßen zu entwickeln, damit nicht mehr so viel Speiseabfall anfällt.

Beispiele hierfür sind:

  • Kartoffeln wurden viel weggeschmissen (z.B. Portionen reduzieren, anpassen an den Bedarf)
  • Beim Abendbrot wurde viel Wurst entsorgt (z.B. Auswahl reduzieren, Portionen an Bedarf anpassen).

Die Reduzierung der Speiseabfälle sei ein erheblicher wirtschaftlicher Aspekt und könne im Jahr eine Einsparung von mehreren Tausend Euro bedeuten. Das Potenzial sei vorhanden, um Abfälle zu reduzieren.

Nachhaltiger Konsum und Produktion

Eine Idee für Nachhaltigkeit wäre beispielsweise in Pflegeeinrichtungen auch ein Hochbeet für Seniorinnen und Senioren. Dies wurde von den Bewohnenden sehr gut angenommen:

  • Hatten oftmals zu Hause auch einen Garten und Gemüse angepflanzt,
  • eine schöne Aufgabe für die Bewohnerinnen und Bewohner,
  • die angepflanzten Kräuter wurden auch in der Klinikküche verwendet,
  • Küche wurde erlebbar gemacht,
  • Bezug von frischen Lebensmitteln,
  • Reduktion von Tiefkühlware.

Auch bei der Versorgung mit Fleisch konnte durch die Reduktion nachhaltiger vorgegangen werden. Beispielsweise durch

  • kleinere Fleischportionen,
  • mehr vegetarische Alternativen sowie
  • klimafreundlichere Fleischsorten (z.B. Hähnchen, Geflügel)

Bezahlbare und saubere Energie

Auch der Stromverbrauch wurde unter die Lupe genommen. Im Durchschnitt werden pro Bewohnenden 2,719 Kilowattstunden im Jahr verbraucht. Hier wurde auch überlegt, welche Maßnahmen schnell durchführbar sind, beispielsweise wenn Leuchtmittel kaputtgegangen sind auf LED umstellen. Auch das Anbringen von Bewegungsmeldern, etwa in den Toiletten oder im Umkleidebereich der Mitarbeitenden könne Strom sparen.

Das Installieren von Photovoltaik (PV)-Anlagen auf die Dächer der Einrichtungen wurde auch als mögliche Maßnahme in Betracht gezogen. Seniorenzentren haben beispielsweise eine ideale Verbrauchskurve für eigene PV-Anlagen. Es wird auch tagsüber viel Energie verbraucht, wenn Strom produziert wird. Vorteil:

  • kann meinen eigenen Strom verbrauchen
  • hohe Eigenverbrauchsquote

Ressource Wasser

Das Aufstellen von Wasserspendern in den einzelnen Etagen bringe auch viele Vorteile:

  • schont die Umwelt (kein Einkauf nötig; das Trinkwasser kommt aus der Leitung)
  • kein Schleppen von Kisten, keine Lagerhaltung
  • weniger CO2

Es wurden hierfür verschiedene Anbieter solcher Wasserspenderanlagen getestet. Die Keimbelastungen wurden gemessen. Die Nährwerte des Trinkwassers aus den Spendern waren sogar besser als diese des gekauften Wassers in Flaschen. Die Trinkwasserflaschen für die Bewohnenden werden vom Pflegepersonal befüllt. Es mussten dazu nur Prozesse dahingehend umgestellt werden.

Praxisbeispiel Bio faire Flachwäsche

Auch hier hatte die Umstellung auf Bio faire Flachwäsche zu längerer Haltbarkeit, längerer Nutzungsdauer und weniger Kosten geführt. Hat die Einrichtung einen Dienstleister für die Wäsche muss natürlich abgewogen werden, ob hier eine Umstellung überhaupt möglich ist.

Engagement für Umweltschutz steigert Arbeitgeberattraktivität

Im Zuge der Umstellungen gab es beispielsweise sehr positive Rückmeldungen von den Küchenteams, die mehr Freude bei der Arbeit hatten. Die Arbeitergeberattraktivität habe zugenommen durch das Engagement in Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

„Soziale Nachhaltigkeit wird gestärkt.“

Thomas Diekamp, Projektleitung „klimafreundlich pflegen – überall“, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (AWO)

Mehr Informationen zum Projekt „klimafreundlich pflegen“ finden Interessierte mit einem Klick hierauf.